Riedl und die Frauen

Beim Lesen der Blogs von Kollegen erfährt man immer wieder Neues über sich. Nachdem „Korinthenkacker“ (bezieht sich übrigens auf durchaus schmackhafte getrocknete Weinbeeren der Rebsorte Korinthiaki) allmählich langweilig wird, hat man nun entdeckt, dass ich ein Frauenfeind sei.

Anlass war wohl, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass es sich bei der Verfasserin wirklich heftig ordinärer Kommentare wirklich um eine Frau handelte. Sofort bekam ich von einem meiner Hauptkritiker „dreiste Versuche, ihr Geschlecht anzuzweifeln“ attestiert.

Dazu muss man wissen, dass viele Kommentatoren meines Blog entweder keinen Namen nennen oder mich eiskalt mit falschen Identitäten bedienen. Und das Gepolter erschien mir hier eher männlich. Aber gut – wenn die Dame darauf besteht, eine Frau zu sein, werde ich das nicht weiter anzweifeln. Und schließlich kann man ja inzwischen einmal pro Jahr am Standesamt sein Geschlecht ändern… So what?

Jedenfalls zitiert man nun gerne und ausführlich aus der 25 Jahre alten Erstausgabe meines „Milonga-Führers“ – sehr aktuell! Da ich die nicht mehr genau im Kopf habe, musste ich dort in Sachen „Misogynie“ nachforschen:

Auffallend ist schon mal, dass ich im Kapitel „Über mich“ (heute würde ich „Über uns“ schreiben) sehr ausführlich über meine spätere (und heutige) Ehefrau berichte (ab S. 19). Das unterscheidet mich von vielen meiner Kritiker, die ihre Partnerin kaum bis gar nicht erwähnen. Über Tango diskutieren zu mindestens 90 Prozent Männer.

Wie und zu welchem Anteil kritisiere ich in meinen Büchern das weibliche Geschlecht?

Im Kapitel „Der Ökotest: Biotope einer Milonga“ (ab S. 56) karikiere ich vorwiegend männliche Tangotypen. Ausnahme ist beispielsweise die „Gemeine DJ-Schnepfe (GDS) – also Damen, die sich (damit‘s auch alle sehen) gleich mal neben den Aufleger pflanzen und ihn mit munterem Gegacker verwöhnen. Gleichfalls war mir die KT (Karate-Tanguera) aufgefallen: Sie besteche durch „diverse, unmotivierte Tritte ans Schienbein oder noch prekärere Zonen des männlichen Partners“. Na, das müsste im heutigen Tango doch auf ähnliche Kritik stoßen!

Empörungsversuche hat das Kapitel „Die Kleidung“ (ab S. 68) ausgelöst, in der ich weibliche Kostümierungen karikiere. Wohlweislich nicht zitiert man dabei Ratschläge wie: „Ziehen Sie das an, was Ihnen selber gefällt! Nur wenn Sie sich wohlfühlen, werden Sie die Lockerheit und Freundlichkeit, die positive Energie ausstrahlen, die Sie im echten Sinne attraktiv macht.“

So direkt frauenfeindlich kann ich das nicht finden!

Über die anschließende Glosse „Eine Schleife zu viel“ kann ich – sorry – heute noch lachen. Zumal es die Dame mit dem „Maschendrahtzaun“, den „Ozelot“ sowie die „Indianerin“ wirklich gegeben hat. Das waren Nahkampferfahrungen erster Güte – wobei ich heute froh um solche Abwechslungen wäre, anstatt schlafende Mehlsäcke übers Parkett transportieren zu sollen.

Die Anekdoten-Sammlung „Die herrlichsten Tango-Typen“ (ab S. 74) ist gendermäßig ausgewogen gehalten. Dem hinreißenden und zudem echten Paar „Detlev und die Amphore“ habe ich später sogar einen eigenen Blogartikel gewidmet. Sie haben es verdient!

https://milongafuehrer.blogspot.com/2015/01/detlef-und-die-amphore.html

Völlig unverständlich ist mir, dass der folgende Satz (S. 129) nie Proteste ausgelöst hat:

„Was haben ein Kondom und ein Tangokurs gemeinsam? Manchmal braucht man’s halt, aber ohne ist es schöner…“

Und da wird behauptet, ich lehne Kursunterricht generell ab!

