Da wiederhole ich mich gerne!

 

Gerade eben wurde mir von einem meiner Dauerkritiker wieder vorgeworfen, mich seit zehn Jahren tangomäßig in der „Trotzphase“ zu befinden und gebetsmühlenartig ständig dasselbe zu schreiben. Und ich würde mir nur einbilden, durch dieses Verhalten die Dinge in unserem Tanz ändern zu können.

Man versteigt sich sogar zu der Forderung, ich möge gefälligst mit meiner Tätigkeit als Tangoblogger aufhören.

Da frage ich mich zuerst einmal: Warum eigentlich? Am Misserfolg meiner Seite kann es nicht liegen: In den ersten Jahren war ich schon glücklich, täglich 200 Zugriffe zu verzeichnen. In diesem Monat werden es zirka 630 am Tag werden. Am 27.6.22 ergab sich sogar ein Spitzenwert von über 1100 Aufrufen.

Wieso sollte ich eine Tätigkeit einstellen, welche offenbar immer mehr Interesse findet?

Als ich Ende 2013 dieses Blog begründete, war ich ein krasser Außenseiter. Sicher, mein Tangobuch hatte ab 2010 einigen Erfolg, musste aber auch mit teilweise gehässiger Kritik leben. Die Welt der Tangoblogs wurde von einem gewissen Cassiel dominiert, dessen „Tangoplauderei von großen Teilen der Szene in oft über 100 Kommentaren pro Artikel gefeiert wurde. Auf zahllosen Tangoseiten wurde sein Blog verlinkt und diente geradezu als Katechismus für den Rücksturz des Tango in längst vergangene Zeiten.

Inzwischen sind die „Tangoplaudereien“ praktisch tot – und ich habe in den Jahren viele neue Blogs kommen und gehen sehen. Kein einziges konnte sich halten, also auf Dauer größere Mengen eigener Texte produzieren.

Meine werten Gegner haben offenbar eine Eigenschaft von mir unterschätzt: Wenn ich mal ernsthaft mit einem Projekt beginne, dann bleibe ich auch dabei und kann in dieser Hinsicht einen größeren Fleiß entwickeln (sonst nicht unbedingt eine meiner hervorstechenden Eigenschaften).

Bin ich zu stur? Der Kabarettist Werner Schneyder erzählte einmal von einem Zuschauer, der ihn fragte: „Sie sprechen ja immer noch über Tschernobyl – ist das nicht ein alter Hut?“ Schneyder antwortete: „Dürfen die dort die Pilze schon wieder essen?“

Was ich vor allem gelernt habe: Das Internet ist schnelllebig, aber auch sehr vergänglich. Einerseits muss man auf Neuigkeiten sehr rasch reagieren – wer sich da für einen Artikel 14 Tage Zeit lässt, kriegt kein Bein an Deck. Was man geschrieben hat, wird jedoch bald wieder vergessen. Daher ist es geradezu unerlässlich, dieselben Themen immer wieder aufzugreifen – natürlich möglichst in einem neuen Gewand. Und ich habe beste Erfahrungen damit gemacht, bei Facebook auch immer wieder auf ältere Artikel hinzuweisen, welche dann öfters ähnlich viele Aufrufe erreichen wie ein aktueller Text.

Ein weiteres Essential meines Blogs wird von meinen Kritikern gerne übersehen. Ich betrachte meine Texte als Diskussionsbeiträge, nicht als Verkündung reiner Wahrheiten. Daher ist es mir nicht so wichtig, ob Lesende meiner Sichtweise zustimmen oder sie für verfehlt halten. Ich finde, dies gebietet schon der Respekt vor meiner Kundschaft. Mir geht es nicht um „Anhänger“ oder gar „Gefolgschaft“, sondern um Menschen, die selber denken sowie zu den Resultaten stehen.

Was ich jedoch nach wie vor nicht zulassen werde, sind gehässige persönliche Angriffe – egal, ob auf mich oder andere. Ich habe mir anfangs nicht vorstellen können, welches Maß an Niedertracht ein so harmloses Hobby wie Gesellschaftstanz hervorbringen kann.

Leider spaltet sich die Tangowelt immer weiter in Fraktionen auf. Daher ist es mir wichtig, keinerlei Koalitionen zu schmieden. Ich habe traditionelle Vorstellungen ebenso kritisiert wie moderne Verirrungen. Was ich veröffentliche, sind stets meine höchst individuellen Ansichten. Schon deshalb dürfte die Zahl meiner „Fans“ überschaubar bleiben.

Dies führt ebenfalls dazu, dass über meine Ansichten und Ziele teilweise hanebüchene Verdrehungen kursieren. Daher möchte ich diese nochmals möglichst klar formulieren – in dem Wissen, dass manche weiterhin bei ihren kruden Falschbehauptungen bleiben werden:

·       Ich werde weiterhin die zunehmende Hierarchisierung im Tango angreifen. Es ist Gift für unseren Tanz, dass sich wenige ungleich wichtiger nehmen und versuchen, den Rest zu dominieren. Ein Kennzeichen dieses Phänomens ist das Entsetzen, welches sich immer wieder ausbreitet, wenn ich „Stars“ der Szene kritisiere. In vielen Bereichen des Tango herrschen vordemokratische Zustände.

·       Ebenso werde ich vor den Folgen einer um sich greifenden Kommerzialisierung warnen. Tänzerisches Können und Musikverständnis sind keine Waren, welche man so einfach verhökern kann. Tango war und ist im Kern eine Subkultur, welche nicht mit vollmundiger, teilweise verlogener Werbung funktioniert. Dennoch kann ich es verstehen, wenn man mit dem Tango Geld verdienen will. Man soll nur hinterher nicht jammern, falls es misslingt.  

