Zehn Gründe, warum Tangueros nicht tanzen sollten
Wer seit Jahren die virtuellen Debatten im Tango verfolgt, kommt zum
Schluss: Man kann bei diesem Tanz vor allem viel falsch machen. Eine Unmenge von Regeln („Códigos“) limitieren das Verhalten auf den Milongas: vom genderkonformen
Sitzplatz über erlaubte Laufwege zum orthodoxen Erwerb eines
Getränks, jahrelang zu erlernenden Blickkontakten,
die Sabbelpause zu Beginn eines
Stückes mit anschließendem Sprechverbot
während des Tanzes bis hin zu horizontalen und vertikalen Bewegungseinschränkungen sowie Figurenverboten
und der ordnungsgemäßen Rückverfrachtung
des weiblichen Tanzgutes an den Abholort. Und natürlich dem „falschen Geschlecht" bei der Anmeldung. Von „verbotener Musik" (zirka 90 Prozent des Tangoschaffens) ganz zu schweigen!
Daher
kann ich jedem Anfänger nur raten,
auf Milongas möglichst einen Bogen um das Parkett zu machen. Aber auch Fortgeschrittene sollten wissen: Es
gibt viele gute Gründe, lieber nicht zu tanzen. Die wichtigsten zehn habe ich einmal
zusammengestellt:
1. Die Tanguera tanzt weit unterhalb Ihres Niveaus.
Da
Ihr Genussfaktor sich dabei im
einstelligen Bereich bewegen dürfte, rate ich zu äußerster Vorsicht! Ob
die Dame etwas davon hätte, ist irrelevant. Sie sind schließlich wegen des eigenen Spaßes da und nicht, um für das
Vergnügen anderer zu sorgen. Für Zuseher würde der Eindruck entstehen, Sie
könnten nicht führen – nur, weil sie
mit einem „Nullchecker-Bunny“ unterwegs sind. Und vor allem: Sie hätten es
offenbar nötig, sich in solche Untiefen zu begeben – in der Szene eine maximale
Rufschädigung!
2. Die Tanguera tanzt auf vergleichbarem Niveau wie Sie.
Da
Sie ja Ihren eigenen Tanzstil kennen: Oh Gott, das kann ja nur langweilig werden! Womöglich hatten Sie
auch noch denselben Tangolehrer (den gleichen sowieso). Da fehlen doch
eindeutig Herausforderung und Abenteurer!
3. Die Tanguera tanzt wesentlich besser als Sie.
Bei
wem da nicht alle Alarmglocken schrillen, der ist selber schuld! Dann stehen
Sie da wie der letzte Dödel, während
die Dame Sie mit einem Wust an eleganten Verzierungen
niedersemmelt. Solche Frauen neigen ferner dazu, nicht genau das zu tanzen, was
Sie führen, also „nicht zum Derreiten“ sind, wie dies einer Ihrer Kollegen
einmal auf einem Tangoforum beschrieb. Womöglich holen Sie sich bei ihr eh
einen (Cabeceo-)Korb oder arrogante Belehrungen. Ein besseres Rezept, in
der Szene zum Paria zu mutieren,
fällt mir nicht ein!
4. Sie kennen das Tanzniveau der Tanguera nicht.
Dann
gleicht Ihre Aufforderung einem russischen Roulette mit fünf Patronen in der Trommel!
Sie müssten sich ja blitzschnell auf die Fähigkeiten
Ihrer Partnerin einstellen – aber erstens ist das eh nicht Ihre Stärke, und
zweitens könnte es in Arbeit ausarten.
Sie sind aber doch zum Kuscheln
gekommen und nicht, um sich auf dem Parkett mit nicht-erotischen Kommunikationsformen zu befassen. Warten Sie ab,
bis irgendein anderer Depp die Tante auffordert – und machen Sie anschließend
bei den Nummern 1-3 weiter!
5. Sie kennen die Tanguera überhaupt nicht.
Wollen
Sie wirklich mit einem wildfremden Weib
auf Tuchfühlung gehen? Wo sonst im Leben
gibt es das (außer in gewissen Etablissements, die mit Tango nicht das
Geringste zu tun haben)? Glauben Sie mir: Es
schickt sich einfach nicht! Ich rate Ihnen, solche Frauen während ihrer
ersten zehn Besuche Ihrer Stamm-Milonga schlicht zu ignorieren. Ab dem elften Mal können Sie ja einen Smalltalk versuchen und ab der
zwanzigsten Begegnung eventuell eine Aufforderung
erwägen. Gut Ding will Weile haben! Außerdem sind ja die drei Tänzerinnen da,
mit welchen Sie seit Jahren an jedem Freitagabend aufs Parkett gehen. Das
reicht doch, oder?
