Weiße Flecken auf der Landkarte


Auf der Facebook-Seite des Tangofreundes Tom Opitz entdeckte ich neulich eine schöne Deutschland-Karte: Unter dem anspruchsvollen Titel  „Tango Argentino: immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ kann man dazu lesen:

„Aus der Kampagne ‚Weltkulturerbe Tango Argentino in Deutschland retten‘ (Petition und bundesweiter Aktionstag am 03. Juni 2020) entstand die Idee, eine Tangokarte für ganz Deutschland zu erstellen, um visuell darzustellen, wie flächendeckend die Tangokultur vertreten ist. Die Karte wird zusammen mit der Petition in den Bundesländern an die Politik übergeben. Olaf Herzog von der Tangodanza (www.tangodanza.de) hat die Karte erstellt - finanziert durch Spenden des bundesweiten Tango Community Netzwerks als gemeinsame Aktion von Tangodanza, tango-argentino-online.com und dem Tango Community Netzwerk.
Die Daten wurden von Tangodanza zur Verfügung gestellt.“

In der Legende wird (in etwas holperigem Deutsch) behauptet:

„Orte in Deutschland in denen regelmäßig Tango Argentino Veranstaltungen stattfinden“

Spaßeshalber scrollte ich einmal durch die Geografie, und – wie nicht anders zu erwarten: In unserer Region waren zwar Augsburg, Aichach, Ingolstadt und Freising aufgeführt – Pörnbach natürlich nicht:


Als ich dies per Kommentar anmerkte, antwortete Tom Opitz:

Ich vermute, dass du bei all deiner Kritik am Handeln der Professionellen auch nicht als Veranstalter unterzeichnet hast (wenn überhaupt ...) und das war hier ja explizit die Grundlage.“

Aha, kommt man also nur auf die Karte, wenn man sich einer bestimmten Sichtweise anschließt? Okay, vielleicht hat man bei der Tangodanza auch nur den eigenen Veranstaltungskalender bemüht. Da fehlt Pörnbach, da wir schon wegen unserer eher kurzfristig anberaumten Termine dort nicht werben. Andererseits hat die Zeitschrift ja mal über unsere Wohnzimmer-Milonga berichtet – und Olaf Herzog hatte mir dazu eine Anfrage geschickt. Wurde aber offenbar sofort wieder von der Festplatte gelöscht…

Nun ist es mir grundsätzlich völlig egal, ob unser Dorf nun auf irgendeiner komischen Karte steht – davon kriegen wir keinen einzigen Gast mehr (wenn es denn wieder weitergeht). Mir begegnet hier nur ein allzu bekanntes Phänomen: Wer im Tango nicht in ein bestimmtes Horn stößt, wird – natürlich ohne böse Hintergedanken – gerne „vergessen“. Oder gar nicht erst wahrgenommen. Oder auch bewusst ignoriert, wie beispielsweise dieses Blog – oder dies zumindest behauptet, während man heimlich doch mitliest.  

Das passiert übrigens nicht nur Hobbytänzerin, sondern auch Profis:

Fast zeitgleich las ich in der FB-Gruppe „Tango München“ einen Post der dortigen Tangolehrerin Anabella Belmonte:

„Bye, bye, tangomuenchen.de! Uns ist es seit heute vom Betreiber der Seite, dem Herren Velletti, untersagt, unsere Angebote im Bereich Tango Lernen auf der tangomuenchen.de Webseite einzustellen. Alle unsere Einträge sind dort vom Betreiber gelöscht worden. Daher werden wir nun nach alternativen Möglichkeiten suchen müssen, um über unser Trainingsangebot zu informieren.
Wir bieten ausschließlich Tango Privatstunden an und müssen damit monatlich die Miete für unser Tangoloft verdienen. Es ist sehr schade, dass wir nun wegen unserer Art des Unterrichtes bei tangomuenchen.de ausgegrenzt werden (den Button Privatstunden auf der Seite klickt keiner, wenn auf der Seite gleich alle Kurse sofort zu sehen sind, sorry).“

Zur Info: Die kostenlose Tango-Terminseite https://www.tangomuenchen.de, betreut von Jörg Velletti, gibt es seit 20 Jahren. Sicher sehr verdienstvoll, wenn auch lange Zeit gruselig schwer zu bedienen. Ich kenne Veranstalter, die dort wegen der digitalen Probleme bis heute noch nie einen Termin eingestellt haben. Und auch selber habe ich Blut geschwitzt, bis ich das komplizierte System einigermaßen kapiert hatte.

