Persönliche Erklärung zu einem Jubiläum
„... unser Freund
Peter Panter wohl seinen matten Tag gehabt haben mag. Das kann jedem passieren.
Aber an solchen Tagen dichtet man eben nicht.“
(Kurt Tucholsky: „Die
Zeit schreit nach Satire“)
Mein
Blogger-Kollege Thomas Kröter hat es
für nötig erachtet, des zehnjährigen
Jubiläums der „Plauderei über den
Tango Argentino“ in einem Artikel zu gedenken: „Glückwunsch! Seit 10 Jahren plaudert Cassiel“.
Nun
mag ich niemandem vorschreiben, was ihm wie zu gefallen hat – persönlich allerdings
halte ich das Verb „plaudern“ in diesem Zusammenhang für eine gnadenlose semantische Untertreibung.
Klar,
mir ist der ironische Tonfall des Beitrags nicht entgangen – dennoch möchte ich
in diesem Zusammenhang nicht den Hut zu ziehen oder gar einen „rechten
Tonfall“, für welchen Teil der „Tango-Community“ auch immer,
anerkennen.
Aber
gut, jeder Blogger sucht sich die Themen,
die ihn bewegen und von denen er sich hohe Zugriffsraten verspricht. Und artige Nettigkeiten sind sicherlich
auch dazu geeignet, den Leserkreis
in das Segment zu verschieben, wo Autor Kröter keine
bösen Ecken und Kanten vermutet.
Mir
geht es jedoch entschieden zu weit, wenn ich nun als anderes Extrem zum gefeierten Produkt des „Erzengels“ herhalten
muss: „Ich mag zum Geburtstag nicht in
das beliebte Genre Stilblüten klaubender Polemik verfallen. Dafür sind andere
zuständig. (Dein teuflischer Antipode Gerhard Riedl kann gar nicht genug davon
bekommen.)“ Es wäre der Wahrheit förderlich, einmal zur Kenntnis zu nehmen,
dass sich nur ein Bruchteil meiner
Texte auf Cassiel bezieht (seit Dezember 2018 genau 3 von 46 Beiträgen).
Genug
bekommen habe ich auf besagtem Blog vor allem von einem Bündel hetzerischer, ehrabschneidender und
sachlich unrichtiger Sprüche zu mir und meinen Tangobüchern, die der
Blogger bis heute unverändert stehen
lässt. Davon hätte ich wahrlich gerne weniger gehabt.
„Alle sind nett und
höflich zu einander“ wäre
eine tolle Satire, wenn es so gemeint wäre. Von mir ganz abgesehen herrschte auf dieser
Seite lange Zeit ein verbales Hauen und
Stechen, welches vor allem dann einsetzte, wenn ein „Abweichler“ es wagte, der „Parteilinie“
dieses einstigen Tango-Zentralorgans zu widersprechen: Gnadenlos wurden dann
Dissidenten von der Gefolgschaft des Bloggers niedergemacht. „Pöbeln lassen“ war die nicht unkluge
Devise. Mit „Engelsgeduld“ hat das rein gar nicht zu tun!
Als
ich 2013 selber mit dem Bloggen begann, war es daher mein fester Vorsatz, persönliche Ausfälligkeiten in den Kommentaren nicht zuzulassen – durch eine
ziemlich strenge Moderation und vor
allem den Zwang zur persönlichen
Identifizierung. Letztes Jahr geriet ich deswegen endgültig in den Fokus
diverser Trolle, was mich zwang,
Anmerkungen nur noch per E-Mail zu akzeptieren. Dass dies eine unbefangene Diskussionskultur nicht gerade fördert, war mir klar.
Aber ich habe den Preis gerne bezahlt – auch als Beitrag gegen das immer stärker
um sich greifende Cyber-Mobbing. Ein
Lob hierfür habe ich angesichts des Zeitgeistes
nicht erwartet – und selbstredend auch nicht erhalten.
Nein,
wer mich als Antipode zur „Tangoplauderei“
begreift, vermutet den Horizont in Reichweite eines Illustrierten-Journalismus: Meine Arbeit war stets auf eine Integration verschiedener Tangostile und Musikrichtungen angelegt. Klar fallen bei Satiren schon mal
Begriffe wie „Gedudel“ oder „Geschrammel“ – aber nirgends kann man
von mir lesen, ich hielte die Musik der EdO generell für minderwertig oder
nicht zum Tanzen geeignet. Ich besuche sehr viele Milongas mit traditioneller
Musik, und wenn diese gut ausgewählt ist, bleibe ich gerne auch länger.
Die
Plädoyers für Ausgrenzung kommen von
der anderen Seite: Nicht bei mir ist davon die Rede, man könne keine einzige
Tanda mit nicht genehmer Musik ertragen, fallen Begriffe wie „Piazzolla-Karaoke“ oder „Hupfdohlen-Tango“,
fabuliert man vom „gnadenlosen Entsorgen“
moderner Elemente. Und ich kann bequem damit leben, dass andere auf
derselben Veranstaltung mit Cabeceo
auffordern oder brav in der Ronda
tanzen – wenn man mich bitteschön auch machen lässt, was mir geeignet und andere
nicht behindernd erscheint.
Cassiel
hat in den letzten 10 Jahren nicht nur ganz wesentlich dazu beigetragen, den
Tango hierzulande in seiner Entwicklung mehr als ein halbes
Jahrhundert zurückzuwerfen – schlimmer noch: Er war der Protagonist dieser elenden Spalterei, welche unseren Tanz als
eine weitgehend gemeinsame Freizeitbeschäftigung
stark einschränkt. Dazu vermag ich nicht ernsthaft zu gratulieren.
Aber
ich muss mich nicht von Emotionen
leiten lassen, wenn die Tatsachen
genügen: Mit dem Aufstieg meines Blogs begann der Niedergang der „Tangoplauderei“.
(Im Januar 2019 gab es bei mir mit 19161 Zugriffen, also 618 pro Tag, einen
neuen Rekord.) Jeder darf frei entscheiden, ob er hier eine Kausalität sieht oder nicht.
„Das
muss Dir erst einmal jemand nachmachen“, schreibt Kröter an den Jublilar. Echt, muss man das?
Ich
verkenne nicht, dass man auf Cassiels Blog viel über den Tango lernen kann und
der Hausherr in der letzten Zeit nicht nur deutlich weniger, sondern auch differenzierter
und nachdenklicher schreibt.
Dennoch: Als Antipode zu dieser
Seite sehe ich mich und meine schriftstellerische Arbeit nicht.
Kollege Cassiel wurde nun von einem Kommentator auf meinen Artikel hingewiesen (was wohl überflüssig war). Die Antwort auf seinem Blog:
AntwortenLöschen"Ich denke, man sollte diese zehn Jahre nicht überbewerten. Früher oder später kommt jedes Blog an diesen Punkt. :-) Bei Thomas habe ich auch schon kommentiert, zum Artikel von Gerhard mag ich nicht schreiben – ein 'typischer Riedl', wie er seit Jahren veröffentlicht wird, nur leider nicht wahrer wird. Gerhard hat sich über Jahre in der Wagenburg seiner Vorurteile und seiner verzerrten Eigenwahrnehmung eingeigelt und eine Entwicklung ist leider nicht auszumachen. Schade."
Aha: "Wahr" kann man also auch steigern: "wahrer" und am "wahrsten"? Nö, wenn's stimmt, ist es halt wahr und kann daher nicht wahrer werden...