Auseinander zusetzen


„Nicht aufregen, auch alte Hasen sind manchmal total daneben...
Vermutlich ein Schüler aus Pörnbach, die Blicken das manchmal nicht.“
(„Tröt Trallatrööt“,Tango-DJ, in der zitierten FB-Gruppe)
(siehe Anmerkung unten)
selten dämliche Anspielung!“
(ein anderer Kommentator)

Den treffenden Ausdruck im obigen Titel fand ich in der Anfrage einer Tänzerin, welche diese jüngst an die Facebook-Gruppe „Tango München“ richtete:

„Die Rolle der Frau

Liebe Leute,
am Freitag den 3.1.20 im Suerte Loca fragte mich ein älterer Herr (ich saß, er stellte sich einfach vor mich hin), ob ich mit ihm tanzen wolle.
Ich sagte freundlichst: Nein, sorry.
Er fragte dann, ob ich hier tanze oder nur Musik höre.
Ich erwiderte darauf, dass ich schon tanze (er sah mich ja schließlich ein paar Tandas davor), aber ich es mir schon SELBST aussuche, mit WEM ich tanze!
Im Fortgehen murmelte er etwas wie ich sei arrogant?! Soweit ich das jedenfalls einigermaßen vernehmen konnte.
Nun, ich finde es wird Zeit, mal wieder über die Stellung der Frau zu sprechen. Leider!
Hierbei ist es auch von Vorteil, sich ein bisschen mit den Codigos

(https://www.google.com/…/mini-guia-para-entender-los-c…/amp/)
auseinander zusetzen (und da ich mir hab sagen lassen, dass dieser Herr ein ‚alter Hase‘ im Tango ist, müssten Sie ja am besten darüber Bescheid wissen, wie der Cabeceo funktioniert. Und ich hoffe sehr, Sie fühlen sich jetzt angesprochen).
Und selbst wenn es diese Codigos nicht gäbe, haben wir Frauen (wie natürlich auch die Männer) jedes Recht, sich selbstbestimmt den jeweiligen Tanzpartner auszusuchen. IMMER!
Und warum meinen Sie, ich wäre arrogant?! Ich kenne Sie nicht mal! Geschweige denn weiß ich, wie Sie tanzen. Dieses Verhalten war schlichtweg ‚Macho‘ und völlig unangebracht.
Und an die Frauen da draußen:
Bitte tanzt nicht mit solchen Macho-Männern und sagt immer nein, wenn ihr nicht wollt
!

Da die Fragerin ein Teilen ihrer Beschwerde ausdrücklich erlaubt, hoffe ich nun nicht, dass ich mit dem Zitieren so ein Geschiss erlebe wie neulich wieder bei den ehrenwerten Riedl-Haberfeldtreibern „KoKo-Tango“. Also:

Was hätte ich darauf geantwortet?

Öh ja, klar: Keine Frau muss mit jemandem tanzen – nein ist nein. Dann noch eine Debatte darüber beginnen zu wollen, ist wirklich so deppert, dass es nicht mal die Münchner verdienen.

Allerdings darf auch jeder Tänzer von einer Tanguera halten, was er möchte. Wenn er dann im Weggehen irgendwas von „arrogant“ murmelt, ist das sicher nicht charmant, aber durchaus noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und im Gegensatz zu der Fragerin fürchte ich, der Herr muss das nicht begründen.

Da ich nicht dabei war, möchte ich mich, im Gegensatz zu Kommentatoren in der Gruppe, eines konkreten Urteils enthalten. Allgemein nur so viel:

Es gibt sicher gute Gründe, im seltenen Einzelfall eine Tanzeinladung auszuschlagen. Wenn der Herr dafür bekannt ist, sich danebenzubenehmen, indem er rücksichtslos tanzt, Belehrungen erteilt oder gar übergriffig wird, sehe ich das ein. Im Normalfall meine ich aber: Man weiß halt nie, welche seelischen Verwüstungen man mit einer solchen Abfuhr anrichtet. Daher habe ich sie in zwanzig Tangojahren (auch von meiner Seite aus) fast immer vermeiden können. Aber im vorliegenden Fall weiß die Dame ja gar nicht, wie dieser Herr tanzt.

Glücklicherweise verfüge ich über ein sehr gutes „Zicken-Erkennungsprogramm“, das ich wöchentlich update und mich bislang fast immer vor solchen Situationen bewahrt hat. Zudem mache ich um gewisse Milongas einen weiten Bogen. Und ich warte bis heute darauf, dass ich mir mal bei einer verbalen Aufforderung die Replik abhole: „Ich lasse mich nur mit Cabeceo einladen.“ Bislang war es nie der Fall – sollte es jedoch einmal passieren, wäre ich dankbar für einen neuen Blogtext

Ich gestehe allerdings: Mein Eindruck, dass ich mir den Korb wohl von einer arroganten Kuh geholt hätte, würde schon durch meine Ganglien kreisen. Natürlich unterließe ich es, das auch nur leise zu sagen. Ich habe ja andere Möglichkeiten. Lustig finde ich es vor allem, dass die Dame den Tänzer nun persönlich via Facebook anspricht. Das wird bei ihm sicher einen tiefen Eindruck hinterlassen...