6. Sie kennen die Tanguera (leider) nur zu gut.
Vor
einem halben Jahr oder länger schon hatte sich die Dame Ihrer Aufforderung als
unwürdig erwiesen, da sie Ihre Führung nicht verstanden hat oder gar zu
selbstständigen Extravaganzen neigte. Das brauchen Sie in diesem Leben nicht
nochmal! Und anders als in der Justiz können im Tango zeitliche Strafen bis zu
zwei Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt werden! Vor allem aber bringt hier Ihre Lieblingsnummer nichts: „Sugardaddy erklärt Mäuschen den Tango".
7. Die Tanguera ist für die gerade gebotene Musik
ungeeignet.
Diese
Einstellung fördert Ihren Ruf in der Szene, da sie von absoluter Kennerschaft zeugt. Selbstverständlich
sind Ihnen die filigranen Unterschiede
zwischen Valses von Donato und Lomuto geläufig oder der tiefe musikalische Graben, welcher sich
zwischen D’Arienzo-Tangos von 1946
und 1954 auftut. Eine Troilo/Fiorentino-Schnecke
ist selbstredend außerstande, eine Di
Sarli/Rufino-Tanda artgerecht zu interpretieren und somit Ihren hohen
Ansprüchen zu genügen.
8. Die Tanda ist schon zu weit fortgeschritten.
Glücklicherweise
zerhäckseln traditionelle DJs ja die Musik in Tandas und Cortinas.
Somit haben Sie nur zirka jede
Viertelstunde Gelegenheit, innerhalb von etwa einer Minute aufzufordern. Wenn da nichts geht, können Sie sich wieder
beruhigt zurücklehnen, ohne tanzen zu müssen. Es wäre ein unverzeihlicher Verstoß gegen die Tangoriten, sich nicht darum zu scheren und einfach irgendwann
aufzufordern – und anschließend gar die Cortina zu ignorieren und weiter zu
tanzen. Glauben Sie mir: Das wird in Ihrer Umgebung registriert. Wer zu lang
tanzt, den bestraft das Tangoleben…
9. Die Tanguera bemerkt Ihre Mirada nicht.
Vielleicht
ist sie ja neu beim Tango, sieht (trotz Brille) nicht gut genug
oder schert sich nicht um die Blickelei, da sie das Verfahren für Blödsinn hält? Sorry, da habe ich ganz schlechte Nachrichten für Sie: Sie
müssen halt weiter glotzen, bis
Ihnen die Augen tränen. Gar niemals dürfen Sie eine andersartige Annäherung
versuchen, weil sie das in Weinstein-Nähe
bringen würde. Seit Urzeiten sind bekanntlich nötigende Machos im Tango ein absolutes No-Go. Und, fast überflüssig
zu betonen: Keinesfalls darf sich eine Dame anders als durch Blicke einem Herrn
nähern! Aufdringliche Weiber haben
in unserem Tanz nichts verloren – daher ist hier ein Korb die einzig mögliche Antwort! Wenn sowas einreißt, werden die Emanzen auf den Milongas irgendwann
noch zur Verbrennung von BHs schreiten…
10. Die Tanguera
zeigt äußerlich, dass sie die Tango-Gepflogenheiten nicht achtet.
Die
Milongas sind eines der letzten Refugien, wo der Mann noch Mann sein darf! Und unter Kerlen ist es doch
unumstritten, wie wir uns eine attraktive
Frau vorstellen – aber das können wir unmöglich beschreiben, ohne unsere
Hände zu verwenden. Daher nur so viel: Seit alters her haben die Männer die Hosen an und die Frauen Röcke. Ebenso sind Cargo-Jeans, Sneakers, verwaschene T-Shirts oder ungefärbte Haare (so noch vorhanden)
eindeutig dem starken Geschlecht vorbehalten. Wir sind schließlich nicht im
VHS-Frauenworkshop „Kreatives Tanzen“!
Eine Tanguera, welche sich ersichtlich nicht um einen hohen „Schnuckeligkeits-Faktor“ bemüht, zeigt
einen mangelnden Respekt vor den Tangotraditionen,
welche auf raschelnden Röckelein,
tiefen Ausschnitten und Highheels in Fetischisten-Höhe
basieren. Schließlich stammt der Tango aus den…, na, Sie wissen schon. Und
lassen Sie die typische Feministinnen-Ausrede
nicht gelten: „Ich will doch nur tanzen.“
Kann ja sein – Sie aber nicht!
Fazit:
Sollten
Sie nun in Sorge sein, wie viele Tänze Ihnen nach Beachtung obiger Regeln noch
bleiben: Es gibt zahllose Äußerungen von Tango-VIPs, die wahre Kennerschaft
zeige sich vor allem darin, nur dann zu tanzen, wenn wirklich aber auch alles
passt. Nur „Takthopser“ zieht es unter allen Umständen aufs Parkett.
Merke:
Heldenhösle * Grafik: www.tangofish.de |
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