Levent und Levent lassen
Dem Münchner Tango ist nunmehr
das längst Verdiente zugestoßen. Er hat jetzt ein Online-Szene-Magazin: „Tango-Paparazzi“.
Eigentlich müsste man allerdings die Einzahl, also „Paparazzo“ verwenden, denn
hinter all dem steckt der gelernte Physiotherapeut Levent Göksu: http://www.spontilonga.com
Schon seit geraumer Zeit fiel
er mir durch herrlich verrückte Ankündigungen seiner selbst veranstalteten „Spontilongas“ bei www.tangomuenchen.de auf. Aktuell
scheint er sich darauf verlegt zu haben, als rasender Bild- und Textreporter
über die Tangoveranstaltungen seiner Heimatstadt zu berichten: „Sehr gerne komme ich bewaffnet mit Block,
Stift und Kamera um dein Event zu dokumentieren und darüber zu berichten.“
Sein Blick ist dabei stets auf
das Positive gerichtet: „Mir viel
natürlich auch vieles auf woran ich Kritik üben könnte, aber da ich für jeden
Bericht wie er letztendlich veröffentlicht wird 2 - 4 Stunden Arbeit am Pc
benötige, und jeder selbst gut kritisieren kann, habe ich für so
Kleinlichkeiten wie gesagt keine Zeit. Es wartet schliesslich sehnlichst das
Tango Leben auf mich.“ Umgekehrt wohl auch… Man möge jedoch nett zu ihm
sein: „Natürlich freue ich mich als
Gegenleistung über Einladungen zu Euren Events, Getränke, Spenden oder
Eintragungen in den Gästelisten der Veranstaltungen. Wenn nicht möglich, macht
mich das aber auch nicht traurig.“
Ganz eindeutig ist er ein
Sunnyboy: „Was soll man sagen, das Leben
ist Schön, und nur der Gedanke an eine Grenze limitiert das ganze :-)“
Die hatte er offenbar neulich
fast erreicht, als er über Theresa Faus sowie ihren Ronda-Zirkus im „Giesinger
Bahnhof“ berichten wollte und diese ihm sofort die Erlaubnis inklusive
ihres Verständnisses von Medienfreiheit übersandte: „Ach ja, ich fragte Theresa per email ob ich über Ihre Veranstaltung
berichten darf, und sie antwortete: ‚Bisher hast du ja nur positives
geschrieben, Du bist auf der Gästeliste.‘“
Nur, falls jemand die Dame
nicht kennen sollte: „Theresa Faus selbst
in der TangoDJ Szene auch international bekannt und Veranstalterin von
Giesinger Bahnhof (von ... respektvoll Tango Yoda genannt – für alle die
nicht Krieg der Sterne gesehen haben, Yoda ist einer der weisesten
Ober-Yedi-Krieger).“
Im schließlich veröffentlichten
Report stieß unserem Freund Thomas Kröter
(auf FB) dann allerdings der folgende Passus auf, welchen er als „kruden Sexismus“ einordnet: „Die Damen sitzen mit überschlagenen Beinen
sich für die Herren präsentierend auf einem Podest." Solche
milongatypischen Szenen gemahnten den nicht "Oberfeminist" sein Wollenden an „eine mischung aus buergerlicher tanzstunde
der 60er jahre (…) und amsterdamer schaufensterbordell“.
