Neues von der Lurer-Truppe



„Der Hund bellt immer. Er bellt, wenn jemand kommt, sowie auch, wenn jemand geht – er bellt zwischendurch, und wenn er keinen Anlass hat, erbellt er sich einen.“
(Kurt Tucholsky: „Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch“)


Was ist denn nun plötzlich in Theresa Faus gefahren? Da hat sie schon wieder mal die Gelegenheit, eines der von Funk, Film und Fernsehen bekannten Fern-Seh- und Spurtreue-Seminare abzuhalten – und dennoch fand sie noch Zeit, mir vorgestern auf ihrer Facebook-Seite einen mitzugeben:

„Einer der Verfechter von ‚Freiheit auf der Piste‘, der sich als Rebell stilisierende Gerhard Riedl, argumentiert in einem Kommentar ‚Ich weiß auch nicht, worauf die ständigen Berichte von schrecklichen Zusammenstößen auf dem Parkett basieren. Wenn man ein bisschen improvisieren kann, ist doch fast immer ein Ausweichen möglich.‘

Wenn man ein bisschen improvisieren kann, ist es auch mühelos möglich, und zwar immer, in der Ronda und Spur zu tanzen. Das kommt zum Beispiel denen entgegen, die sich mit dem Ausweichen noch schwer tun. Und macht den Kopf frei für das Eintauchen in Musik und Bewegung.“

Hier der Link zur Debatte: https://www.facebook.com/theresa.faus?fref=ts

Na klar, liebe Theresa – nur dachte ich bisher, das hehre Ziel des Paartanzes bestünde darin, irgendwann einmal Choreografie, Musik, Partnerkontakt und Navigation kombiniert zu beherrschen. So, wie man sich beim FC Bayern nicht das Ballgeschiebe des SV Hundszell zum Vorbild nimmt… Und natürlich kann ein geübter Schwimmer auch eine Wasserlache nutzen – nur: Es macht halt keinen Spaß!

Kein Wunder, dass sich die allzeit bereite Gefolgschaft der Blickesender sofort in jubelnden (für Theresa) und feindseligen Kommentaren (für Andersdenkende) zu überbieten trachtete!

Ein Wolfgang Kienreich mahnt immerhin noch zur taktischen Zurückhaltung: Ich würde jemandem, der seine aus meiner Sicht unrichtigen, jedenfalls aber für den allergrößten Teil der Gemeinschaft völlig irrelevanten Ansichten derart lautstark-schmuddelig vertritt, nicht auch noch eine Bühne bieten :)“

Also, dass meine Ansichten lautstark und irrelevant sind, weiß ich ja inzwischen – aber schmuddelig? Spielt er auf die "Schmuddelkinder" an? Hab ich „unsaubere Meinungen“? Ich rätsle…

Mathias Stabe regt sich zunächst über quellen asozialer gemeinplätze“ auf, und kritisiert es, „wenn irgendwelche leute nötigend meinen, befindlichkeiten anderer seien - gemessen an eigener ‚wahrheit' – nachrangig.“ Noch mehr erzürnt er sich dann über den von Thomas Kröter inzwischen geklopften Spruch vom „cabeceotaliban“. Dessen Grund für’s harte Wort: weil in der einschlaegigen szene gerade 1 comic kursiert, in dem 1 verbalaufforderer von 1 cabecosuperman 1 runtergehauen bekommt“ (ich hatte das nette Bildchen auf FB zitiert). Zu Herrn Stabes gerechter Empörung kommt noch, dass er anscheinend unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet: „übrigens konnte ich mich selbst mehr als einmal vor 'wiener walzen' in vals-tandas nur knapp retten ;-) )“

Ein Kommentator namens Siebenundvierzig Elf mag über die besagte Zeichnung so streng nicht urteilen: „Ich hab das ‚Cabeceo-Watschen-Comic‘ auch geteilt und jetzt heulen die hochsensiblen Cabeceoverweigerer, als müssten sie ernsthaft bei jeder verbalen Aufforderung um ihre Zähne fürchten.“

Mangels Nachschub an Verbalinjurien fällt nun plötzlich Thomas Hildebrandt ein noch schöneres Wort ein: „Vom Cabeceo-Taliban ist es nicht weit zum Tango-Nazi (ein Wort, für das die, die es benutzen, sich auf ewig schämen sollten).“ Verbal Auffordernde umschreibt er schon mal liebevoll mit „plump Anquatschende“ (dürfte in Wiener Ballsälen für einiges Erstaunen sorgen, oder, Alessandra?).

