Was mich an Corona am meisten nervt

 

ist nicht die Krankheit selber. Wer sich mehr als ein halbes Leben mit Biologie beschäftigt hat, kann nicht wirklich überrascht sein, dass mal wieder ein gefährlicher Mikroorganismus den Übergang vom Tier zum Menschen schafft. Nach der weitgehenden Ausrottung der Großraubtiere sind Bakterien, Viren & Co auf diesem Planeten die einzigen ernsthaften Konkurrenten des Menschen. 

Als Anfang der 1980er-Jahre AIDS auftauchte, hatte ich als junger Studienrat die Ehre, Konzepte für die Behandlung dieses Themas an der Schule auszuarbeiten (was mir damals sogar eine Vorladung ins Gesundheitsamt wegen angeblicher „fachlicher Fehler“ einbrachte). Ich weiß noch, dass sich damals jede meiner Klassen den Satz anhören musste: „Seien wir froh, dass sich das HI-Virus nicht durch Tröpfcheninfektion verbreitet, sonst hätten wir ein richtig großes Problem.“ Daher lautete damals der Kernsatz: „AIDS bekommt man nicht, AIDS holt man sich.“ Leider muss man heute zugeben: Corona braucht man sich nicht zu holen, es kommt auch selber ins Haus. 

Auch damals gab es veritable Panikreaktionen, die vor allem zur Ausgrenzung von Schwulen führten, die man damals noch „Homosexuelle“ nannte. Die „Querdenker“ dieser Zeit waren vor allem stramm Religiöse, welche die neue Krankheit gerne als „Strafe Gottes“ bezeichneten (wofür, war ja klar). „AIDS-Leugner“ gab es zwar damals – wie den deutschen Virologen Peter Duesberg oder den Nobelpreisträger Kary Mullis, ausgerechnet der Mitentdecker der Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Sie spielten aber nach meiner Erinnerung bei uns keine Rolle. Klar, das Internet war ja noch nicht erfunden… Und der sowjetische KGB behauptete, das US-Militär habe das HIV entwickelt, um die Schwarzen auszurotten. Alles schon mal dagewesen!

https://de.wikipedia.org/wiki/AIDS-Leugnung 

Seit Beginn der AIDS-Pandemie starben rund 35 Millionen Menschen an dieser Krankheit – allein im Jahr 2019 war es immerhin noch eine Dreiviertelmillion. Und es gibt bis heute, trotz umfangreicher Forschungen, keinen Impfstoff. Bei Corona sieht es so aus, als könne man demnächst impfen. Daher sage ich heute: Würde sich das jetzige Virus den Impfbemühungen so widersetzen wie HIV, hätten wir ein richtig großes Problem…

https://de.wikipedia.org/wiki/AIDS

Es ist für mich hoch spannend, die aktuellen Entwicklungen zu beobachten – und nachdem ich dies auch weiterhin nicht vorwiegend auf YouTube oder in dubiosen Facebook-Gruppen unternehme, bleiben halt für den Bildschirm die öffentlich-rechtlichen Medien. Auch da muss man sich jedoch, vor allem durch wiederholte Nervereien, ein dickes Fell zulegen. 

Aber Schimpfen kann ja entspannend wirken. Daher habe ich einmal meine medialen Lieblings-Ärgernisse zusammengestellt:

 

Die Stöckchen im Rachen 

Ich weiß nicht, warum man in jeder Nachrichtensendung, in jedem Magazin beim Stichwort „Corona-Test“ stets einen als Marsmenschen verkleideten Mediziner zeigen muss, der einem Probanden ein Steckerl in den Hals schiebt, oder in die Nase – oder schlimmstenfalls beides. Doch, ja, wir wissen nach einem Dreivierteljahr so ungefähr, wie das geht! Mich würde stattdessen mal ein Film über das genaue Verfahren des PCR-Tests interessieren – und die Logistik dazu. Also alles, was auf das Stöckchen folgt.

 

Die Nadel im Arm

Das Verfahren ist prinzipiell gleich: Sobald auf der Tonspur ein Wort kommt, das die Silbe „Impf“ enthält, erfolgt unweigerlich die intramuskuläre Injektion. Obwohl wir das Verfahren doch nicht erst seit Corona kennen und mir meine Spiegelneurone „Schmerz“ signalisieren. Bäh! Man will doch beim Fernsehen auch mal in Ruhe essen! Ausführliche Informationen über die verschiedenen Impfmethoden und ihre Entwicklung sieht man so gut wie nie.

