Es möchte doch nicht jeder mit jedem tanzen!
„Meine Erfahrung ist:
Es möchte nicht jeder mit jedem immer tanzen. So ist einfach die Realität, ob
ich sie akzeptiere oder nicht, wird daran nichts ändern. Und das gilt
ausnahmslos für alle Milongas, an denen ich bislang teilgenommen habe: von der
Dorf- über die Großstadtmilonga hin zu Neotango-Festivals,
Queertango-Veranstaltungen oder Marathons. Das ist einfach menschlich, auch
wenn es mir nicht immer gefällt und ggf. am eigenen Ego kratzt.
Verstärkt findet sich das Ganze dort, wo das technische Level stärker auseinanderdriftet und es weniger soziale Bindungen/Kontakte gibt (Großstadtmilonga/Marathon), weniger dort, wo open role getanzt wird (Queertango/open-role-Events) oder jeder jeden kennt und das technische Level ähnlich ist (Dorfmilonga).
Verstärkt findet sich das Ganze dort, wo das technische Level stärker auseinanderdriftet und es weniger soziale Bindungen/Kontakte gibt (Großstadtmilonga/Marathon), weniger dort, wo open role getanzt wird (Queertango/open-role-Events) oder jeder jeden kennt und das technische Level ähnlich ist (Dorfmilonga).
Mein Lösungsvorschlag
(zu der Ausgangsfrage: ‚Wieder sitzen geblieben auf der Milonga?‘):
1.
Such dir die Veranstaltungen,
die für dich passen.
2.
Akzeptiere, dass
nicht jeder gerne mit dir tanzen möchte.“
Derzeit
wird im Netz das Thema, wie „einladend“
Milongas sind oder sein könnten, heftig diskutiert, und das ist gut so.
Offenbar gibt es ein breites Unbehagen
über die Atmosphäre auf vielen
Tangoveranstaltungen, seit die Konservativen den Begriff „sozialer Tango“ gekapert und ins Gegenteil verkehrt haben.
Der
obige Kommentar zu einem
entsprechenden Artikel von Thomas Kröter
hat mich nachdenklich gemacht: Klar stimmt das allenthalben zu lesende Mantra: „Es
möchte nicht jeder mit jedem tanzen.“
Die
viel wichtigere Frage ist jedoch: Tut man es
– im Fall des Falles – dann trotzdem?
Ich
meine, dieses Problem reicht weit über den Tango hinaus: Können wir denn sonst
im Leben stets das verwirklichen, was wir „möchten“? Ich spreche dabei gar
nicht von der Einhaltung der Gesetze oder der Notwendigkeit, mit Arbeit unseren
Lebensunterhalt zu verdienen. Tango soll ja eine Freizeitbeschäftigung sein!
Dennoch:
Wie groß ist manchmal unsere Lust, beispielsweise ein Weihnachtsgeschenk für den Onkel zu besorgen, die Geburtstagsparty des Chefs oder
mal wieder die Oma zu besuchen, mit
seiner Gattin in ein Konzert mit eher ungeliebter Musik zu gehen oder gar den Müll
rauszutragen respektive die Spülmaschine
auszuräumen?
Natürlich
kann man dabei sein Leben nach der Devise
gestalten: „Wer zwingt mich eigentlich…?“
Logisch: niemand. Es ist nicht
verboten, im gesellschaftlichen Kontext als lupenreiner Egozentriker rüberzukommen, allerdings auch nicht, dann für einen
solchen gehalten zu werden – mit der Option einer großflächigen sozialen Meidung.
Im
konkreten Fall würde ich ebenfalls dazu raten, die eigenen Taschen nicht zur Deponierung von Lügen zu verwenden. Eine Abfuhr verkraftet niemand leicht - und schon gar nicht bei einer emotionalen Herausforderung wie dem Tango: Da
tanzt jemand auf einer Milonga mit mehreren Partnern – und gibt dann dem
nächsten Interessenten einen Korb (und auch erfolgloses Starren wird durchaus von anderen bemerkt).
Das Schlimme daran ist: Der Mensch neigt zu Vergleichen. In dem Fall erreicht den Betreffenden die eiskalte
Botschaft: Du stehst an letzter Stelle
der Charts. Mit allen anderen tanze ich lieber als mit dir! Und das wird
selbst dann so verstanden, wenn man irgendwas von „Müdigkeit“ oder „falscher
Musik“ brabbelt.