Die Veranstalterin dagegen
möchte ihren Luke Skywalker nicht
allzu sehr gegeißelt sehen: „Man muss dem
Autor zugutehalten, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist… du wirst
verstehen, dass ich bei meinen Veranstaltungen natürlich jede Pressestimme zur
Kenntnis nehme und auch dem Publikum bekannt mache. Der Sexismus ist so krude,
dass ich, und etliche andere offenbar auch, ihn entspannt nehme.“
Presse? Na ja, im weitesten Sinne... Da kommt bei mir schon ein
bisschen Neid auf: Wie hätten sie und ihr Anhang reagiert, wenn ich damals nicht ihre „Blinzel-Workshops“ veralbert, sondern
sexistische Sprüche gerissen hätte? Vielleicht sollte ich mir ein Motto unseres
Partyreporters zu Herzen nehmen: „unauffällig
auffalen? kein problem.“
Das Aufreger-Zitat sehe ich
allerdings ebenfalls gelassen. Schließlich stammt der Begriff „Paparazzo“ aus Fellinis Film „La dolce vita“,
in dem Frauen ja auch eine nicht gerade erotikfreie Rolle spielen. Der legitime
Nachfolger von Michael Graeter ist
halt ein Genießer: „oder war das vielmehr
die reizendsten und bezauberndsten süsseste Hässchen das durch die Milonga
hoppelte die Bardame die mich verwirrte...“
In erster Linie bestechen seine
Reportagen jedoch durch profunde Tangokenntnisse:
„Frei nach dem Grundsatz dass die Tangos eines DJs
nur so gut wie seine Cortinas sein können…“ (…) „Was im Hafenspilunken begann
arbeitete sich kurze Zeit später durch viele Gesellschaftsschichten hoch zu wohlbetuchten
Gesellschaften und lockte dementsprechendem Musiker sowie Tänzer zu
Höchstleistungen. In den ersten Jahren waren mit Facettenreicher Klassische
Musik grosser Orchester der 20er 30er 40er 50er Berühmt geworden sowie auch
Bedeutende Tanzlehrer dessen Tanzstil die Szene
formte. Heute sind diese alle tot.“
Wahrlich, hätten Erkan und Stefan Tango getanzt, ihre
Ausdrucksweise wäre dem nahegekommen! Levent
Göksus „Tangosprech“ beeindruckt durch geniale Holperer und eine
Metaphorik, welche kurz vor der Fertigstellung meist krachend in sich
zusammenstürzt. Dabei gelingen ihm geradezu vernichtende Lobpreisungen, welche
mich bei der Recherche an den Rand eines Zwerchfellrisses brachten. Und das
Schönste: Im Gegensatz zu Kevin Seidel
ist hier wohl das meiste unbeabsichtigt. Einige Kostproben:
„Der Beginn der Woche ist auch gleichzeitig das
Ende.“
„Hat sich doch das Urgestein der Münchner Tangoszene
(…) eine der geilsten Tanzlocations geschnappt, frag mich nicht wo er seine
Kristallkugel versteckt hat, die Ihm diese Geheimtipps verrät aber es scheint
übersinnlich zu sein, wie er es immer wieder schafft aus sich herauszuwachsen.“
„DJ (…) uns Münchner seitJahren mit Ihrer
Anwesenheit und Tandrang beflügelt hat unfehlbare traditionelle Musik
aufgelegt, jeder fühlte sich reich und besonders.“
„Juhuu Ostern (für alle die genausowenig über
Feiertage in Deutsland wissen wollen wie ich) 27./28. März ist gerettet wir
brauchen keine Eier legen. Sonder können uns ausgellasen innig auf dem Gelände
des (…) begnügen. (…) Um eine so grosse Milonga voll zu bekommen müssen
natürlich viele Anwesend sein. Wer war nicht alles da... wer nicht da war kanns
nicht wissenund ich behalt es einfach für mich. Eins kann ich sagen, es waren
die üblichen verdächtigen + 50 %... viele bekannte und unbekannte, DJ´s,
eingesessene Veranstalter, Schönheiten von Nah und Fern und Kerle gross und
klein. Man merkte dass ein paar Damen die Gelegenheiten der letzten Zeit
(Frühjahrskollektion der Einzelhändler und anderer Modeanbieter) nutzen um sich
mit Sommermode einzukleiden. Das Tänzerische Niveau war zum Stabhochsprung
geeignet. (…) Zu Recht Stolz endete leider der Sonntag abend um 12.00 Uhr.“
„Schon schnuppert man die Tangoluft die durch grosse
Ventilatoren nach obengeweht wird die nicht nur den leicht anrüchen
Geruch nach oben trasportiert wohl auch angenehme Traditional Tango Klänge und
schöneTänze erwarte lässt. Sitl gemäss ist der Empfangsraum mit Gramophon und
mehreren TangoTypischen accesoires ausgestattet. (…) Es fehlt an nichts,
Couchen,Theke für die Wartenden Männer, Stühle für die Frauen, Umkleidekabine
hinten rechts Flügel hinten links, Toiletten weit auseinander.“
„So wie die Sonne an diesem Abend im riesigen
ehrfurchtegebietenden Veranstaltungsforum (…) scheinte, sind alle mit 4 nuancen
bräuner nach Hause gegangen.“
Das Lob eines Showtanzpaars
fällt wie folgt aus: „In München
genauergesagt bei (…) ersparten sie ihren zusehern und Fans nichts.“
Geradezu abgründig äußert er
sich über eine DJane und Tangoveranstalterin: „Sie hat einfach eine ultrastrahlende Seele die aus Ihren Augen heraus
wirkt, wie auch die Inkamaske an der Wand. (…) …schafft es mit Ihrer
Ausstrahlung jeden vomWochenende ermüdeten (einschl. ihren eigenen) Knorpel zu
beleben.“
Dabei sind ihm auch übliche
Gestaltungskonzepte nicht entgangen: „Für
manche mag es vielleicht ein Klax sein … Raum mieten, Dj hinstellen ein paar
Stühle rund um hinstellen und fertig ist die Milonga …“
Zeittypisch lockt der „Spontilonga“-Betreiber sein Publikum
auch mit Gewinnspielen:
„Quizfrage: Wovor haben wir Menschen am allermeisten
Angst?
