Deppen-Mimik versus Eichendorff
„Ihr
lebt mit völlig neuen Verben – und Schiller musste sterben!“
(Münchner
Lach- und Schießgesellschaft: „Der Moor ist uns noch was schuldig“)
Erst jüngst lieferte mir ein Leser einen
Kommentar, in dem er mich auf eine sprachliche Unrichtigkeit in einem
meiner Artikel hinwies (peinlicherweise sogar eine, welche ich bei einem
anderen Text moniert hatte). Tja, shit happens – ich hab’s natürlich sofort
ausgebessert.
Was mich dann doch tröstete: Mein Leser hatte
es auf 17 eigenen Zeilen geschafft, 13 sprachliche Verstöße zu generieren. *
Nichts Schlimmes zwar, aber doch ein Indiz mehr, welchen Wert man heute auf die
sprachliche Korrektheit von Aussagen
legt.
Was ich in diesem Zusammenhang nie verstehen
werde: Facebook beispielsweise hat
eine Korrekturfunktion: Wenn ich
also im Nachhinein feststelle, dass mir mein Smartphone mal wieder einen
Streich gespielt hat, könnte ich meinen Text problemlos verbessern. Den Beitrag
kennzeichnet anschließend das Signet „bearbeitet“.
Hieran kann man erkennen: Die Wenigsten tun es. Hauptsache, mal zwei oder drei
Sätze (im weitesten Sinne) hingerotzt – das war’s dann schon…
Aber immerhin ist an solchen Produktionen
wenigstens ein (wenn auch oft hilfloses) Bemühen erkennbar, Gedanken sprachlich umzusetzen. Aber es
geht heute ja noch einfacher, indem man Strichlein-Gesichter oder andere
grafische Erzeugnisse aus der Kleinkind-Mimik zum Ausdruck von Gefühlen
einsetzt. Ich habe dies schon in einem früheren Artikel heftig attackiert:
„Was mir noch mehr
auf den Zeiger geht, sind die allseits beliebten und daher inflationär
verwendeten Emoticons: Offenbar ist
sich die Mehrzahl der Schreiber (hier ein hartes Wort) völlig unsicher, ob die
werte Gemeinde den Witz auch als solchen erkannt hat. Also her mit dem Smiley – gerne auch gleich in
zehnfacher Aneinanderreihung!
Und dabei bleibt es
ja nicht: Auch für den Ausdruck anderer, mehr oder weniger edler Gefühle bietet
das Textprogramm die jeweils geeignet erscheinende, wahlweise zwinkernde,
errötende oder kotzende Deppen-Mimik fürs Fratzenbuch. Wie leicht hätten
es Eichendorff oder Mörike mit dem Ausdruck von Sentiment in ihren Gedichten
gehabt, wären die Emoticons schon greifbar gewesen! Aber nein, die Armen
mussten noch geeignete Worte hierfür finden…“
Und
die Auswahl wächst ins schier Unermessliche: Aus dem seitwärts liegenden Lachen,
das der Informatiker Scott E. Fahlman
1982 kreierte, entstand inzwischen eine Fülle postmoderner Höhlenmalereien,
welche auf einer Liste unter anderem wie folgt bezeichnet werden:
Smiley (Happyface)
Herzlichen
Glückwunsch zum Augen (Happyeyes)
Zwinkernde
herausgestreckter (Winktongueout)
Finden Sie unter
keine bösartige Affe (Seenoevil)
Sprechen Sie keine
bösartige Affe (Speaknoevil)
Bedrücktes Affe (Sadmonkey)
Bedrücktes Katze (Sadcat)
Mit Freude ohnmächtig
(Cwl) (Cwl) (Cryingwithlaughter) (Cryingwithlaughter)
Lediglich das Emoticon „Ich
könnt‘ bei Smileys kotzen“ habe ich noch nicht entdeckt…
Als ich neulich meiner Frau den obigen Blogtext mit dem
Eichendorff- und Mörike-Vergleich vorlas, meinte sie: „Man müsste mal versuchen, wie diese Dichter heute mit den Emoticons
gearbeitet hätten.“
Einige Zeit später hatte ich das Ergebnis in meinem Postfach:
Komm zum Garten denn, du Holde!
In den warmen, schönen Tagen
Sollst du Blumenkränze tragen,
Und vom kühl kristall'nen Golde
Mit den frischen, roten Lippen,
Eh' ich trinke, lächelnd nippen.
Ohne Maß dann, ohne Richter,
Küssend, trinkend singt der Dichter
Lieder, die von selbst entschweben:
Wunderschön ist doch das Leben!
Auf dem Smartphone sähe das Gedicht heute so aus:
Mein
herzlicher Dank gilt der großartigen Ehefrau, Lektorin und Germanistin Karin!
Und
um mit Altmeister Goethe zu
sprechen:
„Das
sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.“
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Emoticon
*Anmerkung:
Mein derzeitiger „persönlicher Haustroll“ hat nun moniert, ich wäre für die angesprochenen 13 Sprachverstöße in seinem Kommentar einen Nachweis schuldig geblieben. Seufz…
Mein derzeitiger „persönlicher Haustroll“ hat nun moniert, ich wäre für die angesprochenen 13 Sprachverstöße in seinem Kommentar einen Nachweis schuldig geblieben. Seufz…
Alsdann, der Text lautete im Original:
Lieber Gerhard,
unlängst hast Du einen Schreiber auf Cassiels Blog
aufgeklärt:
"Aha: "Wahr" kann man also auch steigern:
"wahrer" und am "wahrsten"? Nö, wenn's stimmt, ist es halt
wahr und kann daher nicht wahrer werden..."
Bist Du Dir da sicher, sicherer oder gar am sichersten?
Denn Du hast geschrieben: "Nun, welche Argumentation
hat „mehr Sex“? Ganz klar die erste – was sie leider nicht wahrer macht…"
Also was jetzt? Kann nun etwas wahrer sein, oder nicht?
Bitte um Aufklärung.
Liebe Grüße,
Helmuth
P.S. auch das kannst Du gerne veröffentlichen - wirst Du
aber nicht tun. Kann ich aus Deiner Sicht gut verstehen. Der Trollkübel ist
noch nicht voll genug.
Und noch ein Tipp für Dich: nicht immer auf andere
hinhauen - lieber erst einmal vor der eigenen Tür' kehren!
(Nimmt man die unübliche Schreibweise „Tür‘“ dazu, wären
es sogar 14. Aber gut, Rabatt…)
Ansonsten habe ich den Kommentar ja bereits dort
beantwortet:
http://milongafuehrer.blogspot.com/2017/07/sebastian-herrmann-starrkopfe-uberzeugen.html
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