Das Kapitel „Bilaterale Krisen“ (ab S. 130) gefällt mir immer noch besonders gut. Es geht aber – ganz ausgewogen – um Paare. Und warum der Tango nie die Ursache für eine Trennung ist, den Prozess aber deutlich beschleunigen kann. Hätten viele Tangolehrkräfte dieses Kapitel gelesen, wäre ihnen eine traurige Trennung (ihr Standard-Schicksal) vielleicht erspart geblieben!

Die langen Kapitel „Tango-Technik“ und „Tango-Musik“ (S. 141- 300) dürften von der Zitaten-Verfolgung wohl verschont bleiben. Wen interessiert das in der Szene schon?

Auch auf den restlichen Seiten des Buches habe ich kaum „Frauenfeindliches“ entdeckt. Aber vielleicht hat es Ärger erregt, was ich zum männlichen Typus des „HM (Hormon-Monsters)" geschrieben habe:

„Jeder Insider kennt diese völlig therapieresistenten Kerle, welche auf Grund genetischer Fixierung oder zu hoher Badetemperatur die Partnerinnen ausschließlich nach Alter, Body Mass Index, Haarfarbe, Oberweite und Rocklänge aussuchen. (…) Daher als Tribut an die Evolution abhaken und ausblenden! Mir selber geht es hierbei gegenteilig: Ich fordere relativ selten junge oder gar ‚aufgedonnerte‘ Frauen auf, da ihnen meist die stabile Mitte fehlt – im übertragenen Sinne die Erkenntnis, wer sie selber sind.“ (S. 341)

So direkt „frauenfeindlich“ kann ich das ebenfalls nicht finden…

Zudem bin ich seit 1989 mit derselben Frau verheiratet, die auch noch eine hervorragende Tänzerin ist. Im Tango ein wahrhaft ungewöhnliches Schicksal!

Eins ist aber klar: Nach Herbert Feuerstein hat „jeder das Recht, verarscht zu werden“ – auch Frauen, Kinder oder Tiere. Wäre ja sonst diskriminierend.

Und ich möchte die eifrigen „Zitaten-Sucher“ keinesfalls behindern. Irgendeine Stelle, die man verdrehen kann, lässt sich bestimmt noch finden! Tatsächlich bin ich ja froh, dass meine Tangobücher gelesen werden – und vielleicht kann der eine oder andere Kritiker dabei noch etwas lernen.

Mir hat es heute großen Spaß gemacht, mal wieder in der „Urform“ des „Milonga-Führers“ zu blättern. Mir kommt sie anarchischer vor als die beiden Neuauflagen, wo wir uns um ein „seriöseres“ Auftreten bemüht haben.

Für ein paar Euro kann man das „alte“ Buch noch gebraucht erwerben:

https://www.amazon.de/gro%C3%9Fe-Milonga-F%C3%BChrer-wissen-wollten-fragen/dp/3866836988    

Quelle der Buchzitate: „Der große Milonga-Führer“, 1. Auflage 2010, Wagner-Verlag Gelnhausen

Quelle der übrigen Zitate: https://www.tangocompas.co/ueber-poernbacher-mogeleien-und-das-fliegen-im-musikgeschmack-volare/#comments

P.S. Natürlich hätte der Titel meines Artikels korrekterweise „Die Frauen und Riedl“ lauten müssen. Nur hätte dann der Sprachrhythmus gelitten. Und der Rhythmus ist beim Tango ja entscheidend…

Und man kann sich mein Tangobuch sogar vorlesen lassen (bislang über 2600 Zugriffe):

https://www.youtube.com/watch?v=6RHg4ZoRJHA

Kommentare

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