 

Dämliche Reporterfragen

Lange Zeit war mein Favorit „Helfen denn Masken?“ Meine Antwort nach der tausendsten Erkundigung dieser Art: Nein, wenn der Journalist kein schalldämpfendes Modell trägt und daher die Frage noch hörbar ist. Was soll denn der arme Fachmann antworten? Anfangs vielleicht „Ja, wahrscheinlich schon, aber wir haben kaum welche.“ Und doch, dass ein Lappen vorm Gesicht bei Atemwegsinfektionen nicht ganz nutzlos sein dürfte, wissen wir eigentlich – falls das jemand interessiert – spätestens seit der Spanischen Grippe. Aber wieviel es hilft? Das hängt wohl von einer dreistelligen Zahl von Faktoren ab. Man könnte aber beispielsweise mal genau erklären, was eine FFP2-Maske ist. Ich habe solche Tatsachen schon vor mehr als einem halben Jahr recherchiert und veröffentlicht:

http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/04/maske-in-ungenau.html

Meine derzeitige Lieblingsfrage lautet „Wann kommt denn die Impfung?“ Sie erinnert mich an das Blagen-Genöle vom Rücksitz einer Urlaubsfahrt: „Sind wir bald daha?“ Der Bayer pflegt zu antworten: „Schau‘ mer amoi, dann seng ma’s scho.“ Seriöse Prüfgremien brauchen halt ihre Zeit, und das ist gut so.

 

Der Lauterbach warnt

hat das täglich grüßende Murmeltier völlig in den Hintergrund gedrängt. Damit wir uns nicht missverstehen: Der Mann ist sicherlich ein exzellenter Epidemiologe. So alle 14 Tage würde mich seine – möglichst ausführliche und ins Detail gehende – Expertise interessieren. Dass er sich aber fast jeden Tag mit einem meist verkürzten Kassandra-Ruf zitieren lässt, halte ich für katastrophal. Ebenso sein Dauerwohnrecht in diversen Talkshows. Loriot-reif sein ersterbender, monotoner Singsang. So tut er alles dafür, nicht mehr ernst genommen zu werden. 

Persönlich wäre es mir lieber gewesen, er wäre in der CDU geblieben, anstatt 2001 zur SPD zu wechseln. Ich leide an Genossinnen wie Lambrecht, Giffey und Schulze schon genug…

 

Kleber & Slomka

Das letzte bisschen gute Laune zu vertreiben haben sich die beiden Protagonisten des ZDF-Heute Journals zur Aufgabe gemacht. Pünktlich um 21.45 Uhr erscheint Claus Kleber mit gerunzelter Braue, um uns mitzuteilen, heute sei es wieder besonders schlimm gewesen. Juhu! Interviewpartner werden je nach Gusto des Sprechers gehätschelt oder gedisst. Wobei die noch von Glück sagen können, wenn sie nicht dem Co-Quälgeist Slomka zum Opfer fallen.  

 

Talkshows

zum Thema Corona gibt es wie Sand am Meer. Klar, dass sich die Themen überschneiden. Was ich aber nicht verstehe: Warum mindestens die Hälfte der Sitze an „Stammgäste“ vergeben werden. Meist weiß man schon vorher, was die sagen. Wie wäre es stattdessen mit „normalen“ Menschen, die einen besonderen Bezug zur Sache aufweisen? Die dann vielleicht mehr äußern als die üblichen Politfloskeln? 

Manches schaue ich mir dennoch an – bei wem ich allerdings hektisch nach der Fernbedienung greife, ist Markus Lanz: Dieses affektierte Getue raubt mir wirklich den Atem – vor allem, wenn er so tut, als verstünde er das, was er von seinen Zetteln abliest. Und von einem neutralen, fairen Diskussionsleiter ist er Lichtjahre entfernt: Wer nicht seine Ansichten vertritt, wird gnadenlos ausgebremst, unterbrochen und notfalls mehrfach mit derselben Frage beharkt.

