Post vom Tango-Glücklichmacherer
Kürzlich erreichte mich von einem mir sehr bekannten Tangoverein eine Einladungs-Mail: Ein in Argentinien geborener und hierzulande aufgewachsener Tangolehrer werde künftig dort „Kurs- Und Übungsabende“ veranstalten – und zwar er „und Assistentin“.
Bei solchen Formulierungen verspüre ich regelmäßig bereits ein leises Kribbeln in meiner Satire-Feder: Aha, beim „Tango de Salón“ reicht es anscheinend, wenn man nur den Männe benennt – vor meinem geistigen Auge sehe ich den dann lange Monologe halten, während drei Schritte hinter ihm ein Mädelchen im Satinrock fein stille sowie dekorativ schweigt.
Der Schwerpunkt werde immer auf „Körperarbeit, Verbindung und Musikalität“ liegen. Das wollen wir schwer hoffen – es wäre ja auch unsinnig, wenn Kochrezepte oder Häkeltechnik besprochen würden… Jeden Monat werde man sich einem neuen Thema widmen. Welchem, wird nicht verraten.
Das machte mich neugierig auf die Website des Ein-Tänzers:
Bereits bei den ersten Zeilen wurde ich stutzig: Man sei bei ihm „genau richtig“ – „denn bei mir bekommst Du alles rund um den Tango Argentino“. Aha, gleich alles – aber nur rundherum? Aufgezählt wird fürwahr eine üppige Palette: Tango argentino-Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene, Privatstunden, Workshops, Shows und DJing.
Es folgt eine ziemlich bombastische Selbstvorstellung: Bereits in seiner Schulzeit, so erfahren wir, sei er „begeisterter Tänzer“ gewesen – ob nun im Schultheater oder beim Discofox auf der Schulparty wird nicht verraten. Nach seinem Studienabschluss habe er sich entschieden, seine „Leidenschaft zum Beruf zu machen“. Okay, aber wenn er’s schon erwähnt, hätte uns doch noch interessiert, welchen Abschluss er vorweisen kann – und warum er nicht lieber ein Tanzstudium absolviert hat.
Dafür wird es nun empathisch: „Seitdem tanze und unterrichte ich den Argentinischen Tango mit einem Ziel: Dich für die Magie des Tangos zu begeistern!“ Ich nehme mal an: Auch, um ein wenig Geld zu verdienen – kann man doch ruhig zugeben! Ach, doch, ein wenig später kommt es noch: „Der Tango hat mein Leben verändert und unglaublich bereichert.“ Ist hoffentlich auch ökonomisch gemeint.
Dafür arbeite er „regelmäßig mit einigen der größten Tänzer unserer Zeit zusammen“. Beispielhaft erwähnt er einige Namen, welche mir allerdings nichts sagen. Na gut – hoffentlich wissen die Tango-Anfänger, wer das sein soll. Oder bezeugen den Namen zumindest große Ehrfurcht.
„Außerdem nehme ich jedes Jahr erfolgreich an
internationalen Tangowettbewerben teil. Ich tausche mich regelmäßig mit anderen
Profis aus aller Welt aus.“ Auch hier meine ich halt, man
könnte – wenn schon – die jährlichen Erfolge konkret nennen. Und gut, dass der Pflichtbegriff „Profi" fällt...
Zum Anfängerbereich lesen wir neben einem Foto, auf dem er eine kichernde Partnerin fast umwirft: „Beim argentinischen Tango sind die ersten Tanzstunden mit die wichtigsten.“ Angesichts des Bildes weichen alle Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung.
Unerlässlich sei eine intensive Arbeit an der Basis: Erarbeiten und Verstehen grundlegender Bewegungsprinzipien, Einprägung ins Muskelgedächtnis durch Wiederholung, gezielte Anwendung in tanz- und kombinierbaren Figuren. Okay, so genau wollten wir das gar nicht wissen…
Das nächste Versprechen: „Mit meiner jahrelangen Erfahrung als Showtänzer und Social Dancer sowie Tanzlehrer stehe ich Dir bei jedem Deiner Schritte mit Rat und Tat zur Seite.“ Wow, bei jedem Schritt? Mit bis zu 10 Paaren (so das Angebot) hat er da aber mächtig zu tun!
