Empfehlenswertes zum Tango-Unterricht

 

Hurra – nach Jahren ist mein Wunsch nun in Erfüllung gegangen: Lange habe ich darüber geklagt, in der deutschen Tangoblogger-Szene der Einzige zu sein, der die Welt regelmäßig mit neuen Texten versorgt. Nun gibt es gleich mehrere Kollegen, die uns haufenweise mit Serien von Weisheiten unterhalten.

Wichtige Ursache scheint die neue Option der künstlichen Intelligenz zu sein, welche es auch minder Schreibbegabten ermöglicht, in einem Stil zu veröffentlichen, welcher bereits aus weiterer Entfernung als Deutsch erkennbar ist.

Lediglich Kollege Cassiel besteht hartnäckig darauf, seine Texte weiterhin per Hand zu verfertigen: „Klar! Ich kenne mich mit KI nicht so aus. Brauche ich auch vermutlich nicht – ich kann hoffentlich selbst denken.“

Ich darf mich da – in aller Bescheidenheit – anschließen!

Leider konveniert vieles, was ich schreibe, den Mitbloggern überhaupt nicht. Inzwischen sind die Fronten so verhärtet, dass nicht einmal Lob von meiner Seite Gnade findet:

„Falls Sie mal einen Artikel von mir ausnahmsweise ‚loben‘ – welche Ehre – erwähnen Sie das, als ob Sie immer noch von Ihrem Lehrerpult herab die Leser wie Schüler betrachten, die es zu loben oder zu tadeln gilt.“

Hier muss ich den Kollegen korrigieren: Erhöhte „Lehrstühle“ gibt es an den Schulen schon seit dem 2.Weltkrieg nicht mehr. Heute muss die im Sitzplan „Pult“ genannte Person schon froh sein, wenn zwischen seinem Tisch und der Wand noch so viel Platz bleibt, dass sie ihren „Lehrkörper“ auf einen wackligen Stuhl quetschen kann. Am besten bleibt man – wie Tangolehrer – bei der Verkündung seiner Weisheiten stehen.

Oder hat dem Autor da die KI eine Metapher zwischen die Zeilen gejubelt?

Und selbst die vielen Playlisten, welche ich veröffentlicht habe, seien nur „verkapptes Eigenlob mit eingebauter Provokation“ – weil ich ja wüsste, dass „die Mehrheit damit wenig anfangen kann“.

Lies: Man darf andere im Tango nicht mit neuen Informationen versorgen. Das könnte zu einer provokativen Erweiterung des Horizonts führen! Bei welcher „Mehrheit“ auch immer…

Ich lege auch auf Selbstbezichtigungen keinen Wert: „Weil ich zu Ihrer Blacklist ‚der kleinen Glatzköpfe‘ gehöre, die Ihrer Meinung nach nur Komplexe haben, nicht bei Frauen laden zu können.“ Na gut, ich hätte „landen“ geschrieben – deftigere sexuelle Anspielungen sind nicht mein Fall…

Nochmal im Klartext: Körpergröße und Haarwuchs anderer sind mir völlig egal. Ich wäre froh, wenn das auch umgekehrt gelten würde.

Zitate: https://www.tangocompas.co/poernbach-und-die-ehre-de-kritikers/#comments

Nun aber endlich zu Klaus Wendels neuem Text, für den er sich mein Lob gefallen lassen muss:

Im 6. Teil seiner Gedanken über Tango-Unterricht" schreibt der Autor über Figuren, Sequenzen und Improvisation“.

Im Laufe der Jahre habe er festgestellt, dass jede Figur, die er vermittle, letztlich aus sich heraus verständlich sei – sie ergebe sich logisch aus dem Bewegungsfluss. „Da ist nichts Aufgesetztes, nichts rein Abgesprochenes.“ Eine Tangofigur sei nicht etwas, das man „mache“, sondern etwas, das passiere„vorausgesetzt, man bewegt sich mit Bewusstsein, mit Technik und mit klarem Kontakt.“

Um es in meinen Worten zu sagen: Die Bewegungsfolgen, die in meinem Tanz öfters vorkommen, habe ich nicht in irgendeiner Unterrichtsstunde gelernt – vielmehr sind sie mir irgendwann „zugelaufen“ – einfach, weil sie funktionieren, ohne dass ich mir die Gräten verbiegen muss.

Selber habe ich zur „Biophysik des Tango“ einst geschrieben:

„Frage: Sie bewegen sich so unnatürlich – sind Sie auch Tänzer?

Gestalten Sie Ihre Aktionen stets so, dass sie der Stabilität Ihrer Achse, dem Vorhandensein und der Art Ihrer Gelenke, dem Dehnungsvermögen der Muskeln bzw. der Festigkeit von Sehnen und Bändern entsprechen!