·       Abgehen werde ich auch nicht von meiner Ansicht, dass der Tango argentino nicht nur hierzulande tendenziell von Männern dominiert wird. Dies beginnt beim vorsintflutlichen Verständnis der Rollen von „Führenden“ und „Folgenden“ und endet bei der gnadenlosen Missachtung von Frauen, welche nicht dem Beuteschema von jung, schlank und naiv entsprechen. Diskriminierende Quotierungen eingeschlossen. Der Tango hinkt den Errungenschaften der Emanzipation meilenweit hinterher und ist zu einem Refugium bejahrter Machos geworden.

·       Auch in Zukunft werde ich aber Frauen dafür tadeln, dass sie nicht die Traute aufbringen, sich gegen solche Zumutungen zu wehren – und sogar andere Tangueras dissen, wenn diese selbstbewusster auftreten. Oder versuchen, sich in elitären Grüppchen hochzudienen. Rechte bekommt man nicht geschenkt – man muss sie gegen Widerstände beanspruchen, statt vor Mächtigen zu Kreuz zu kriechen.

·       Ich werde nicht aufhören, die Tangoveranstalter an ihre sozialen Verpflichtungen zu erinnern. Es reicht nicht, das Eintrittsgeld zu kassieren, Getränke zu verkaufen und für die Beschallung zu sorgen. Sie müssen sich gerade um Anfängerinnen und Anfänger sowie um neue Gäste kümmern. Um es klar zu sagen: Ein Organisator, der pro Abend nicht wenigstens mit einigen dieser Menschen tanzt, ist sein Geld nicht wert.

·       Konstant anschreiben werde ich auch gegen lebensfremde Codizes aus anderen Zeiten und Kulturkreisen, mit welchen man im Tango eher Verkrampfungen denn Lockerheit bewirkt. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich im Tango „gegen alle Regeln“ sei. Viele davon ergeben sich allerdings bereits – ohne viel Gespreize – aus einer guten Kinderstube sowie dem gesunden Menschenverstand. Und wer Aufforderungsriten wie den Cabeceo anwenden möchte, soll dies tun. Fuchtig werde ich nur, wenn er seine Vorstellungen allen anderen aufzwingen möchte.

·       Der Käse, ich sei generell gegen Tangounterricht, bleibt auch zukünftig einer. Ebenso wenig habe ich je behauptet, Tangolehrer seien generell überflüssig oder inkompetent. Da dies ein freier Beruf ist, tummeln sich dort allerdings Leute mit sehr unterschiedlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Ich werde weiterhin für andere Formen des Lernens und Übens plädieren, da ich den Effekt der normalen Kurse und „Workshops“ eher als gering erachte.  

·       Daher bin auch weiterhin dafür, individuelle Tanzstile zu fördern statt sie vorschnell in die Ecke mangelnden Könnens zu schieben. Hier kommt den Tango-Lehrkräften eine große Verantwortung zu, welche sie leider kaum wahrnehmen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich gelegentlich meinen persönlichen Geschmack beschreibe. Aber nach dem muss sich niemand richten.

·       Gruselig falsch ist auch die Behauptung, ich würde nun für jede Milonga eine Pflichtrunde Piazzolla oder gar Non-Tangos fordern. Worum es mir lediglich geht, ist eine größere musikalische Vielfalt. Kaum ein Kritiker macht sich die Mühe, anhand von derzeit 77 veröffentlichten Playlists meine musikalischen Vorschläge fair zu beurteilen. Wobei ich allerdings stur bleibe: Die Ablehnung der Ansicht, nach 1955 habe es keine Tangomusik mehr gegeben, welche des Tanzens wert wäre.

·       Wogegen ich mich weiterhin wehren werde, ist die um sich greifende Geschichtsklitterung im Tango: Den Wortführern dieses Trends ist wahrlich kein Argument zu dämlich, die musikalische und tänzerische Reduktion der letzten 15 Jahre als „Fortschritt“ zu verkaufen. Störende historische Entwicklungen wie der Tango nuevo Piazzollas werden dann bis zur Unkenntlichkeit relativiert und in einen Topf mit Neo- oder Elektrotango geworfen.

Neulich hat man mir von konservativer Seite vorgeschlagen, ich möge doch im Tango „Brücken bauen“. Wenn man meine Ansichten und Ziele realistisch beurteilen würde, müsste man zugeben, dass ich genau dies versuche. Ich verkünde keine einseitigen Doktrinen, sondern sehr häufig ein „Sowohl – als auch“. Ich werbe für Tangoverhältnisse, wie ich sie noch vor 15 und mehr Jahren erlebt habe: Da trafen wir uns nämlich noch alle auf denselben Milongas und hielten unsere Unterschiedlichkeiten respektvoll aus. Die Leute, welche mir heute Spalterei vorwerfen, sind selber die größten Abgrenzer.

Und wer mir scharfzüngige Angriffe vorhält, möge bitte bedenken, dass ich nach wie vor gegen einen übermächtigen Mainstream anschreibe. Die bunten Werbe-Posts der Tangolehrer und Veranstalter zeichnen meist ein Disneyland, welches viele anspricht. Da ist schon ein wenig Satire erforderlich, um wenigstens gelegentlich zum realistischen Nachdenken anzuregen. Manche finden das sogar witzig – und ich plädiere leidenschaftlich für die Integration eines im Tango meistgehassten Begriffs: Spaß.

Und daher gibt es heute – zur gerechten Empörung – noch ein überaus komisches Video von mir:

https://www.youtube.com/watch?v=Hs8G9q4PfLw&t=201s

Und hier der Text zum Nachlesen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/02/der-tag-dem-du-mich-bequatschtest.html

 

Kommentare

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