Extase pur
Bekanntlich
beginnt der Deutsche, sich derzeit aus der Corona-Krise
zu retten, indem er in ferne Länder
zieht. Obwohl ihn die Bundesregierung erst vor einiger Zeit von dort ausgeflogen
hat. Auf Mallorca, so hört man,
kreisen schon wieder die Sangria-Eimer der Sauftouristen:
Da
will der einheimische Tango natürlich nicht nachstehen – die Angebote für Tangoreisen häufen sich, damit man im
restlichen Jahr noch ein bisschen Gewinn macht. Doch geht es dabei
wirklich ums Tanzen? Ich habe mich dazu auf YouTube durch das Arsenal von Tangoreise-Videos geklickt, leider nicht
alle aus diesem Jahr. Die schönsten Fundstücke:
Einen Tangourlaub in eher frugaler Kulisse stellt dieser Film vor. Schön die Szene, in der aus einem versifften Haustor eine Schönheit im geschlitzten Rock hervortritt. Das weckt sogar den auf der Parkbank pennenden Tangolehrer, woraufhin sich der Cabeceo übersichtlich gestaltet. Ansonsten Planschbecken, spielende Kinder und viel Camping-Romantik vor und in einem Schloss sowie ein gar schröcklich zusammengestellter Teller vom Büfett. Anerkennenswert, dass es relativ viele Tanzszenen gibt, sogar welche von den Gästen.
Die absolut bürgerliche Variante liefert uns das folgende Video: So spricht man in deutschen Wohnküchen über den Urlaub – der Glamourfaktor pendelt um Null. Das einzig Exotische ist ein an der Säule pappender Flyer – und zum Schluss gibt’s noch ein paar Reisefotos. Getanzt wird natürlich nicht.
Was
man in das folgende Video binnen anderthalb Minuten hineingedrückt hat, ist dagegen
sensationell: Vom Weltraum aus
landen wir im Sturzflug auf der Vulkaninsel Lanzarote. Viel Meer sowie Horizont
werden betitelt mit „Eine Reise zu deiner
Essenz“.
Gischt
schießt über Lavabrocken, ein Regenbogen sowie ein Tangolehrer zwischen
Felsbrocken animieren zur Einblendung: „Wo
sich Tanz und Seele verbindet“ (Na ja, eigentlich Plural: „verbinden“, aber wir wollen der sich
anbahnenden Emotionswoge nicht im Wege stehen).
Wolken
ziehen über vulkanische Halden, die Sonne strahlt in pfunkelndem Lücht: „Ist wieder möglich!“ (Was jetzt genau?
Ach, wurscht!)
Wolken,
Horizont, und auch der Regenbogen ist immer noch da: „Unvergesslich, einzigartig“.
Jetzt
nicht verpassen: Für eine Sekunde wird getanzt, dann dreht sich Fleisch am
Spieß. Einblendung: „Extase pur“. (Okay, gemeint ist wohl „Ekstase“ – ob nun das
Tanzpaar oder der Grill, bleibt ungeklärt.)
Wanderung
durch vulkanische Halden: „Achtsam,
sinnlich, bewusst“. Dazu fortlaufende symphonische Klänge aus der Abteilung
„Wunder der Erde“, und wir erfahren, wohin die Reise gehen soll: „Zum Schmelzpunkt deines Tangos“.
Wahrlich,
diese Reise zum Schmelzpunkt des Intellekts
kann man nicht toppen! Ein Glück für die Tango-Online-Petition,
dass der Schöpfer des Videos dazu damals nicht seine volle künstlerische Potenz
ausgespielt hat. Gereicht hat es aber allemal. Extase mit X? Haben die noch
Malle?
Ehrlich,
muss man den Tango mit derartig pseudophilosophischem
Geschwurbel bis zur Unkenntlichkeit schreddern? Eruption vulkanischer
Gluten? Und das beim heutigen glutenfreien Tango? Wofür muss dieser Tanz
eigentlich noch herhalten? Vielleicht könnte man mit seiner Hilfe auch Warzen
besprechen…
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