Zwei, die es krachen lassen

 

An das folgende Video geriet ich durch puren Zufall und war ultimativ fasziniert! Dabei tanzen die beiden zu einer ziemlich historischen Musik: „La Milonga de Buenos Aires“ schrieb Francisco Canaro, den Text Ivo Pelay. Gesungen wird der Turbo-Zweiviertler von Ernesto Famá. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1939 – mehr EdO geht nicht…

Doch sehen Sie selbst:


https://www.youtube.com/watch?v=-zAWVpFGQKs

Makellos ist nicht nur die tänzerische Technik des Paars, sondern auch die Musikinterpretation: Da wird wirklich jede Facette der Partitur optisch dargestellt – Höhepunkte, Pausen, Legato- und Stakkato-Passagen, teilweise in getrennten Rollen. Ein optischer Hochgenuss! Vor allem aber fühlt man: Milonga ist ein Spaßtanz!

Meine einzige Einschränkung: Mit etwas weniger Barbie-Glamour bei der Tänzerin könnte ich problemlos leben! Allerdings betet auch der Text ein ziemliches Milonga-Schnuckelchen an, das den Sänger an alte Zeiten gemahnt:  

„Du bist die Blume von Buenos Aires

vergötterte kleine Porteñita,

originalgetreue Kopie dieses Bildes,

das längst vorbei ist.“

https://www.letras.com/ivo-pelay/745205/

Der Blick ins Blog-Archiv bewies mir: Schon vor mehr als drei Jahren hatte ich das Paar vorgestellt:

Eleonora Kalganova stammt aus Taschkent und tanzt seit ihrem 6. Lebensjahr. Zunächst war sie sehr erfolgreich im Standardtanz unterwegs, später lernte sie Folkloretänze und Ballett. Sie gehörte zum Ensemble des Bolschoi-Theaters. Argentinischen Tango erlernte sie erst ab 2009.

Die Karriere von Michael Nadtochi begann mit 10 Jahren in Moskau. Er war lange Zeit mit großem Erfolg in den Lateinamerikanischen Tänzen aktiv. Tango tanzt er seit 14 Jahren.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/08/so-ungefahr.html

Was mir wieder einmal beweist: Die besten Tänzerinnen und Tänzer des Tango kommen aus anderen Bereichen wie Ballett, Standard- oder Lateintanz. Weiterhin müssen es keine Latinos sein. Wer die physischen und technischen Anforderungen solcher Tänze besteht, kann es im Tango locker krachen lassen. Und jedenfalls dabei ist ja Feuerwerk zu Silvester noch erlaubt!

Und vielleicht nochmal zum Mitschreiben für „ProTango e.V": Das sind Profis!

Aber was denen erlaubt ist, soll man natürlich Amateuren nicht verbieten. Im Folgenden darf ich den Tanz eines Berliner Ex-Bloggers vorstellen. Leider arten ja professionelle Milonga-Interpretationen oft genug in zügellose Albernheit aus. Umso eindrucksvoller der tiefe Ernst, den dieses Tanzpaar ausstrahlt. Die optische Beschränkung auf die Oberteile lässt uns freilich das sicherlich flirrende Fußgewirbel nur erahnen:


https://www.youtube.com/watch?v=tPtO8wJdTXc

Allerdings habe ich Zweifel, dass es sich – wie angegeben – um die von mir meistgehasste „Milonga sentimental“ handelt. Wenngleich es für meine geplagten Ohren schon nach Canaro klingt. Aber nachdem das Stück eine bekannte Berliner DJane aufgelegt hat, möchte ich angesichts der in der Hauptstadt herrschenden Tango-Expertise nicht hartnäckig widersprechen. Eventuell handelt es sich ja um eine „Mylonga“

Und immerhin darf man heuer zumindest Tischfeuerwerk abbrennen.