Vor ihrer Unzulänglichkeit?
Vor ihrerer Kleinlichkeit?
Vor ihrer Vollkommenheit?
Vor ihrer Unheimlichkeit?
Dem Gewinner winkt eine gratis Einzelstunde
Tanzunterricht mit Partner/in seiner Wahl in LOT Liquid Organic Tango im Wert
von 129 Euro zu:-)“
Weiterhin ist eine
Vereinsgründung zu erwarten:
„Verein zur Förderung des frei improvisierten Tanzes
insbesondere Tango
‘Mei Tango’ e.V. (i.G.)
bald mehr infos...“
Da zum Tango auch die
Lebenshilfe gehört, verfügt unser Tausendsassa als „Tango Physio“ selbstredend über einen umfangreichen Fundus
entsprechender Techniken:
„Dies geschieht durch einfachste Methoden aus dem
uns bekanntem Sprotlichem Angebot. Meine Kenntnis und Erfahrungen in Pilates,
Meditation, Leichtathlethik, Kinesiologie, Atemtherapie, Schamanismus :-),
Tantra, Tai Chi, Qui Gong, Meditation, Tanz, Leistungssport, Fitnessport“
Auch Hausbesuche sind hierbei
kein Problem; als deren Vorteile führt er u.a. auf:
- „keine Wartezeiten
im Verkehr
- ich
habe alles nötige dabei“
Mit einem „Selbstzahlerpreis pro Stunde“ von 96 € zzgl. MWSt langt er zwar
ganz ordentlich hin, aber von irgendwas muss man ja leben – und ich vermute:
Vom Schreiben wird es nicht sein!
Insofern kann man seinem Motto
nur zustimmen: „Wir nutzen laut unseren
Wissenschaftlern einen Grossteil unsers Gehirns nicht lass es uns ändern....“
Mir hat das Ganze nicht nur
gefallen, sondern riesigen Spaß bereitet. Die Seite ist hinsichtlich Fotos, Layout und Text stimmig. „Leben und leben lassen“ ist hier das
passende Motto. Ich finde dieses funkelnde Irrlicht am Münchner Tangohimmel
herrlich. Die Botschaft, nicht alles beim Tango bierernst zu nehmen und es im
Zweifel „gaaanz toll“ zu finden, stellt doch für die gepeinigte Szene einen
wohltuenden Ausgleich zu „Gerhards Tango-Report“ dar!
Und so verneige selbst ich mich
vor der Erkenntnis des Protagonisten eines grenzenlosen Optimismus: „Jeder hat seinen Platz in der Welt
verdient.“
Lieber Gerhard
AntwortenLöschenWir beide irren uns gewaltig: schon im Matriarchat und in den matrilinearen Gesellschaften hatten die Männer das Sagen in der Dorf-Milonga. Da ist es doch ganz folgerichtig und natürlich, daß das erst recht im Patriarchat noch viel intensiver gelebt wird und auch auf die unterworfene Spezies Frau ausgedehnt wird. Vielleicht auch als Revanche für die Jahrhunderttausende davor. Da wäre mit den läppischen 5000 Jahren Patriarchat praktisch noch fast gar nichts ausgeglichen.