So viel Überei scheint jedoch gar nicht nötig zu sein: „Schon nach kurzer Zeit in meinem Kurs bist Du bereit für Deine erste Milonga – den Tango-Tanzabend. Dort kannst Du das Gelernte auf´s Parkett bringen, die Tango Community kennenlernen und schnell neue Freunde finden. Die Welt des Tangos ist eine soziale Welt – Komm und entdecke sie mit mir!“ Toll, geht er dann immer mit?
Ja, liebe Leute, da kann ich mich nur anschließen: Wenn ihr nach ein paar Anfängerstunden – frisch besprenkelt vom Maestro-Weihwasser – auf der ersten durchschnittlichen Milonga aufschlagt, werdet ihr die soziale Welt des Tango sowas von kennenlernen! Alternativ könnt ihr euch aber auch einen Wurstgürtel umbinden und in ein Krokodilbecken springen!
Tango-Shows gibt es natürlich auch – „zusammen mit ausgewählten Tänzerinnen“ – auch hier werden lieber keine Namen genannt. Dafür aber: „Leidenschaftlich. Magisch. Geheimnisvoll. Lass Dich entführen in die faszinierende Welt des Tango Argentino.“
Quelle: https://federicosuareztango.com/
Fazit:
Von einer empörten Nüsternblähung angesichts meiner Glosse bitte ich herzlich Abstand zu nehmen. Ich kenne den Unterricht des jungen Mannes nicht – hoffentlich ist er besser als die Texte seiner Website. Und wenn er mit dem Tango Geld verdienen will, ist das natürlich nicht verboten. Nachrichten, wie toll der Unterricht dieses Lehrers sei, sind also überflüssig – glaube ich gerne, ist aber nicht mein Thema.
Ich wäre lediglich dankbar, wenn man sich auf solchen Seiten nicht der Sprechblasen-Befüllung hingäbe, sondern konkretere Angebote vorlegen würde. Vielleicht mit einzelnen Kursinhalten, Methoden oder sogar Preisen. Stattdessen bleibt man lieber im Wolkigen. Was ich noch furchtbarer finde, ist das ewige Gespreize mit stattgehabten Starlehrern und erfolgreichen Wetttanz-Events – nebst der üblichen Tango-Süßholzlyrik. Motto: Kommt zum „Tango-Glücklichmacherer“, der eure geheimsten Sehnsüchte erfüllt, indem er euch heiße Luft verkauft – denn:
Der Tango sei „Kommunikation, Selbstvertrauen, Verständnis, Meditation, Individualität und Zweisamkeit, Training, Selbstfindung und -verbesserung. Eine wunderschöne und faszinierende Reise, die nie zu Ende geht.“ Das wollen wir schon wegen der dann nötigen Anschlusskurse hoffen!
Unverzeihlich aber und daher der Hauptgrund, auf meinem Blog zu landen: Über die bevorzugte respektive eingesetzte Musik kein Wort – auch nicht im Zusammenhang mit seinem DJ-Angebot! Die Videos, welche ich von dem Tangolehrer gefunden habe, lassen befürchten: weitgehend das übliche Historiengedudel halt. Und – was mich schon lange nicht mehr wundert: Kein einziger Filmbeitrag, in dem man den Maestro mal bei einem Kurs erlebt – so richtig mit Schülerinnen und Schülern, und zwar nicht als zuguckende Staffage, sondern tanzend.