Es
scheint heute zunehmend das Bewusstsein verloren zu gehen, dass es Dinge gibt,
welche zwar legitim sind, die man
jedoch „einfach nicht macht“. Noch
konkreter: Wenn eine Anfängerin – gerade
in der heutigen Situation – ihren ganzen Mut zusammennimmt, aufsteht, zu mir
marschiert und mich um einen Tanz bittet, bekommt sie von mir stets die
Antwort: „Aber gern!“ Und zwar auch
dann, wenn sie tanzt wie Quasimodos Schwester. Wenn ich ihr dagegen eine Tanda
zu verweigerte und ihr signalisierte, sie könne sich nunmehr wieder trollen,
würde ich mich wie der letzte Depp
fühlen – und ich nehme mir die Freiheit, auch andere, welchen das offenbar
keine Probleme bereitet, dafür zu halten.
Selbstverständlich
entbindet einen das nicht von der Pflicht, genau
zu überlegen, wem man ein Tanzangebot
macht – und da darf man gerne Präferenzen
haben. Es stellt ein minderes Vergnügen dar, mit einer Tanguera übers Parkett
zu tappen, welche sich seit Jahren einer tänzerischen
Weiterentwicklung verweigert. Nur: Wenn die länger als eine Stunde sitzt,
versuche ich, es zu ändern. Warum? Weil sie das dennoch nicht verdient hat!
Eher
noch weiche ich Tänzerinnen aus, welche mit der Attitüde auftreten, sich zur „High Snobiety“ des Tango zu zählen –
aber bei diesen verhindern in der Regel schon schlaghosenbewehrte Schnösel eine Annäherung. Solche Damen
überlasse ich dann freiwillig ihrer selbstgewählten „Splendid Isolation“…
Und
ich schreibe es gerne noch hundert Mal: Wenn uns zur Lösung des Dilemmas der
berühmte „Cabeceo“ angedient wird,
kann ich nur sagen: Würde er so problemlos
funktionieren, würde über diese Schwierigkeiten nicht seit Jahren derart verbissen debattiert. Gerade jüngst
lese ich wieder Bekenntnisse, man habe sich auf Milongas und Marathons schon
stundenlang die Augen ausgeglotzt, ohne eine Tanzpartnerin (oder einen Tanzpartner) zu ergattern.
Persönlich
denke ich gar nicht daran, auf Milongas meine Bindehaut so lange zu
strapazieren, bis mir die Augen tränen. Wenn’s mit einem Blick mal klappt, ist
es gut – und wenn nicht, frage ich
einfach. Irgendwas scheine ich richtig
zu machen: Mein letzter Korb
liegt über fünf Jahre zurück, obwohl ich es auf einem Tanzabend meist schaffe,
eine neue, mir bislang unbekannte
Tänzerin aufzufordern. Und offenbar halten sich trotz meiner nötigenden
Vorgehensweise die seelischen Verwerfungen bei meinen Partnerinnen in engen
Grenzen (aber die können ja andernfalls eine #riedl.metoo Gruppe gründen).
Sollte
ich jemals bei einer direkten Ansprache von einer „Cabeceo only-Schnepfe“ eine Absage erhalten, hätte dies zwei Vorteile: einen neuen Blogartikel
sowie die Garantie, dass ich besagte Dame vor dem Jahr 2050 sicherlich nicht
mehr um einen Tanz bitten würde!
Insofern
hat der obige Kommentator natürlich Recht mit seinem Rat: „Such dir die Veranstaltungen,
die für dich passen.“
Mache
ich seit Jahren so!
Was
mich schon länger beschäftigt: Ich kenne beim Tango relativ wenige Paare, die es auch schon lange
im Leben sind. Unter denen gibt es
kaum welche, die beim Tango nach dem Prinzip agieren: „Bin ich denn verpflichtet…?“ Im Gegenteil finde ich da meist sehr
viel Empathie für andere Milongagäste, verbunden mit der grundsätzlichen
Bereitschaft, mit Fremden zu tanzen. Die Mehrzahl der Szenemitglieder hingegen
sind Singles – und bei so manchen
Einstellungen und Verhaltensweisen ahne ich auch, warum: Das, was über eine
kurzfristige Tangobeziehung hinausgeht, kannst du nur hinbekommen, wenn du
nicht ständig danach gehst, was du selber möchtest. Der andere ist nämlich auch
noch da…
Vielleicht ist es nicht allen bewusst: Die Tangoszene hat bei Außenstehenden oft einen miserbalen Ruf: arrogant, elitär, cliquenartig. Gefällt uns das?
Daher
kann ich Tom Opitz nur unterstützen, wenn er für Milongas ein „Triple A“-Qualitätsmerkmal anstrebt: „Aktives
Auffordern für alle erwünscht“!
"Oh nein, nicht der schon wieder" * www.tangofish.de |
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