 

Experten

werden derzeit reihenweise aus den Labors und Elfenbeintürmen gezerrt und nach den Gesetzmäßigkeiten des Sensationsjournalismus traktiert: In maximal 30 Sekunden sollen sie Auskunft auf Fragen geben, die den Inhalt ganzer Studien betreffen. Das wird dann noch zu einer Schlagzeile verkürzt – und anschließend in einen künstlichen Gegensatz zu den Aussagen von Kollegen gestellt. Das Publikum liebt Titanenkämpfe… 

Was ich an Forschern wie Christian Drosten schätze: Sie ziehen sich zunehmend aus dem Überschriften-Zirkus zurück und suchen nach Formaten, wo sie ihre Ergebnisse in der Ausführlichkeit darstellen können, die ihnen gebührt. Immerhin erreichte das „Coronavirus Update“ des NDR gewaltige Zugriffsraten und wurde mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet. Das Publikum ist eben doch nicht so dumm, wie manche Journalisten annehmen.

http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/06/die-wissenschaft-hat-ein-eiskaltes.html

    

Die Berliner Konferenzen 

Grundsätzlich ist es ja sehr sinnvoll, wenn die Ministerpräsident/innen mit der Kanzlerin das weitere Vorgehen besprechen und festlegen. Aber dann lasst sie doch erstmal beraten! Aber nein, schon Tage vorher verkünden die Medien O-Töne der Beteiligten sowie sonstiger Meinungsinhaber, was gefälligst herauszukommen habe.

Wenn dann das Ergebnis nach stundenlangen Debatten endlich verkündet wird, kann man sich darauf verlassen: Spätestens am nächsten Tag meldet sich ein Beteiligter – selbst, wenn er nicht Laschet heißt – und gibt zu Protokoll, dass er doch lieber noch eine Extrawurst brate. Und schon bricht wieder die schönste Diskussion aus, warum man nun in Meckpomm oder NRW irgendwas dürfe, was in Bayern verboten sei. Da ist das gemeine Volk natürlich maximal verunsichert. Dass man auch mal erlaubte Dinge lassen könnte, weil sie derzeit ein vermeidbares Risiko darstellen, ist noch nicht Allgemeingut.

 

Statistiken im Internet 

Vielleicht haben auch Fußballergebnisse wie das neulich gegen Spanien dazu beigetragen, dass immer mehr Bundestrainer zu Hobby-Virologen und Statistik-Experten umschulen. In wahren Zahlenschlachten haut man einander dann auf Facebook die Tabellen und Grafiken um die Ohren, welche fallweise besagen, wie gefährlich oder harmlos Corona sei. 

Neulich wurde ich auf ein schweres Gefecht von Mathematikern aufmerksam: Christian Drosten hatte wohl in irgendeinem Zusammenhang von „exponentiellem Wachstum“ gesprochen. Mit einer Flut von Formeln und Gleichungen beharkten sich anschließend Fans und Gegner des Berliner Virologen. Da ist das Corona-Virus sicherlich schwer beeindruckt…

Zum Standard einer Facebook-Diskussion gehört es inzwischen, dem Gegner zu bestätigen, er habe „überhaupt nichts kapiert“. Klar, sonst müsste der ja die „Wahrheit“ erkennen, welche der andere selbstredend verkündet!

 

Die polizeilichen Streicheleinheiten

Wie Direktübertragungen aus Absurdistan muten mich zahllose Reportagen an, in denen geplagte Polizisten und Mitarbeiter der Ordnungsämter durch die Innenstädte ziehen und Leute ansprechen, die immer noch ganz ohne respektive mit der Maske auf Halbmast herumlaufen oder in größeren Gruppen beieinanderstehen. Im Zweifel werden dann „Ermahnungen“ ausgesprochen. Hallo? Ist eine größere Bevölkerungszahl erst kürzlich aus Feuerland eingewandert und hat daher keine Ahnung von den derzeitigen Maßnahmen des Infektionsschutzes? Aufschreiben, Bußgeld und fertig – anders lernen es gewisse Zeitgenossen nicht! 

Geradezu grotesk erscheinen mir Berichte von Demonstrationen, bei denen von vornherein klar ist, dass sich die Teilnehmer einen Dreck um die behördlichen Auflagen scheren werden. Geschieht das Erwartete, wird noch zehnmal appelliert, die Vorschriften einzuhalten. Nach längerer Zeit erklärt dann die Polizei die Veranstaltung für aufgelöst, was die meisten kein bisschen kümmert. So kann man noch ein paar Stündchen herumstehen und letztlich fast alles so durchziehen wie geplant – und erreicht zusätzlich den Märtyrerstatus.

Höhepunkt war für mich bislang der Sprühregen, den neulich die Berliner Polizei einsetzte. Da hat man wohl Abschrecken mit Abfrischen verwechselt…

 

Der YouTube-Star Rezo hat neulich all das, was ich seit Monaten zu dem Thema schreibe, in einer guten Viertelstunde Video zusammengefasst. Hervorragend gemacht und daher allen, die es noch nicht gesehen haben, dringend empfohlen:


Kommentare

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