Weit weg vom Kommerz und in ganz Argentinien
Die Tänzerin Nicole Nau macht wieder einmal von sich reden. Kein Wunder – ist doch schließlich im Juni dieses Jahres ein weiteres Buch von ihr in deutscher Übersetzung erschienen:
„Der Klang meiner Erde: Von der wahren Geschichte eines Tanzes, der die Welt berührt“
Das lässt hoffen, denn bei „wahren Geschichten“ ist die Protagonistin zweifellos führend. Daher schreckt uns ihre Drohung durchaus: „Der Tango ist argentinischer als bislang angenommen.“ Na gut, mir hätte die bisherige Dosis durchaus gereicht!
https://www.amazon.de/Klang-meiner-Erde-Geschichte-ber%C3%BChrt/dp/3962582118
Kein Wunder, dass ein solches Thema den Tangolehrer Klaus Wendel triggert, mit dem sie in der ersten Zeit als Tanzpaar über deutsche Kleinkunstbühnen tingelte. Vor 37 Jahren haben sich die beiden getrennt – und Wendel wurde, wie ihr erster Ehemann, Ricardo Klapwijk, biografisch nahezu hundertprozentig entsorgt.
Eine „persönliche Abrechnung“, so Wendel einleitend, solle es dennoch nicht werden. Na ja, ausgesprochen freundlich ist der Text auch nicht, was ich gut verstehen kann.
Ich möchte den Artikel des Kollegen durchaus empfehlen – schon da sich Wendel wohl ziemlich an die Tatsachen hält, was man nicht von vielen Tango-Biografien sagen kann:
https://www.tangocompas.co/das-phaenomen-nicole-nau-ein-medien-profi/
Nicoles Ex-Ehemann und Tanzpartner Ricardo verdanke ich einige Artikel zu den wohl wirklichen Ereignissen, die ich exklusiv auf meinem Blog veröffentlichen durfte:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/01/ricardo-klapwijk-und-seine-geschichte.html
https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/01/ricardo-klapwijk-die-sache-mit-den.html
https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/12/tango-und-liebesbeziehung.html
Heute fand ich ein Video, in dem Nicole Nau in der SWR-Sendereihe „Nachtcafe“ auftritt (moderiert vom Mitfühl-Experten Michael Steinbrecher):
https://www.youtube.com/watch?v=0YnrGjsMrqM
Unter dem Titel „Kämpfernaturen“ darf Nicole Nau ihre selektive Biografie schildern:
Ausführliches Thema zu Beginn ist die alkoholkranke Mutter, weshalb Nicole sich aufopfernd um ihre kleine Schwester kümmern musste. Nicoles inneres Ego sei darob immer noch verletzt. Diverse „Kreuze“ habe sie durch die Welt schleppen müssen. Sie sei eine große Meisterin darin, sich die Probleme anderer auf die Schultern zu packen.
Na ja, ein paar davon hat sie schon auch anderweitig untergebracht – was dazu führte, dass frühere Partner kaum noch in Nebensätzen auftauchen.
Die kleine Nicole jedenfalls legte heimlich Schallplatten auf und tanzte Trauriges im abgeschlossenen Zimmer. Dem Vater durfte sie mit dieser Beschäftigung nicht kommen, denn er fand, solche Mädchen würden hochnäsig. Na ja, ganz unbegründet war seine Befürchtung wohl nicht…
Ein Zettel, der sich in ihrem Schuhabsatz verfing, führte sie dann zu einem Hinterhof-Tango, wo sie zwar die Musik faszinierte, nicht jedoch der Anblick der Tanzenden – na gut, verständlich!
Ganz früh bringt sie dann ihren jetzigen Mann Luis Pereyra ins Spiel, den sie in einer großen Show bewundern durfte – und dann sei es um sie geschehen gewesen!
