„Selber!“

 

Zu meinem Artikel „Der Aufmarsch der Covidioten“ erreichten mich am 15.12. auf meinem Blog diese Anmerkungen: 

„Vielleicht sollten Sie mal darüber nachdenken, warum ein Test eingesetzt wird, der für Diagnosestellungen gar nicht zugelassen ist, sondern nur für Forschungsarbeiten im Labor. Menschen, die sich dies als Basis für weitere Fragen nehmen und diese Fragen auch stellen als Idioten hinzustellen. Vielen Dank, Monsieur! Ich möchte mich nicht auf dasselbe Niveau begeben. Aber andeuten möchte ich dennoch: Hier wird momentan oft der Täter zum Opfer stilisiert und umgekehrt. Ebenso verhält es sich leider nicht den sogenannten Idioten und denen, die noch an den Weihnachtsmann glauben. Sorry, wenn ich es nun doch so sagen muss: Ich persönlich sehe die Idioten woanders. Herzliche Grüße von einer Tangotänzerin.“

Ich habe den Text im Kommentarbereich des betreffenden Artikels nicht veröffentlicht, da er anonym eingestellt wurde. Äußerungen dieser Art sind aber ein Paradebeispiel für einen bestimmten Debattenstil, der eine Analyse wert ist:

Zunächst erscheint diese Reaktion ein wenig verspätet, denn mein Artikel erschien am 2.8.20, also vor viereinhalb Monaten. Besonders aufmerksam scheint die Dame meine Veröffentlichungen nicht zu verfolgen.

Ein typischer Textbaustein ist die Aufforderung, über etwas nachzudenken. Ob der jeweilige Schreiber dies selbst unternommen hat, bleibt unklar. Festzustellen ist: Der PCR-Test, welcher hier offenbar gemeint ist, wird vom ganz überwiegenden Teil der Experten als verlässliche Methode für einen Infektionsnachweis gesehen – und zwar längst vor Corona (zum Beispiel für den genetischen Fingerabdruck – auch da wird nur ein Bruchteil des Genoms amplifiziert, reicht dennoch für eine Verurteilung vor Gericht). Und dank meines Biologiestudiums weiß ich zumindest ungefähr, wie die Polymerase-Kettenreaktion funktioniert. Und wenn ein Test nicht für Diagnosestellungen zugelassen ist: Wieso wird er dann weltweit genau dafür eingesetzt? Vielleicht sollte die Autorin darüber einmal nachdenken?

„Sich dies als Basis für weitere Fragen“ zu nehmen ist also nicht unbedingt empfehlenswert. Aber welche Fragen überhaupt? Auch dazu schweigt sich die Autorin aus. Stattdessen möchte sie sich nicht auf das Niveau meines Artikels begeben, tut es aber dann doch: Sie sehe die Idioten woanders. Nun, letztlich tun wir das ja alle. Und – soweit man es trotz des falschen Satzbaus ableiten kann – glaubt  sie nicht mehr an den Weihnachtsmann. Auch da haben wir etwas gemeinsam.

Vergeblich jedoch bleibt mein andauernder Appell in den Kommentarhinweisen: „Beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels“. Das hat die Schreiberin nur insofern getan, als sie der Begriff „Covidioten“ stört – der übrigens keine strafbare Beleidigung darstellt, sondern „als Meinungsäußerung in der politischen Auseinandersetzung nicht strafbar und von der Meinungsfreiheit gedeckt“ sei. So jedenfalls die Stellungnahme der Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf Hunderte von Strafanzeigen gegen die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, welche diese Bezeichnung angesichts der Demo am 1.8. ebenfalls verwendete: Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als „die zweite Welle“, ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!“

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/saskia-esken-darf-demonstranten-covidioten-nennen-a-c697ef3d-d04b-41f4-a8b4-d2f350fa7138

https://twitter.com/eskensaskia/status/1289518034621612032?lang=de

Dass man sich über das böse Wort dennoch ärgert – insbesondere, falls man persönlich an der Demo teilgenommen haben sollte – verstehe ich ja. Und von mir aus darf man die Schimpfe dann auch an mich zurückgeben.