Das Problem scheint wohl zu sein, dass man als Tangolehrer, der ausschließlich Privatstunden anbietet, lediglich in einer langen Liste solcher Lehrkräfte landet und somit wenig beachtet wird. Unter dem Label „Kurse“ (das wesentlich besser sichtbar wäre) darf man sich damit aber nicht eintragen.

Man sieht es auch an den Kommentaren zu dieser Sache: Es ist für die Münchner Tangoveranstalter essenziell, es sich nicht mit Jörg Velletti zu verscherzen. Damit wäre eine kostenlose Dauerwerbung im Eimer. Dass dies nun eine Tangolehrerin wagt, halte ich für sensationell.

Ich traue mir kein Urteil darüber zu, welche Seite Recht hat. Viel bemerkenswerter ist für mich der Modus operandi: Anstatt solche Probleme in persönlichem Kontakt zu lösen, beharkt man einander auf Facebook und löscht Beiträge – in München bekanntlich eine schöne Tradition, über die ich schon oft berichtet habe:

Noch interessanter die Reaktion des angegriffenen Seiten-Betreibers: Seine „Gegendarstellung“ veröffentlicht er nicht selber, sondern lässt sie verkünden – von der Administratorin dieser FB Gruppe, Maren Gehrmann.  Klar, damit erhält das Dementi einen „offiziellen“ Anstrich.

Dazu sollte man wissen: Frau Gehrmann ist nicht irgendwer, sondern Mitarbeiterin im Team der einflussreichen Münchner Tangoschule „TANGOmaldito“. Auf deren Website heiße es über sie:

„Das Team TANGOmaldito unterstützt sie als Social Media Beauftragte“

Tja, und damit zuständig für die Wahrung bester Beziehungen zur kostenlosen Werbeseite des Herrn Velletti… und offenbar zur Freihaltung des Schussfelds auf alle, die ihn kritisieren. Lecker!

Wie heißt es doch so schön in der Petition der Online-Retter?

„Nicht nur in den Großstädten (…), sondern überall in Deutschland fördern Menschen, die ihre Leidenschaft für den Tango Argentino zum Beruf gemacht haben, in ihren Schulen, mit ihrer Musik und ihren tänzerischen Interpretationen nicht nur Bewegung und Gesundheit vieler tausend Menschen. Sie lassen vielmehr das große kulturelle Erbe des Tangos fortleben“.

Und dazu gehört, wie wir aus alten Tangotexten wissen, schon auch mal das Messer im Rücken des Rivalen. Da bekommen auch die Worte eines Tango-Caruso aktueller Bauart  eine neue Bedeutung:   

„Stell dir vor, es gäbe diese wunderschönen Orte für den Unterricht nicht mehr. Und stell dir vor, du wolltest auf deine erste richtige Milonga nach der Pandemie gehen, und es gäbe sie einfach nicht mehr, diese Räume der Begegnung, diese vielen schönen Orte wären einfach verschwunden.“

Tja, manche verschwinden auch längst vorher und ganz ohne Corona!
Ene, mene, muh und raus bist du!

Edit 11.7.20: Inzwischen hat Jörg Velletti den Account der Veranstalter auf seiner Seite komplett gesperrt - angeblich auf Drängen anderer Tango-Organisatoren. Weiterhin fühlt er sich erpresst", weil die Gesperrten darüber öffentlich berichten.

Zum Trost, so fürchte ich, müssen wir den Schnulzen-Faktor noch erhöhen. Daher statt Iwan Harlan doch lieber Freddy Quinn. Das Lied könnte auch ein Tango sein:

Vergangen , vergessen, vorüber
Vergangen , vergessen, vorbei
Die Zeit deckt den Mantel darüber
Vergangen , vergessen, vorbei



Quellen:

Kommentare

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