Wie arrogant ist die Tangoszene?
Ich schätze den Berliner Tangolehrer Rafael Busch durchaus – erst vor einiger Zeit habe ich ihn für seine unkonventionellen Ansichten gelobt:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/die-etwas-anderen-lehrer.html
Auf Facebook ist er mit seiner Partnerin Susanne Opitz fast täglich präsent – in den kurzen Videos werden häufig Schritte verkauft. Na gut, wie der Unterricht wirklich läuft, weiß ich nicht. Hoffentlich behandeln die beiden da auch andere Themen.
Aktuell gibt es ein kurzes Video von ihm, wo er sich zu einem anderen Bereich äußert, den viele seiner Kolleginnen und Kollegen lieber meiden: „Wie arrogant ist eigentlich die Tangoszene?“
Klar, es gebe Milongas, wo man relativ leicht „reinkäme“ – und Veranstaltungen, wo das „echt schwer“ fiele. Woran liegt das?
Es könne sein, dass Tangotreffs mit einem „gefühlt hohem Niveau“ problematischer seien, weil alle, die schon lange tanzten, keine so „hohe Bereitschaft“ mehr hätten, „ins Risiko zu gehen“, also mit jemandem zu tanzen, der nicht so gut sei wie man selbst. Alle hätten den Wunsch, mit jemandem zu tanzen, der vielleicht sogar besser sei.
In den eigenen Anfängerzeiten habe man noch nicht „selektiert“, da sei noch alles toll und magisch gewesen. Im Tango habe man eine so starke Verbindung und dadurch Abhängigkeit voneinander, dass man öfters zu „fliegen“ meine. Wenn man aber das Gefühl habe, immer wieder „ausgleichen“ zu müssen, leere das die eigenen Batterien.
Die wahrgenommene Arroganz sei also eher „Selbstfürsorge“ vor allem fortgeschrittener Tänzer, so dass sie nur zwei- oder dreimal pro Abend „auf Risiko“ gingen, die restliche Zeit jedoch fordere man Partnerinnen und Partner auf, von denen man wisse, es werde toll.
Quelle: https://www.facebook.com/reel/2379367049200263
Na, das wäre ja schon mal ein vernünftiger Ansatz – niemand muss sich beim Tango ständig aufopfern. Leider erlebe ich die Realität so, dass „Edeltänzer“ Anfängerinnen meist nicht mal mit dem Hintern anschauen. Insbesondere, wenn sie älter und wenig spektakulär aufgemacht sind. Nicht selten basiert die Meidung auch darauf, dass die Damen „mit den falschen Leuten“ tanzen – sprich: nicht zur eigenen oder einer angesagten Clique gehören.
Bei Tangolehrkräften ist es häufig noch schlimmer: In der Regel sitzen die auf Milongas nur herum, nehmen Huldigungen entgegen und vollführen allenfalls zwei, drei rituelle Tänze mit den einschlägigen Promis. Am Tanzen sind die weniger interessiert, am Geschäft umso mehr.
Viel hängt dabei vom Charakter einer Milonga ab. Ich kenne Veranstaltungen, wo man mit Neulingen oder unbekannten Gästen sehr nett umgeht, sie in den Kreis der Stammgäste integriert. Da gibt es Veranstalterinnen und Veranstalter, ja sogar DJs, welche auf Anfängerinnen und Anfänger zugehen, ohne sich einen gemeinsamen Tanz als „Heldentat“ anzurechnen. Klar, solche Events finden öfters auf dem letzten Dorf statt, meist eher glamourfrei. Dafür erspart man sich die Selbstinszenierung arroganter Hanseln.
Deren Tanzkünste sind zudem oft überschaubarer, als sie meinen. Mehr als Ocho cortado und Arschgewackel ist in der Regel nicht drin.
Meine Strategie ist seit vielen Jahren, solche Aufschneider-Catwalks konsequent zu meiden. Allein die Münchner Tangoszene dürfte dadurch in 20 Jahren eine hohe fünfstellige Euro-Summe eingebüßt haben. Und ich würde mich freuen, damit (und mit meinen Artikeln) solchen Leuten auch weiterhin das Geschäft zu versauen.
So überlassen wir doch die Promis ihrer „Selbstfürsorge“! Aber man muss die ja nicht auch noch finanzieren.
Zweifellos hat Rafael Busch in seinem kurzen Video ein wichtiges Problem angesprochen. Leider endet die Aufnahme da, wo es interessant würde. Aber das ist im Tango ja nicht selten so!
Lassen wir abschließend den Berliner Tangolehrer noch improvisiert zu einer modernen Musik vortanzen! Seine Partnerin Maria Filali lässt ihn wirklich gut aussehen:
https://www.youtube.com/watch?v=CjXY6EfBojU
Zum Weiterlesen:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/06/jahrelang-hochgedient.html
Kollege Helge Schütt hat bei Rafael Busch auf FB diesen Text so kommentiert:
AntwortenLöschen„Vielleicht ist es gar nicht so kompliziert. Ein Mann, der deutlich länger tanzt als ich, hat es mir mal so erklärt:
‚Wenn ich auf eine lokale Milonga gehe, dann sitzen da schon einige Frauen, die darauf warten, dass ich sie auffordere. Und wenn ich die alle durchgetanzt habe, dann ist die Milonga vorbei.‘“
Ach, der Arme – so begehrt? Wenn ich eine Frau wäre, würde ich gerne darauf verzichten, von einem solchen arroganten Schnösel „durchgetanzt" zu werden.
Dazu fällt mir einer meiner Lieblingswitze ein:
Ein Achtzigjähriger beklagt sich bei seinem Arzt über Erektionsprobleme. Der Mediziner meint vorsichtig: „Na ja, in Ihrem Alter ist das nicht ungewöhnlich. Das ist halt der Lauf der Dinge.“
Die Replik des Patienten: „Ja, aber ein Freund von mir ist ebenso alt. Und der sagt, bei ihm geht es noch zweimal die Woche.“
Darauf der Arzt: „Dann behaupten Sie es halt auch!“