Schon gar nicht aber hat die Dame das Recht, die Mit-Frauen aufzurufen, mit solchen „Macho-Männern“ nicht mehr zu tanzen. Nein: Wie sie ja selber sagt, kann jede Frau SELBST aussuchen, mit WEM sie tanzt, gell?

Halten wir schon einmal fest: Frauen haben im Tango lediglich drei Probleme – entweder sie werden nicht aufgefordert oder vom Falschen oder in falscher Weise. Und die löst man am besten durch eine Veröffentlichung auf Facebook.  

Wie nicht anders zu erwarten, wurde aus dem konkreten Problem bei den Kommentatoren eine der beliebten lichtvolle Diskussionen über die Tango-Allzweckwaffe, den Cabeceo.  
  
Wieder einmal zeigt sich an der Meinungsvielfalt: Die Blinzel-Aufforderung ist die beste aller Methoden zur Tanzeinladung, wenn es die anderen nicht gäbe:

„Echt jetzt? Mich hast du schon lange nicht mehr angeschaut.“

„Mit Cabeceo aufgefordert zu werden, bleibt oft ein Traum. Denn wenn eine Bar vorhanden ist, verschwindet meist das männliche Geschlecht an einer solchen nach der Tanda, und das System Cabeceo zerbröselt.“

„Stimmt nicht. Grad dort klappt es gut...“
 
„Genau wie beim mündlichen Auffordern kann auch Mirada und Cabeceo unschön enden. Unbeabsichtigt passiert das beispielsweise häufig durch Sehschwäche, schiefen Blick, verzerrte Sicht durch Brillengläser, blendende Lichter oder mehrere Leute in der selben Blickrichtung. Manchmal kann eine Belästigung durch Mirada und Cabeceo sogar Absicht sein. Beispiele hierfür sind Cabeceo-Diebstahl, absichtliches Versperren der Sicht, absichtliche Positionierung in der Nähe der eigentlich gemeinten Person oder dauerhaftes Anstarren trotz wahrgenommener Ablehnung.“

„Manchmal sind das genau die Frauen, die sich beschwerrn, dass sie nicht genug zum Tanzen kommen.“

„Je aufdringlicher die Herren, desto eher verteile ich Körbe.“

Ja, manche Menschen leben erst auf, wenn sie anderen den Spaß verderben können! Wie lautet dann der Umkehrschluss? „Je weniger einer mit mir tanzen will, desto schärfer bin ich drauf"?

„Wenn Mann mit dem Cabeceo so lange wartet, bis die Cortina zu Ende ist, sind auf vielen Milonga die meisten Damen schon von schnellen Herren in Beschlag genommen. Schwierige Sache.“

Eine Tangoveranstalterin macht das sogar vom Vornamen der Tänzerin abhängig:

„Entschuldige …, aber zum Beispiel bin ich eine Dame, die nicht jede Tanja tanzen möchte, und dann plaudere ich gerne.

Und um noch dem oben zitierten DJ zu antworten, der sich selber sicherlich für wahnsinnig intelligent und witzig hält: Im Pörnbacher Tango habe ich solch verbissene Debatten ums Auffordern noch nie erlebt. Da gilt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.
 
Auch die eingangs verlinkten Códigos (in Spanisch, das wir ja alle sprechen) sind offenbar nicht das Gelbe vom Ei. Daher werden wir noch lange über die folgende Kritik in Anglo-Hispanisch rätseln, welche mir Google so übersetzt hat:

„Oh nein, diese Codes sind alle gefälscht, speziell Nummer 2,3,4 usw. Das Nicken beginnt nicht mit dem Blick des Mannes, es ist die FRAU, die sich anschaut, wen sie als erstes zum Tanzen auswählt, und dann die Person, wenn sie dich ansieht, wenn er mit dir tanzen will, aber es ist nicht so, dass der Führende dich anstarrt, das ist ziemlich unangenehm und dich so zu fragen ist auch respektlos.“

Gilt wirklich, wie ein Kommentator meint, Watzlawick's 1. Axiom der Kommunikationstheorie, nämlich:
„Man kann nicht nicht kommunizieren“?

Na, ja, im Münchner Tango kommt es darauf an:
Da kann man sich sowohl auseinander setzen als auch einander zusetzen.

Quelle:
https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen/permalink/10156844075376186/

(Anmerkung zum obigen Zitat: Ich habe es auf die Original-Schreibweise zurückgestuft, da Herr Trallatrööt sich nicht korrekt zitiert sieht. Er kann hier gerne per Kommentar erklären, warum er das Blicken" als Substantiv mit weiblichem Artikel verwendet und wie er dann den Satzbau sieht.)

Und auch deshalb noch ein wenig Fortbildung zur Kommunikationstheorie:

Kommentare

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