Wenden wir uns wieder dem Tanzpaar Nadtochi / Kalganowa zu. Ein Hochgenuss ist für mich ihre Darbietung zu „Oro y gris“ von Mariano Mores (aus dem Jahr 1966). Es singt Ginamaría Hidalgo. Der Text stammt von León Benarós:

„Meine sentimentale Kleine,
feurige Rose von meinem Rosenstrauch:
Ich bin gefangen von deiner Abwesenheit,
und dieser Schmerz macht mich glücklich.
Die Straße ist neblig und gesperrt,
und während ich mein Lied darbiete,
regnet es in meinem Herz,
in Gold und Grau...“
https://www.todotango.com/musica/tema/1828/Oro-y-gris/
 
Ob die beiden diese Zeilen kannten? Auf jeden Fall interpretiert das
Paar diese gar nicht einfache Musik mit einem unheimlichen Gespür für
„Tristeza y Corazón“ – für Traurigkeit und Sentimentalität.
Auf deutschen Milongas (außer in Pörnbach) findet das Stück nicht
statt. Dennoch: So schön kann moderner Tango sein…  
 

https://www.youtube.com/watch?v=SVRvy9NvtCA

Kommentare

  1. Wenn man Vergleiche dieser Art ziehen möchte, wäre es nicht auch wert, den Aspekt des 'social dancings ' zu betrachten?
    Profs auf der Bühne sind das eine; jemand, der tanzt, weil er den Tango für sich entdeckt hat, etwas anderes.
    Und: Wo auf der Skala sehen Sie sich in Ihren tänzerischen Fähigkeiten?

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    1. Ich glaube deutlich auf den Unterschied zwischen Profis und Amateuren hingewiesen zu haben.
      Dennoch: Wenn schon kleine Jungs wie die Bayern-Profis spielen wollen: Würden Sie solchen Super-Mannschaften attestieren, sie betrieben reinen "Bühnenfußball"?
      Übrigens habe ich schon oft betont, dass ich das "Ranking" in vielen Lebensbereichen - gerade auch im Tango - als Wurzel vielen Übels betrachte. Daher sage ich nur, was mir persönlich gefällt - andere dürfen das anders sehen. Wer Tango-Skalen braucht, darf mich tänzerisch gerne einordnen - tun ja auch einige.
      Und schließlich: Wo ordnen Sie sich auf der Skala des Selbstbewussseins ein, wenn Sie sich nicht mal mit realem Namen zu kommentieren trauen?

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    2. Wunderschön, zu sehen, wie jemand wirklich "zur" Musik tanzt....und auch noch Spaß dabei hat. Manchmal sehe ich ähnliches sogar auf Milongas (richtig, das sind eher nicht die Traditionellen 😉 ). Da macht es auch Spaß zuzuschauen, wenn frau mal nicht auf der Tanzfläche ist. Ich kann auch beim zuschauen etwas lernen....und sei es nur, was (meiner Meinung nach!) nicht gut aussieht.
      Ich muss nur eine kleine (persönliche) Korinthe einwerfen: mir tut es einfach weh, wenn ich jemanden im Hohlkreuz tanzen sehe.

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    3. Sehe ich auch so. Ich habe ganz viel im Tango durch Zuschauen gelernt.

      Ja, und mit dem Hohlkreuz sieht es schon ziemlich gekünstelt aus - und gesund ist es sicher nicht. Besonders auch durch die sehr hohen Absätze.

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  2. Bei der strittigen Milonga handelt es sich
    natürlich nicht um die Sentimental, sondern um
    - Yo me llamo “Juan te quiero” - vom 22.05.1934,
    aufgenommen mit Ernesto Famá.
    Orchester: Francisco Canaro.
    Komposition: Antonio Molina
    Text: Fernán Silva Valdés

    Vos sos la china fogueada
    en el culto del coraje,
    te he paseado en un carruaje
    de Palermo hasta la olada.
    Y sos la china templada
    en el fuego del varón,
    sos como una puñalada
    pegada en el corazón.

    Yo me llamo Juan te quiero
    y vos María changui;
    por eso changui me muero
    y a este mozo Juan te quiero
    nunca le largás el sí.

    Olés a truco y a envite
    a trenza ‘e china clinuda,
    a candil que se derrite
    y a facón que se desnuda.
    Milonguera de otro tiempo
    china de gran corazón
    más gaucha que torta frita,
    más criolla que un chicharrón.

    Vos negra sos la milonga
    la que hace punta en la cancha,
    la que hace la pata ancha
    donde quiera que se ponga.
    China, chirusa, chinonga,
    soy tu criollo querendón
    no me aflojes tanto el rollo
    si me has de dar el tirón.


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