Schön, dass Herr Hildebrandt (den man nicht mit Dieter verwechseln sollte) nun wenigstens zum Ausgleich etwas romantische Poesie einstreut: „Cabeceo bedeutet für mich v.a. eine Stärkung der Frau, die sich nicht mehr einfach pflücken lassen muß wie eine Blume am Wegesrand, sondern die so viel stärker selbst darauf Einfluß nehmen kann, wann sie mit wem tanzen möchte.“ 
Nicht auszudenken, wenn das Blümelein sich nun erhöbe, den Wegesrand verließe und ihn einfach so aufforderte…
Wie heißt es in der Werbung für die länglichen Pastillen? „Sind sie zu stark, bist du zu schwach…“

Ich finde es herrlich, welches Feuerwerk man inzwischen lediglich mit der Nennung meines Namens hinbekommt! Da steht der kleine Gerhard aus Pörnbach und betrachtet ganz verzückt die Melange aus Krachern, sprühenden Fontänen und im Stakkato abgefeuerten Batterien verbaler Beschimpfungskunst... Und vor allem hat das Ganze genau nichts zu tun mit meinem von Theresa eingangs verlinkten Artikel über die Thesen eines Herrn Anteski aus Skopje. Ist aber trotzdem schön!

Das Beste zum Schluss! Der sich wohl zu Recht „Siebenundvierzig Elf“ nennende Kommentator hat noch einen Tipp aus der Glockengasse: „Wären die Frauen sich ihrer Entscheidungsmacht mehr bewusst und würden unangenehme Tänzer nicht zum Zuge kommen lassen, hätte das bestimmt auch einen positiven Einfluß auf das ganze Geschehen in der Ronda, die Bereitschaft weiter zu lernen, äh, sich zu waschen usw. ;-)“

Sofort kommt von Ramona Oudille, der scheinbar schmutzige Männer nicht fremd sind, die Bestätigung: „lieber zweimal hinschauen - äh, schnuppern“.

Das überzeugt nun endgültig den gelernten Biologen in mir, ist doch das Riechhirn der evolutionär älteste Teil der Grütze zwischen den Ohren. Klar, erstmal überprüfen, ob man den Tanzpartner wirklich „riechen“ kann – also quasi den „cabeceo“ durch den „huelo“ ersetzen. Super, da muss man dann auch schön nah ran! Und Theresa hätte ein neues Seminarthema: Schnupperstunde"...

Liebe Theresa, jetz mal unter uns Altvorderen des Tango (und das junge Gemüse soll gefälligst weghören, husch!): Das sind echt die Leute, mit denen du dich abgeben musst? Ich weiß ja selber, man kann sich seine Fans nicht raussuchen… Also, wenn das wirklich nicht anders geht, hast du bei mir was gut: Darfst mich gern wieder mal angreifen, wenn die ihre Aggressionen loswerden müssen!


P.S. Übrigens ist Theresas „Codigo-Workshop“ bei den „Tango-Tagen Würzburg“ Pflichtbestandteil der Eröffnungsmilonga am 10.6.16, d.h. im Eintrittspreis von 15 Euro enthalten. Die Wahlmöglichkeit Milonga ohne Codigos" wird sicherheitshalber nicht angeboten.

Näheres hier:
http://www.amantes-del-tango.de/tango-tage/workshops/ 



Kommentare

  1. Hallo Leute

    Ich vertrete die Meinung von Gerhard Riedl, was Freiheit im Tanzen und hier im Tango betrifft. Die offenen Einstellungen für Entwicklungen in Musik und Tanz (auch im Tango) finde ich 1:1 wieder zum Beispiel in den Sichtweisen, die etwa auf der Laban-University in Greenwich an die Studierenden weiter gegeben werden (Sehr bekannte Tanz-Universität in London).

    Wenn Ihr nicht mit eigenen Worten mit erwachsenen Frauen ausmachen könnt, ob ihr miteinander tanzen wollt, dann nehmt euch eine(n) Therapeuten/in und laßt die anderen Leute in Ruhe.

    Was sich hier in diesen Milongas mit den regelsüchtigen und zum Hatschertanz neigenden "alles-andere-als-TänzerInnen" abspielt ist Kindergarten. 99 Prozent Streit um ein Küberl und ein Schauferl zum Sandspielen und 1 % Bewegung, die kaum als Tanzen bezeichnet werden kann.

    Was ist das eigentlich für ein Gerontokindergarten?

    Ich hab das alles bezüglich Cabeceo, Mirada und EDO bisher amüsiert gelesen, aber seit ein paar Wochen finde ich diese Standpunkte nur mehr zum Kotzen. Unter anderem, weil sie die Milongas versauen.

    Ich leg mir schon lang die Sachen in meinem Tanzstudio selber auf und glaubt es mir, Frauen und Paare kommen zu uns heim, damit wir so tanzen und miteinander reden können, wie das halbwegs vernünftige Erwachsene im Salzkammergut seit Jahrhunderten tun, auch wenn es früher um Volkstanz ging. Tango ist ja übrigens auch einer......

    herzlich Peter

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    1. Lieber Peter,

      ich weiß, was du mit „Milongas versauen“ meinst. Irgendwie ist bei mir die Unbekümmertheit weg, die ich früher beim Tango so toll fand.