Nur bleibt diese Replik halt auf dem bekannten Sandkasten-Niveau: „Du bist blöd!“ „Selber!“ 

Mit zwei Unterschieden: 

Erstens habe ich die Dame nicht persönlich als „Covidiotin“ bezeichnet – sie ist ja anonym geblieben.

Zweitens habe ich etwas mehr geschrieben: Mein Text hat 878 Wörter. Daher hätte es mich gefreut, wenn die unbekannte Tangotänzerin wenigstens auf einige Gesichtspunkte darin eingegangen wäre, zum Beispiel:

·         Ob sie es wirklich für sinnvoll hält, wenn sich (nach aktuellen Presseangaben) in der Spitze 38000 „Querdenker“ versammeln und die Distanzregeln weitgehend missachten.

·         Wie sie es beurteilt, wenn die Veranstalter von „1,3 Millionen“ Teilnehmern sprechen.

·         Wie sie zu dem von Leni Riefenstahl abgeleiteten Motto „Tag der Freiheit“ steht

·         Ob sie den dort ausgeübten Druck auf Journalisten befürwortet

·         Wie sie die von mir beschriebenen Zentralfiguren der Querdenker-Bewegung beurteilt und warum die sich ihrer Meinung nach inzwischen ziemlich heillos zerstritten haben

·         Inwiefern sie erwartet, dass aus dem beschriebenen Gemisch von Esoterikern, Rechtsradikalen und ehrlich besorgten Bürgern eine politische Bewegung mit gemeinsamer Zielsetzung werden könnte

·         Ob ihr klar ist, dass Grundrechte noch nie schrankenlos galten und dies aus guten Gründen auch so bleiben sollte

·         Ob es für sie ein Zeichen von Diktatur ist, wenn Gerichte die Demonstration unter Auflagen erlaubten und die Polizei trotz deren Missachtung den Aufmarsch noch stundenlang hinnahm, ohne zu drastischen Mitteln zu greifen 

Und vor allem: Ob sie angesichts der momentanen Infektionszahlen und Todesfälle immer noch meint, solche Massenaufläufe seien gesundheitlich ungefährlich? Ob sie sich auch jetzt noch daran beteiligen würde, falls die Behörden es nicht verhindern (könnten)?

Es hätte mich wirklich interessiert, mit der unbekannt sein wollenden Tangotänzerin diese und andere Aspekte zu besprechen. Dazu müsste man aber zumindest ein wenig auf das eingehen, was ich geschrieben habe. Aber das kenne ich von vielen Auseinandersetzungen: Nach ein paar Sprüchen ad personam reicht die Luft nicht mehr für Inhalte. Und wieso steht sie nicht mutig mit wahrem Namen zu ihrer Meinung? Hat sie Angst, wie Sophie Scholl dafür geköpft zu werden?

Was mich noch mehr interessiert hätte: Wie ist denn nun ihre eigene Einstellung zu den angesprochenen Problemen? Welche erlittenen Ungerechtigkeiten bringen sie derartig auf? Da gibt es einige, die ich sehr wohl nachvollziehen könnte. Ich habe dies auch schon in meinem Artikel angesprochen:    

„Um gleich den üblichen Vorhaltungen zu begegnen: Klar läuft auf diesen Veranstaltungen auch die sprichwörtliche Oma mit, die keine Maske mehr tragen und wieder öfter von ihrer Familie besucht werden möchte.“

Allerdings lauten die nächsten Sätze meines damaligen Beitrags: 

Ebenso klar ist aber auch: Gesteuert wird das Ganze von politisch höchst verdächtigen Figuren. Das Konglomerat von Weltverbesserern, Spinnern, Traumtänzern und Extremisten ist nicht nur medizinisch hoch gefährlich.“

Dieser Meinung bin ich mehr denn je. Und ja – auch die „sprichwörtliche Oma“, benimmt sich idiotisch, wenn sie sich zu Pandemie-Zeiten mit Tausenden anderer ohne Hygiene- und Abstandsmaßnahmen stundenlang auf der Straße drängt.

Selber? Lebe ich seit einem Dreivierteljahr ziemlich zurückgezogen und mit wenigen, aber wertvollen analogen Außenkontakten. Klar, man kann mich digital attackieren. Aber das ist ja nicht ansteckend.

In keiner Weise.

Kommentare

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