Na gut, lassen wir den Tangolehrer zum Schluss noch vortanzen – sogar zu einem zeitgenössischen Ensemble! Ein wenig Werbung gönne ich ihm – er macht das ja gar nicht schlecht:
Lieber Gerhard,
AntwortenLöschenwenn Artikel eines Tangobloggers etwas bewirken können, wovon schon auszugehen ist, dann bewirkt dieser hier jedenfalls nichts Gutes. Frisch infizierte Tangojünger informieren sich im gerne Internet und da hat deine Meinung für Einzelne möglicherweise einiges Gewicht. Ein junger Mann möchte sich eine Existenz aufbauen und du machst ihn schlecht, was ihn vermutlich einige Schüler kosten wird. Ich frage mich, was dich motiviert, einen jungen Unternehmer zu schädigen. Du erwähnst übrigens, daß die Lehrer, die er auf seiner Website benennt, dir nichts sagen. Echt? Zwei davon haben Weltmeistertitel und es ist gar nicht so leicht, nichts von ihnen gehört zu haben.
Viele Grüße
Veit
Lieber Veit,
Löschendanke für deinen Kommentar!
Ich habe natürlich damit gerechnet, dass man mir „Geschäftsschädigung“ vorwerfen wird. Daher meine Betonung: „Nachrichten, wie toll der Unterricht dieses Lehrers sei, sind also überflüssig – glaube ich gerne, ist aber nicht mein Thema.“ Ich habe „ihn“ also nicht schlecht gemacht.
Kritisiert habe ich vielmehr die Selbstdarstellung im Internet, die mir viel zu selbstherrlich und gleichzeitig wolkig-unverbindlich ist. Im Sinne des „Verbraucherschutzes“ meine ich, gerade Anfänger hätten es verdient, konkrete und realistische Angebote zu erhalten.
So ganz scheint das mit dem „Existenz aufbauen“ übrigens nicht zu stimmen. Immerhin schreibt der Tangolehrer, er habe von 2015-2020 eine eigene Tangoschule in den Niederlanden betrieben. Aber wenn es denn so wäre: Warum schreibt er das nicht, statt sich als erfahrener Profi hinzustellen?
Kann schon sein, dass ich die Namen zweier „Tangoweltmeister“ nicht kenne – wahrscheinlich sogar mehr. Ich vermute, Tangoanfängern wird das auch so gehen. Was soll das dann? Und sagt ein gewonnener Wettbewerb irgendwas darüber aus, ob der Gewinner auch seine Schüler zu guten Tangolehrern machen kann?
Es ist stets das gleiche Lied: Im Tango darf man geschäftliche Angebote nicht hinterfragen oder gar kritisieren. Meinst du, das trägt zur Qualitätsverbesserung in unserem Tanz bei?
Beste Grüße
Gerhard
Vielleicht sollte man mal eine Anleitung schreiben für Anfänger "Wie finde ich einen guten Lehrer?"
LöschenAuf meiner Checkliste stehen unter anderem folgende Punkte:
- Gibt es Empfehlungen von guten Freundinnen?
- Kann ich eine Probestunde machen?
- Komme ich persönlich mit seiner Art und seinem Humor klar?
- Macht er ein Warm-Up?
- Geht er auf mich ein, oder redet er nur davon, wie toll er ist?
- Sieht/spürt er Fehler (und vor allem die Ursache dafür) und korrigiert sie so, dass ich es besser machen kann?
-Hat der Unterricht eine Struktur?
- Geht der Lehrer auch auf die Musik ein? Passt die Musik zu den Übungen? Und gefällt mir die Musik?
- Wie fühle ich mich nach dem Unterricht? Gut, weil ich etwas gelernt habe, oder schlecht, weil mir ständig gesagt wurde, was ich alles nicht kann?
- Organisiert er mir auch mal einen Partner für einen Kurs oder Workshop?
U.s.w.
Herzliche Grüße
Carmen
Liebe Carmen,
Löscheneine gute Idee - und Du hast sicherlich wichtige Kriterien aufgezählt.
Vor fast sechs Jahren habe ich schon einmal ein Bewertungsschema zum Tangounterricht verfasst - man findet es auf meinem Blog und auch in meinem Tangobuch (neueste Auflage):
https://milongafuehrer.blogspot.com/2016/05/test-nicht-fur-die-schule-tanzen-wir.html
Vielen Dank und herzliche Grüße
Gerhard