Na gut, dass sie bei ihrem ersten Argentinien-Aufenthalt zunächst auf den Holländer Klapwijk stieß und mit dem eine achtbare Karriere sowie Ehe begründete, lässt sie aus. Blöderweise gibt es noch zwei Briefmarken mit den beiden, die sich wohl nicht retuschieren lassen…
Erst mit Pereyra, so ihre Version, lernte sie richtig tanzen. Na ja, die Vorgänger werden es gerne lesen…
Ganz Argentinien, so die Bilanz, sei zu ihrem Tanz geworden. Ein Video-Ausschnitt zu „Leidenschaft, Sehnsucht, Rebellion und Freiheit“ (so Moderator Steinbrecher) darf natürlich nicht fehlen. Wichtig auch: „Wir halten uns weit weg vom Kommerz.“
Ja, als Blogger muss man öfters hart im Nehmen sein!
Zweifellos ist Nicole Nau eine Meisterin darin, Biografien ins Belletristische zu verschieben. Was nicht passt, wird passend gemacht oder weggelassen.
Was mir auffiel: Die Tänzerin wirkt in der Sendung total angespannt, ja verkrampft. Es muss schon anstrengend sein, sich Wort für Wort an die offizielle Version zu halten und keinen Fehler zu machen.
Die Tendenz, gewesene Partnerinnen ins Nirwana zu verfrachten, ist im Tango allerdings weit verbreitet. Ein Münchner Tangolehrer beispielsweise kriegt das ebenfalls gleich mit zweien hin. Dass es hier mal ausnahmsweise Männer trifft, könnte man immerhin als Ausweis von Feminismus betrachten.
Damit man mich nicht missversteht (jedenfalls nicht unabsichtlich): Keiner muss seine erotischen Irrungen und Wirrungen ins Netz stellen. Wenn jemand aber mit seiner Biografie wirbt oder sogar Bücher mit Privatem befüllt, wäre ein Rest von Redlichkeit nicht falsch.
Aber das gilt ja für Tango-Werbung ganz allgemein: Man ist regelrecht erstaunt, mal nicht auf faustdicke Lügen zu stoßen.
Gut, als Ausgleich gibt es ja „Gerhards Tango-Report“: Das Leben ist hart, aber gerecht!
Irgendwie muss das auch den Kollegen Wendel an etwas erinnert haben:
Was ihn beim Durchlesen seines Textes am meisten erschreckt habe – einen Artikel „nach dem Muster Gerhard Riedl“ fabriziert zu haben:
„Scheinbar Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, mich scheinbar darüber lustig gemacht und eine Person damit fragwürdig dargestellt.“
Na gut, wenigsten nur scheinbar und nicht anscheinend!
Okay, lieber Klaus Wendel – einmal werde ich das durchgehen lassen. Angesichts des persönlichen Schicksals ist es ja verständlich. Aber nicht, dass sowas nun einreißt!
Lieber Herr Riedl,
AntwortenLöschenda Sie bereits meinen Artikel über Nicole Nau empfehlen, möchte ich noch eine kleine Anekdote hinzufügen, die zugleich etwas über die selektive Erinnerung von Nicole Nau verrät und – zufälligerweise – auch die von Ihnen kürzlich kritisierte Musikauswahl von Felipe Antonio betrifft:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/08/woruber-ich-nicht-schreiben-darf.html
Felipe Antonio – „Jueves“ – https://www.youtube.com/watch?v=N6Q0sDFMjro
Diese Musik hatte ich damals aufgelegt – 1986 gab es kaum anfängertaugliche Tangos zu kaufen –, auch in der ersten Stunde, wenn ein Kurs eröffnet wurde.
Offenbar hat diese Musik auf Nicole Nau einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Denn in ihrem Interview mit Lea Martin sagte sie:
“Ich habe Tango erst gehört, dann gesehen. Es war in Düsseldorf, da ist mir ein Papier am Absatz hängen geblieben, auf dem stand etwas von »Tango«. Ich bin einfach hingegangen, zu diesem Kurs oder Workshop. Der Unterrichtsraum lag hinter dem Hof. Ich ging durch das große Tor vorne und hörte die Musik. Die Musik hat mich vollkommen gepackt.“
Tja, so ist es, wenn Erinnerung verklärt wird – am Ende führt es unweigerlich „zum Schuss ins eigene Knie“.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wendel
Lieber Herr Wendel,
Löschendas wundert mich nicht. Nicole würde auch einen Gregorianischen Choral als tollen Tango bezeichnen, wenns ihrer Geschichte nützt.
Danke für die Info!