Haue auf der Rammlerschau
In
der Sendung „Nuhr im Ersten“ erfuhr
ich neulich vom Kabarettisten Dieter Nuhr einen Begriff, welcher für Satiriker wahrlich ein Gottesgeschenk darstellt: „Bundes-Rammlerschau“.
Das
Schönste an ihm ist: Es gibt diese Veranstaltungen wirklich – und auf den
ersten Blick haben sie nicht einmal etwas mit Tango zu tun! Nein: Sie werden
jährlich vom „Zentralverband deutscher
Rasse-Kaninchenzüchter“ (ZDRK) ausgerichtet. Über Lokalschauen bei den
einzelnen Vereinen und dann Kreis-, Bezirks- und Landesschauen können sich
Züchter für diese bundesweite Konkurrenz qualifizieren.
Was
mich als Tangotänzer nicht wundert:
Es werden dort nur die männlichen Tiere
(eben „Rammler“ oder „Kaninchenböcke“) ausgestellt, nicht etwa die zugehörigen Damen (die man als „Häsin“ oder „Zibbe“
bezeichnet) – für mich als Biologen etwas rätselhaft. Wenn ich meinen Mendel
noch richtig im Kopf habe, tragen Letztere doch zur Hälfte (plus ein bissel mitochondriale DNA) zum Zuchterfolg bei. Aber die einen führen
halt, und die anderen folgen nur… Immerhin aber lässt man bei geschlossenen Tangoevents eine quotierte Frauenzahl zu!
Es
würde mich daher nicht wundern, wenn auch unter den Ausstellern der maskulinen
Langlöffel mehr zweibeinige Rammler denn
Häsinnen vertreten wären. So ließe sich ein Vorfall besser erklären, welcher sich bei der heurigen „Bundes-Rammlerschau“
in Halle/Saale zutrug – ein wahrhaft tangotypischer
Generationen-Konflikt:
Offenbar
gefielen einem 51-jährigen Züchter
aus Sachsen die vierbeinigen Produkte nicht, welche ein 33 Jahre alter Kollege aus Niedersachsen ausstellte. Was genau den
Stein des Anstoßes bildete, wird polizeilich noch ermittelt. Ich könnte mir gut
vorstellen, dass es irgendwie um „Karnickel-EdO“
ging: Auch in diesem Metier wird sicherlich gerne um „Reinrassigkeit“ gestritten. Vielleicht teilten die Männchen des
Jüngeren auch zu viele „Hinterlauf-Boleos“
aus – wer weiß?
Auf
jeden Fall, so berichtet die Presse, war man sich über die artgerechte Zucht uneins. Aus der verbalen Auseinandersetzung wurde eine körperliche: Der Ältere schubste den Jüngeren gegen einen Käfig,
worauf dieser zu Boden ging. Zwei Kollegen (33 bzw. 59 Jahre) wollten
schlichten, doch der Sachse ging auch auf sie los. Der ältere der beiden wurde
durch einen Faustschlag niedergestreckt und auch noch im Liegen getreten, so
dass er ins Krankenhaus musste.
Dem
Täter drohen nun neben einer strafrechtlichen
Verfolgung auch Verbandsstrafen.
Der Öffentlichkeits-Referent des ZDRK ließ vermelden:
„Leider hat es am
Samstag einen unschönen Vorfall (Schlägerei) mit einem verletzten Züchter
gegeben, der absolut nicht ins äußert positive Bild passt, das alle
Aussteller/-innen und Besucher von dieser Schau in Halle mitgenommen haben.
