Frauen mit ihren Massen
In einer von mir sehr geliebten Facebook-Gruppe fand sich vor 5 Tagen die folgende Kontaktanzeige eines Tangueros:
„Sehr fortgeschrittene Tänzerin zum Üben, Entwickeln und Spaß haben gesucht. Bin 59, 183 cm, 79 kg.“
Kann eine solche Offerte Ärgernis erregen? Mich hätte höchstens gestört, dass man zwar 59 Jahre sein kann, aber nicht soundso viel Zentimeter und Kilogramm. Bestenfalls hat man die.
Eine Leserin kommentierte wie folgt:
„Seeeehr vorgeschritteneeeee. Das bin ich nicht.“
Bedauerlich, dass hier die Bedeutung von „vorschreiten“ und „fortschreiten“ verwechselt wurde. So können laut Duden beispielsweise Bauarbeiten zügig vorschreiten – oder das Alter mag vorgeschritten sein.
https://www.duden.de/rechtschreibung/vorschreiten
„Fortschreiten“ dagegen können eventuell eine Arbeit oder die Wissenschaft. Respektive die Tanzfähigkeiten. Letzteres dürfte in der Annonce gemeint sein. Oder die Dame schreitet halt auf dem Parkett rasch fort – aus welchen Gründen und wohin auch immer.
https://www.duden.de/rechtschreibung/fortschreiten
Es geht aber weit doofer – wie in diesem Kommentar:
„Ich finde diese Annonce leicht komisch… Für mich ist exakt diese offensive Art nicht das, was ich unter ‚Tango‘ oder ‚Fortgeschritten‘ verstehe. Trotzdem: good luck to you!“
Tja, was an dem Angebots-Text könnte „offensiv“ sein? Der Herr spielt immerhin mit offenen Karten und gibt Alter, Körpergröße und Gewicht an. Nimmt die Schreiberin Anstoß an dem im Tango verpönten Begriff „Spaß“? Fürchtet sie, dieser könnte sich von der Vertikalen in die Horizontale verlagern?
Oder findet sie es gar zu keck, ausgerechnet in München nach einer „sehr fortgeschrittenen Tänzerin“ zu suchen?
Was sie später noch hinzufügt, macht die Sache eher verwirrender:
„Ist es nicht unwürdig, wenn sich Frauen mit ihren Massen hier ‚umsehen‘? Fehlen noch Schuh- und Körbchengrösse…
Das verstehen Sie aber wahrscheinlich nicht.
Alles gut. Nicht so schlimm. Jedem das Seine.“
Nicht ganz zu Unrecht wendet ein anderer Kommentator ein, der abschließende Spruch sei am Lagertor des KZ Buchenwald zu lesen und daher historisch ein wenig belastet.
Vor allem aber scheint die Leserin dem Irrtum unterlegen zu sein, eine Frau (und nicht ein Mann) habe hier seine Maße veröffentlicht. Und verwechselt dann auch noch „Maß“ mit „Masse“, was die Formulierung „Frauen mit ihren Massen“ endgültig in den Kabarett-Himmel befördert.
Was der angesprochene Verfasser der Kontaktanzeige darauf antwortet, ist satirisch zum Niederknien schön:
„Körbchengröße wäre 99 A. Wer sich angesprochen fühlt, darf sich gerne melden.“
Wow! Sollte der Verfasser meinen Artikel lesen: Er ist herzlich eingeladen, für mein Blog einmal einen Gastbeitrag zu schreiben. Solche Talente muss man fördern!
Quelle:
https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen/permalink/10159566748336186
P.S. Weiblicher Rat beim Erstellen von Partnerschafts-Gesuchen kann böse enden:
Lieber Gerhard, aus dem reinen Inseratstext geht nicht hervor, ob männlich oder weiblich, aber wahrscheinlich hast Du Recht (und den Namen des Autors hast Du ja gesehen:)
AntwortenLöschenLieber Martin,
Löschender Link zur Quelle ist ja angegeben. Und danach hat ein Mann diese Offerte veröffentlicht.