Zum Rot-Schämen


Man muss es sich schon verdienen, von mir mit einem eigenen Artikel gewürdigt zu werden! Nur in den sozialen Medien ellenlang zum Tango seine fast allumfassenden Meinungen zu verkünden reicht da nicht – ebenso wenig wie mal einen dummen Spruch über mich oder mein Blog abzulassen. Da muss man mir schon über längere Zeit mit aggressivem Gepolter auffallen.

Ein Kommentator, der sich „Joost Rot“ nennt, hat das nun geschafft.

Seine Worte wählt er gerne drastisch. So spricht er von „Rambos auf der Tanzfläche“ und hat Sorge um „meine Unversehrtheit der Achillessehnen, Waden, des Genicks und meines Kopfes“. „Rücksichtslos“ ist eine Vokabel, derer er sich gerne bedient.

Auch bei dem von Theresa Faus angeführten Feldzug der „Tango-Pegida“ gegen mich marschierte er freudig mit. So schrieb er zu meiner Person:

Ich habe mich von allem, wo ich ihn lesen musste, entfernt. Soviel Haargel Marke extra strong kann ich gar nicht auftragen, wie es bräuchte, seinen Unsinn ohne Haarsträuben zu ertragen.“

Joost Rots Empörung war besonders groß, als ich den DJ „Tröt Trallatrööt“ mit seinem richtigen Namen Michael Tausch ansprach (er hatte das mal selber öffentlich verraten). Das gehe ja gar nicht:

„Es scheint jedes Wort zuviel zu sein.
Das Outen von Pseudonymen ist allerdings ein grenzüberschreitendes No go, wo man sich fragt, ob es völlig an Substanz fehlt, eventuell gewichtige Gründe für ein Pseudonym zu ignorieren und denjenigen öffentlich namentlich zu nennen.(…) Das Bild wird immer runder und der Wunsch, möglichst niemals seine Kreise zu kreuzen, immer eindeutiger.“

Mich und meine Heimatregion darf man natürlich persönlich veräppeln:

„Mir schien es ein Glücksfall zu sein, nicht zu wissen, wo Pfaffenhofen ist. Allerdings tanzte ich in Hamburg, Berlin, Bern und Thessaloniki - nicht, dass das irgendwo dazwischen liegt und ich versehentlich in einer Wohnzimmermilonga lande. Eine besorgniserregende Vorstellung.“

Auch meine Motive wusste der Herr schon trefflich zu deuten:

„Er findet's wohl witzig. Ist wie Papa ante portas. Vertreibt sich die Zeit in Pension mit dem Erwerb von Senf, palettenweise und dem Schreiben überflüssiger Blogs.“

Damit man mich nicht missversteht: Als Satiriker achte ich es durchaus, wenn ein werter Gegner mal eine pointierte Bemerkung, einen flotten Spruch heraushaut – selbst, wenn der nicht gerade aus der Oberliga-Abteilung stammt. Jeder fängt mal klein an, kein Problem!

Der Unterschied ist aber: Sind solche Bemerkungen Selbstzweck oder kommt da noch was? Bei mir schon, nämlich meist Blogartikel mit mehr als tausend Wörtern, in denen ich versuche, einen Sachzusammenhang darzustellen – oft nach langen Recherchen. Die eingestreuten Scherze sind dann der Zuckerguss, damit sich möglichst viele mit den Inhalten befassen, die manchmal bittere Pille schlucken.

Darum geht es Zeitgenossen wie „Joost Rot“ überhaupt nicht. Erst vor etwa einer Woche hat er auf meiner Facebook-Seite ein schönes Beispiel geliefert. Er schrieb zu meinem „Offenen Brief an Elijah Nur Filbustan“ auf meiner Facebook-Seite (rechtschreibkorrigiert):

„Das Herausreißen aus dem Zusammenhang, in dem es gepostet wurde, und das willkürliche Kürzen meiner Kommentare durch Sie, Herr Riedl, finde ich zum Kotzen. Ob es justiziabel ist oder nicht interessiert mich nicht.
Der jämmerliche Ruf nach dem großen Bruder/Anwalt/Gericht ist nicht mein Ding.
Ich sehe meine gekürzten und aus dem Zusammenhang gerissenen Kommentare in Ihrem Blog und sehe auch an dem von Ihnen dazu Geschriebenen, dass Sie weder Intention noch Inhalt verstanden haben.
Mich nervt das und es wäre mir sehr recht, sie unterließen dies.
Schreiben Sie doch Ihren Tango-Blog ohne meine Zitate. Ihnen wird doch hoffentlich selbst ausreichend zum Thema Tango einfallen.“

Na ja, das Futur finde ich hier schon komisch…

Es ist das übliche Schema: Attackiert wird die Form meiner Arbeit – natürlich sind meine Zitate wahlweise verkürzt, aus dem Zusammenhang gerissen, sinnentstellt sowie unerlaubt. Juristisch dagegen vorgehen möchte man aber lieber nicht. Natürlich, weil man dies „jämmerlich“ fände und nicht, da man ganz genau weiß: Man würde den Kürzeren ziehen, weil ich’s halt darf.

Und daher, lieber Herr „Rot“, werde ich es auch weiterhin tun. Bedauerlich, wenn es Ihnen nicht passt. Mir gefällt auch einiges nicht, aber die Welt ist kein Ponyhof. Wenn Sie nicht zitiert werden wollen, wäre es eine gute Idee, nicht ständig seine eindrucksvollen Ansichten öffentlich hinauszupusten. Dann hat nämlich jeder andere auch das Recht, Ihnen coram publico zu widersprechen!