Trotzdem haben die Medien dieses negative Ereignis leider sofort aufgegriffen
und darüber berichtet. Selbstverständlich wird dieser Vorfall aufgearbeitet
werden und neben dem Strafverfahren, das nun gegen den Beschuldigten läuft, hat
auch der Landesverband Sachsen, in dem dieser Züchter organisiert ist, bereits
ein Verfahren eingeleitet. Von einer derartigen Tat distanzieren sich die
organisierten Rassekaninchenzüchter/-innen mit aller Deutlichkeit. Gewalt hat
keinen Platz in der Kaninchenzucht!“
Eben,
schließlich soll Rammeln doch Spaß machen – wobei ich natürlich den Zungenschlag
kenne: Muss denn die Presse über
sowas berichten? Aber immerhin fehlt der tangotypische Zusatz, den ich schon
öfters persönlich zu hören bekam: Das habe sich der Geschädigte selber zuzuschreiben – hätte er halt
nicht danebengezüchtet!
Auch
sonst haben Kaninchenzucht und Tangotanzen mehr gemeinsam, als man auf
den ersten Blick meinen sollte: Der erste Kaninchenzuchtverein
wurde bei uns 1880 gegründet, bundesweit frönen wohl um die 150000 (eher ältere) Menschen einem
Hobby, welches sie todernst nehmen, und Außenstehende finden das zwar süß, aber
auch etwas verrückt.
Was
mich endgültig auf dieses Thema brachte, war dann eine Information über die
heuer am meisten ausgestellte Rasse: den blauen
Wiener.
Das
erinnerte mich an eine fast ebenso heftige Kontroverse, welche ich vor gut drei
Jahren mit dem Wiener Tangolehrer und Veranstalter Thomas Mayr („SaTho-Tango“) zu bestehen hatte:
Nachdem
es schon vorher Kontroversen auf der inzwischen zu Recht untergegangenen Seite „tanzmitmir“ gab, missfiel dem Herrn
wohl ein Video von unserer „Wohnzimmer-Milonga“, auf dem auch ein
Tanz von Manuela Bößel und mir zu
sehen war. So fakte er kurzerhand ein Facebook-Profil und stieg als „Max Berger“ per Nachricht mit einer Blutgrätsche ein:
„…
der Tanz ist ein Albtraum! Der Tänzer hat überhaupt kein Gefühl für seinen
Körper und die Musik. Jegliche, für den Tango spezifische Verbindung zur
Partnerin fehlt. Es verursacht körperliche Schmerzen das Video zu betrachten.
Gewaltmäßig wird versucht tradierte Figuren aneinanderzureihen, was einen
erbärmlichen Eindruck macht. Als Autor eines Buches über den Tango Argentino,
versucht dieser Antitänzer anscheinend seine Defizite zu kompensieren und
gleichzeitig in höchst aggressiver Weise auf die Tangowelt einzuschlagen. Sein
Tanz wie sein Buch sind von gleicher Primitivität gezeichnet. Seine Welt hat
rein gar nichts mit der Feinsinnigkeit des Tangos zu tun.“
Auf Karnickeldeutsch: Wir tanzten wohl nicht „reinrassig" genug.
Ehrlich gesagt war ich damals ganz froh, nicht zu
einer Rammlerschau oder einem anderen Encuentro in der österreichischen
Hauptstadt zu weilen. Möglicherweise hätte mich da – neben der verbalen
Aggression – auch noch ein verbotener Zentralboleo am Jochbein getroffen…
Immerhin hatte ich nun aber einen Titel für meinen
Bericht: „Von der Feinsinnigkeit traditioneller Tangovertreter“ erreichte bis heute 957 Zugriffe und war damit lange Zeit Spitzenreiter meiner
Artikel-Charts.
Und wie man an den 28 Kommentaren sieht, rüstete
Herr Mayr denn doch noch verbal ab,
nachdem er bemerkt hatte, dass sein Gepoltere mich nicht beeindruckte.
Daher rate ich allen „Tango-Rammlern“: Seid froh, dass man euch nicht in Käfige sperrt, zur
Züchtung mit einer bestimmten Dame zwangsverheiratet oder gar für den Teller
bestimmt!
Abschließend noch ein Video, welches das „Soziotop Kaninchenausstellung“
trefflich beschreibt. Für mich hat es schon etwas vom „Tango-Varein“…
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