Und dann wollen wir beide diese so zu recht bestehende Dominanz der Führenden Führer abschaffen ? Ich stehe kurz davor, ehrlich zu bereuen.......
Also keine Angst, Männer !
Veröffentlicht am März 7, 2016 von geotraunkirchen
“Die Hopi sind in der voreuropäischen Zeit Nordamerikas ohne Staat ausgekommen. Sie waren sesshaft und pflegten eine relativ friedliche Lebensform, bei der die Frauen den Grund und Boden besaßen und die wirtschaftliche und rechtliche Kontrolle innehatten”, charakterisiert der Ethnologe und Wittgenstein-Preisträger das indigene Volk. Gab es einen Streitfall in der Siedlung, besprachen das die erwachsenen, verheirateten Frauen in einer Versammlung – auch jene, die noch keine Kinder hatten. Die Hopi waren eine der wenigen derartigen Gesellschaften, wo es in Ordnung war, kinderlos zu bleiben.
Die Männer blieben bei diesen Versammlungen im Hintergrund. Dieses Verhältnis kehrte sich allerdings bei Fragen der Religion, Riten oder Zeremonien um: “Sobald es darum ging, wer beim Dorffest welche Verkleidung trägt, welches Lied singt und welchen Kampf tanzt, hatten die Männer das Sagen.” (derstandard.at/2000032305151/Leben-abseits-des-Patriarchats)
Also keine Angst, Männer, auch bei einem Wechsel zu einer matrilinearen oder matriarchalen Gesellschaft bleiben die wirklich wichtigen Fragen und Entscheidungen in unserer Hand!
Herzliche Grüße
Peter
Peter Baumgartner, 00436763253801
Lieber Peter,
AntwortenLöschenso halten wir es auch bei unserer Dorfmilonga: Die beteiligten Damen sagen mir, an welchem Termin sie Zeit haben, und ich backe dann den Kuchen, lege auf und darf selber bestimmen, was ich zum Tango anziehe!
Herzliche Grüße
Gerhard
Wie sagst Du doch so häufig: die Satire kann die Realität häufig kaum einholen, oder so ähnlich.
AntwortenLöschenHerzlich, Peter
Ganz genau - und dies gilt ja auch für das eigene Verhalten!
LöschenUnser Paparazzo macht fröhlich weiter! Nun lädt er zu einer "proletarischen Milonga" ein und verbindet diese geschickt mit der "Kündigung" eines Lohnabhängigen:
AntwortenLöschen„Ich freue mich auf euch. Beim letzten Termin war leider etwas schiefgegengen und der Eigentümer hatte aus ‚versehen‘ den Abend an jemand anderen vergeben. Naja, ich habe die Gelegenheit genutzt um mir 1. Bessere Bedingungen rauszuhandeln und zwar konnte ich den Mietpreis senken Har Har und der entscheidende Faktor für mich ganz wichtig, ich darf die Bar selber machen. Also kein Miesmacher-Gesicht mehr hinter der Bar (…) Die Bar ist von mir selbst organisiert. der alte Kellner wurde gefeuert :-)“
Na, da kommt doch Freude auf!
Lieber Gerhard,
AntwortenLöschendanke für diesen Link! Levent ist wirklich eine Entdeckung. Schade, dass wir so weit weg von München (und natürlich von Pörnbach!) wohnen.
Du schreibst:"Und das Schönste: Im Gegensatz zu Kevin Seidel ist hier wohl das meiste unbeabsichtigt." Da bin ich mir nicht so sicher. Der Levent hat diesen Humor bestimmt mit Absicht. Zum Thema Cabeceo auf der Milonga von Therese Faus schreibt er z.B. "Das schafft ein quirliges gucken und checken und so weiter während der Cortina". Das ist einfach genial!
Viele Grüße
Annette
Das stimmt schon. Ein Restzweifel hat mich da auch beschäftigt.
LöschenDer Levent ist sicherlich ein schlauer Bursche, und er weiß, dass man der Tangoszene stets etwas Neues bieten muss - und wenn es der größte Trash ist.
Ich bin gespannt, wann er sich in München die ersten Feindseligkeiten abholt. Selbst dort wird man früher oder später das Abgründige an seinen Lobpreisungen entdecken!