Ich habe meinen Kritiker zweimal aufgefordert, seine Vorwürfe zu konkretisieren: Um welche Zitate geht es überhaupt und wo stehen die? Inwiefern habe ich dabei sinnentstellend gekürzt oder aus dem Zusammenhang gerissen? Und inwieweit habe ich Inhalt und Intention nicht verstanden?

Man kann sich in solchen Fällen fest darauf verlassen: Da kommt nichts (hier lediglich zwei „Lach-Emoticons“). Sobald man solche Herrschaften auf Inhalte anspricht, breitet sich peinliches Schweigen aus. Es reicht ja, wenn man mein Blog durch ein paar Sprüche in ein schiefes Licht rückt. Die Devise lautet: diffamieren statt argumentieren.

Natürlich hüllt sich die Administratorin der Facebook-Gruppe „KoKo Tango – Konstruktiv Kollegiale Tangogespräche!“ ebenfalls in Schweigen. Sie hat auf ihrer Seite eine Hetzkampagne gegen mein Blog inszeniert und mir wieder einmal den Ruf beschert, etwas Verbotenes zu tun. Das muss reichen.

Das „Geschmäckle“ dieses Treibens wird noch intensiver, wenn man nach dem authentischen Namen solcher Herrschaften forscht. Sowohl bei „Joost Rot“ als auch „Elijah Nur Filbustan“ handelt es sich ziemlich sicher um Pseudonyme: Ihre Facebook-Profile verraten überhaupt nichts Persönliches.

Bei Herrn „Rot“ zeigen mir die Suchmaschinen immerhin einen Bezug zum Tango in der Proitzer Mühle. Zwar bietet die Website unter der Rubrik „Über mich“ ein Foto und einen längeren Text, jedoch ohne Namensnennung. Ob die im Impressum genannte Person (Ijos Bietzker) mit meinem Kritiker identisch ist, kann ich nicht beweisen. Bezüge zum Queer-Tango lassen es jedoch vermuten. Seltsam nur, dass auch dieser Herr lediglich als Deckadresse die einer anderen Person angibt. Fragen über Fragen…

Als ich 2010 die erste Version meines Tangobuches herausbrachte, war ich völlig entgeistert über den Shitstorm, den es auslöste. Noch mehr, dass dieses Gepöbel weitgehend über Pseudonyme lief.

Bei der Veröffentlichung meines „Lehrer-Retters“ 2012 war ich auf noch Schlimmeres gefasst: Wenn Satire schon bei einem solch harmlosen Thema wie Tango zu solchen Exzessen führte, was mochte da erst ein heiß diskutiertes Sujet wie Bildung anrichten? Vorsichtshalber nannte ich mein Werk selber „bitterböse“ (war es wirklich – ich ging mit meinen Lehrerkollegen noch heftiger ins Gericht als mit den Tangolehrern).

Aber, o Wunder: Ich erhielt zwar viel Feedback, jedoch keine einzige negative Reaktion! Und: Fast alle Schreiber hatten einen richtigen Namen.

Wahrlich, Lehrer sind ideale Dulder: Die Schüler mögen sie nicht, die Eltern beschweren sich über sie, und ihr Chef macht ihnen die Hölle heiß. Da war wohl meine Kritik das Wenigste…

Wenn ich das im Rückblick vergleiche, habe ich nur eine einzige Erklärung:

Der argentinische Tango scheint inzwischen ein Rückzugsort für ein vernageltes, tendenziell reaktionäres Pack geworden zu sein. Gerade manche Männer sehen ihn als Enklave, wo sie ihrem Rechthaberstatus noch ungeniert frönen können. Kritik wird als Majestätsbeleidigung, Satire geradezu als Aufruhr betrachtet. Wer anderer Meinung ist, wird persönlich niedergemacht. Sachliche Argumente interessieren nicht.

Und wenn Lehrer dann noch im Tango zu ihrem Beruf stehen, kriegen sie zusätzlich die saudämliche Oberlehrer-Schelte übergezogen. Lecker!

Eine Ursache sehe ich durchaus. Manchen Naturen fällt halt die differenzierte intellektuelle Beleuchtung eines Themas schwer. Da man aber auch was gelten möchte, sucht man sein Heil in verbalen Grobheiten. Das macht doch Eindruck!

Ich halte das bequem aus. Es gruselt mich allerdings beim Gedanken an das persönliche Umfeld mancher Kritiker. Was mag man dort mit Menschen real zu ertragen haben, die ihre Aggressionen nicht im Griff haben? Gibt es daher beim Tango so viele Singles?

Damit wir uns auch hier nicht missverstehen: In der analogen Welt gibt es in unserem Tanz eine Vielzahl freundlicher, zugewandter, ja manchmal beeindruckender Menschen. Das Internet aber ist die Hölle. Und leider beeinflusst das Gezeter dort durchaus auch die Einstellungen in der Realität.

Ich habe aber in meinem Beruf gelernt: Es hilft nichts, sich mit der ganzen Klasse anzulegen. Man muss sich stets den größten Schreihals herausgreifen und ihm die Folterwerkzeuge zeigen.

Daher: Wenn Herr Joost Rot sich nun wieder falsch zitiert oder sonst wie unpässlich fühlen sollte: Eine Entgegnung per Kommentar hier steht ihm frei. Aber dann bitte unter realem Namen und ohne das branchenübliche Gedöns, gell?

Internet-Kommentator * www.tangofish.de


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