Petition und Bundeskanzleramt II


Der Berliner Tangoblogger Thomas Kröter hat meinen heutigen Beitrag als „eine treffliche Zusammenfassung der jüngsten Berliner Kabalen“ bezeichnet und geteilt. Na, mal sehen, ob er es ab Montag auch noch so sieht…

Jedenfalls haben die beschriebenen Artikel auf seiner FB-Seite eine rege Diskussion ausgelöst. Nun hat sich auch die Chefin des Blogs „Berlin Tango Vibes“, Laura Knight, auf seinem FB-Account dazu geäußert. Ich zitiere den vollen Wortlaut:

„Wenn auf ein Interview ein Shitstorm folgt, wenn Diskussionen öffentlich überspitzt werden und wenn Menschen, die sich aktiv für den Tango einsetzen, den wir alle lieben, in erster Linie misstrauisch beäugt werden, dann geht es nicht mehr um die Frage, ob ein Beruf in den Vorstellungstext eines Interviews gehört hätte oder nicht, dann geht es darum, wie wir miteinander umgehen wollen im Tango – jetzt und in Zukunft.
Wenn ich persönlich durch das Interview dazu beigetragen habe, dass es so weit kam, tut mir das leid. Das war ganz sicher nicht meine Absicht. Was jede*r einzelne weiter daraus macht, liegt in seiner*ihrer eigenen Verantwortung. Ich persönlich distanziere mich von dieser Folge-Diskussion und werde mich nicht weiter dazu äußern.“

Na klar, habe ich ja vorhergesagt…

Obwohl ich nicht die Hoffnung hege, dass die Dame sich zu einer Diskussion mit mir herablässt (und schon gar nicht auf meinem Blog), möchte ich ihr mit einem Offenen Brief antworten:

Liebe Laura Knight,

wenn Sie mal erfahren wollen, was ein Internet-Shitstorm ist, könnten Sie hier nachlesen:

Nein, in der jetzigen Debatte hat sich niemand abfällig über Sie oder Caroline Waldeck geäußert. Für Facebook-Verhältnisse waren die Kommentare sogar einigermaßen sachlich. Und etliche Schreiber haben dezidiert Ihre Positionen verteidigt. Nur ein Beispiel:
  
„Verstehe das Problem nicht. Entstehen jetzt inhaltlich irgendwelche Ungereimtheiten oder führen die professionellen Beziehungen zu Interessenskonflikten? Ich verstehe nicht, warum hier Auskunftspflicht bestehen sollte.“

Und auch von denjenigen, welche das Interview kritisch sehen, haben etliche die Aktivitäten von Caroline Waldeck durchaus gewürdigt. Auch dazu ein Zitat von mehreren:

„Ja, natürlich ist es in Zeiten von Corona wichtig, ob und wie jemand der darbenden Tangoszene helfen kann. Jemand der sich damit auskennt, weil er in den zuständigen staatlichen Behörden in einem Förderzusammenhang arbeitet, kann da nun mal mehr tun als andere. Und das ist gut so. Erst recht, wenn auch noch ein besonderes Engagement dahintersteht. Ich habe den Appell der Tangoszene selber unterschrieben.“

Aber auch wenn die Beiträge ausschließlich kritisch ausgefallen wären, muss ich Ihnen leider vorhalten: Ihre Einstellung dazu wirkt in einer offenen, demokratischen Gesellschaft völlig aus der Zeit gefallen. Mit Verlaub, sie duftet nach Spitzendeckchen und verstaubtem Salon-Benimmregeln.

Vor allem wird wieder einmal Person und Sache verwechselt: Selbstverständlich darf man auch jemanden kritisieren, der sich Verdienste um eine Materie erworben hat. Das schützt weder Sie noch Ihre Gesprächspartnerin davor, dass andere ein Interview als missglückt betrachten. Gute Taten machen nicht sakrosankt.

Übrigens gilt dies ebenso voll und ganz für das Gegenteil: Auch jemand, der nach gängiger Ansicht dem Tango (oder wem bzw. was auch immer) geschadet hat, kann in einer bestimmten Angelegenheit Recht haben. Er ist nicht ein Leben lang mit all seinen Äußerungen verdammenswert.

Schlimmer noch: Man kann sich erfolgreich für den Tango engagieren, auch wenn man dem Text und der Stoßrichtung einer bestimmten Online-Petition kritisch gegenübersteht und sich daher nicht imstande fühlt, diese zu unterstützen. Ich habe das für meine Person in einer Reihe von Artikeln begründet. Weder müssen alle Befürworter dieser Aktivität zu den Guten gehören noch alle Skeptiker zu den Bösen. Ich halte diese moralinsaure Unterscheidung für scheinheilig.

Man kann auch in anderer Weise Tangoaktive unterstützen – manchmal erhält man dafür sogar einen Dank, manchmal auch nicht. Auch da weiß ich, wovon ich spreche. Und man kann sich für den Tango in einer Weise einsetzen, die ihn nicht glaubwürdiger macht.

Sie verwehren sich dagegen, „misstrauisch beäugt“ zu werden. Na gut, Ihrer Mitautorin Lea Martin hätte Vertrauen auch gutgetan. Im Intro zum Interview schreiben Sie: „Wir haben Caroline Waldeck gefragt, was sie antreibt und wie sie die aktuelle Situation erlebt.“

Aha – „wir“. Seltsam nur, dass Ihre Kollegin davon offenbar nichts wusste. In ihrem Gastbeitrag für Thomas Kröters Blog schreibt sie:

Die Umarmung im Tango ist eine Art von Vertrauensvorschuss, der verspielt werden kann. Wer ihn verspielt, mit dem tanzt du nie wieder. Vertrauen ist das Wichtigste zwischen zwei Menschen, auf dem Parkett und bei einem Interview.“

Vielleicht sollten Sie in dieser Hinsicht einmal klären, „wie wir miteinander umgehen wollen im Tango“.

Und noch eins: Sie haben zeitgleich mit Ihrer obigen Erklärung die Kommentarfunktion zu Ihrem Artikel gesperrt. Gleichzeitig nehmen Sie für sich das Recht in Anspruch, auf anderen Seiten Ihre Anmerkungen zu veröffentlichen. Gut, wie ich selber weiß, gibt es durchaus Nöte, die einen dazu treiben können, Kommentare zu sperren oder zu löschen. Nur sollte man es dann – wie ich – sauber begründen und nicht still und heimlich vorgehen.

Gerade Ihre Reaktion zeigt mir wieder deutlich, woran es im heutigen Tango fehlt: Transparenz und Offenheit. Sachliche Diskussionen schaden unserem Tanz überhaupt nicht, im Gegenteil. Was dem Tango seinen derzeitigen schlechten Ruf eingebracht hat, sind nicht nur die leidigen persönlichen Diffamierungen und Gruppenbildungen. Sondern auch und vor allem die Geheimnistuerei und das Strippenziehen hinter den Kulissen.

Mit besten Grüßen
Gerhard Riedl

Foto: www.tangofish.de
Quelle:
https://www.facebook.com/thomas.kroter.5/posts/3171205426292339

P.S. Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist sehr einflussreich, aber bei den Kulturschaffenden nicht unumstritten.
„Ihr Führungsstil und ihre Personalentscheidungen fanden in der Presse Kritik“, schreibt Wikipedia.
Ich ahne jetzt die Gründe für diese Geheimnistuerei und empfehle die Lektüre dieses Artikels in der SZ:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/monika-gruetters-kulturstaatsministerin-1.4185060

Kommentare

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