Merke: Wenn eine Bewegung wehtut, ist sie meist unnatürlich!“

(„Der noch größere Milonga-Führer, 2. Auflage, S. 164-165)

Öfters wurde ich von einer Tanzpartnerin gefragt: „War das jetzt der falsche Fuß?“ Meine Antwort: „Du hast keine falschen Füße – nimm den linken oder rechten. Nur wenn du einen dritten hättest, wäre der falsch!“

Wendel: „Vieles entsteht zufällig auf der Tanzfläche – aus Missverständnissen, aus improvisierten Reaktionen, aus Momenten, in denen zwei Körper etwas tun, das nicht geplant war, aber funktioniert.“

Tja, lieber Klaus, genauso isses!

Und auch das Folgende unterschreibe ich gerne:

„Was mich dabei stört: In Europa – und gerade auch hierzulande – wird Tango oft als ein starres Gebilde vermittelt. Als wären die Regeln und Abläufe dieses Tanzes vom heiligen Berg Buenos Aires gemeißelt worden und uns vom Himmel diktiert. (…)

Doch gerade dieser kreative Aspekt – das Erfinden, Entwickeln, Verwerfen von Bewegungen – fehlt uns hier. Zu viele Tänzer lernen nur nach, statt selbst zu gestalten. Alles kommt ‚von dort‘ – und wird hier nur noch reproduziert. Und genau dadurch geht uns etwas Wesentliches verloren: die Freiheit, selbst zu gestalten.“

Ich frage mich halt, wieso beim Kollegen dann der Geifer tropft, wenn er eines meiner Tanzvideos bespricht!

Auch der Bezug zur Musik wird treffend beschrieben:

„Das Problem ist: Vieles, was man auf der Tanzfläche sieht, passiert nicht wegen der Musik, sondern trotz der Musik.“

Klar: Wenn der Fokus auf einer Bewegungsfolge liegt, tritt die Musik in den Hintergrund!

Und auch dieser Feststellung kann ich voll beipflichten:

„Die meisten Tänzer behaupten von sich, beim Tango zu improvisieren, aber das tun sie nicht: Sie tanzen nur immer wieder dieselben Muster ab. Statt eines Gemäldes entstehen dadurch nur Tapetenmuster. Gute Improvisation ist unvorhersehbarer Tanz.“

Auch was der Autor zu den „Showtänzen“ schreibt, findet meine volle Unterstützung:

 „Was fehlt, ist der Mut zur Variation, zur Überraschung, zum eigenen Stil. Und genau das ist es, was Tango – für mich – im Kern ausmacht, – ob auf der Bühne oder auf der Tanzfläche.

Ich will das nicht schlechtreden – sie tanzen das brillant, keine Frage. Aber originell ist das für mich nicht. Und genau da fehlt mir etwas Wesentliches, etwas, das Tango für mich ausmacht: ein individueller Stil, eine persönliche Bewegungssprache, die nur zu diesem einen Paar gehört.“

In meinen Worten: Oft sieht man austauschbares gravitätisches Geschleiche. Dann flüchte ich vor die Tür.

Das Fazit des Autors:

„Im Unterricht versuche ich deshalb, keine festen Abläufe einzutrichtern, sondern Prinzipien zu zeigen: Wie entsteht eine Figur? Wie kann sie sich verändern? Wie höre ich den richtigen Moment? Wie bleibt Bewegung offen für das, was mein Gegenüber gerade braucht?

Denn genau das macht für mich guten Tango aus – auf der Tanzfläche wie im Unterricht: keine Kopie, kein Automatismus, sondern bewusste, lebendige Entscheidungen im Moment.“

Quelle: https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-6-teil/

Wieso kann der Autor diese Erkenntnis nicht aufs sonstige Leben übertragen?

Ich kann die Lektüre des Textes wirklich empfehlen und gehe sogar noch einen Schritt weiter:

Wenn ich in meinem hohen Alter überhaupt noch Tangounterricht nehmen würde und Essen nicht so elend weit entfernt wäre, könnte es mich reizen, diesen Tangolehrer – statt irgendwelcher komischen Weltmeister – einmal in der Praxis zu erleben.

Aber Klaus Wendel hat ja schon versichert, mir die Gnade seiner Instruktionen auf alle Fälle vorzuenthalten.

Na prima, dann sind wir doch alle mit dem glücklich, was wir nicht haben!

Und hier ein Tanzpaar, welches der Autor empfiehlt – die machen es wirklich ganz gut:

https://www.youtube.com/watch?v=7d6HEjIUow8&t=3s

Kommentare

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.