      Wenn ich inzwischen jemand auffordern will, überlege ich mir öfters: „Ist das jetzt so eine ‚Código-Schnepfe‘, die mir einen Korb gibt, wenn ich mich nicht auf das Blinzelspiel einlasse?“ Auf dem Parkett geht es dann weiter: „Darf ich das Zeitlupenpaar vor mir überholen oder kriege ich anschließend eine Verwarnung vom Veranstalter wegen ‚ungebührlicher Parkettnutzung‘?

      Wobei man es in der Praxis – zumindest auf den von mir besuchten Veranstaltungen – recht locker sieht. Aber die „Schere im Kopf“ bleibt halt!

      Herzliche Grüße
      Gerhard

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    2. Lieber Peter, wunderbar geschrieben !!! Ich glaub darauf wird es hinauslaufen "Wohnzimmermilongas" mit Freunden .... Peter und ich müssen wohl auch mal im Salzkammergut Urlaub machen, nicht nur in Pörnbach ;)

      Liebe Grüsse Alessandra

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  2. Lieber Gerhard,

    vorerst mal wieder vielen Dank für all deine wunderbaren Artikel!!!
    Und zu deiner indirekten Frage an mich :
    Ja - ich habe mein ganzes "Vordemtangotänzerinnenleben" in Wien gänzlich unbeschadet überstanden. Und das obwohl ich bei allen Festen und auf allen Bällen, die ich besucht habe, ausschließlich verbal mit den Worten "Darf ich bitten" (oder so ähnlich) zum Tanz aufgefordert wurde. Ausser der Herr war stumm oder zu betrunken, um zu sprechen, dann gab es schon mal auch ein hoffnungsvolles Grunzen "hchuan-n-n" mit einer nickenden Kopfbewegung gen Tanzfläche. Aber auch das hat mein Seelenleben nicht gänzlich aus der Bahn geworfen. Und selbst als ich mit 16 in der Tanzschule die diversen Gesellschaftstänze erlernt hatte und in Folge viele Bälle besuchte, wurde das noch zarte Blümlein meiner Seele nicht beleidigt, oder gar entwurzelt, wenn mich ein junger Mann verbal um einen Tanz bat. Ausserdem war ich selbst damals schon durchaus in der Lage auch mal zu sagen "Nein,vielen Dank, vielleicht ein ander Mal."
    Und ich vermute auch, dass alle Herren, die jemals einen "Korb" bekommen haben, dies ohne gröbere mentale Schäden überlebt haben.

    Vielleicht wäre es eine nette Idee mal den Opernball zu besuchen, sich dort einen potentiellen Tänzer auszugucken, auf ihn zuzugehen,ihn von oben bis unten zu beschnuppern(huelo), speziell auch unter den Achseln -wegen der anschließenden Umarmung wär es. Sich dann aufrecht vor ihn stellen, die Augen gaaanz weit aufmachen und in die Seinen blicken, aber nicht zu starr, durchaus in schneller Abfolge mit dem rechten Auge blinzeln ... Auf zu auf zu ... Keinesfalls dabei sprechen....Und warten was dann passiert ....

    Ähnliches Verhalten in der freien Wildbahn nannte man früher kokettieren, dann flirten oder in Wien auch anbraten....

    Was ich sonst noch anmerken wollte:
    Ich weiß ja auch nicht, warum die Tradis so herzergreifend verzweifelt an Riten festhalten, die nicht mehr zeitgemäß sind und die niemand braucht, aber sie seien ihnen und ihrem Wohlbefinden darob unbenommen.
    (Also so eine Vermutung hab ich schon, warum 😉)
    Ich verstehe auch nicht, warum sie händeringend,schlagend,schreiend und kratzend verteidigen, was ihnen ohnehin niemand nehmen will...
    Jedenfalls tragen deren Kommentare immer sehr zu meiner Belustigung bei.

    Lieber Gerhard, ich freu mich schon auf deinen nächsten Artikel

    Ein Gruß aus Wien
    Alessandra

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    1. Liebe Alessandra,

      dankeschön für das zauberhafte Bild vom Opernball!

      Aber ich befürchte, Dein Vorschlag zum alternativen Aufforderungsvorgehen (huelo) würde mit großer Wahrscheinlichkeit die Männer mit den weißen Turnschuhen auf den Plan holen. Dann wär' ma wieder beim Bondage-Tango ;)

      Liebe Grüße,
      Manuela

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    2. Hallo Manuela, du meinst sicher die extrem langärmeligen, weissen Bondagewesten gell ? 😉😎😂
      Liebe Grüße und bis bald
      Alessandra

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    3. Liebe Alessandra,

      ich stelle mir gerade einen besäuselten Wiener Opernballbesucher im Frack beim Auffordern vor - herrlich!

      Übrigens darfst Du auf meinem Blog auch Vermutungen äußern...

      Liebe Grüße nach Wien
      Gerhard

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