Ich bin des trocknen Tons nun satt
Was mich derzeit am meisten aufregt, ist gar nicht die völlige Verleugnung von Intellekt bei den Leuten, welche man euphemistisch als „Corona-Skeptiker“ bezeichnet. Noch viel schlimmer finde ich die pseudoliberale Feigheit derer, welche uns ständig ermahnen, doch bitteschön nicht „die Gesellschaft zu spalten“, indem man gefährlichen Blödsinn und unverantwortliches Treiben als genau das bezeichnet, was es ist.
Den Herrschaften, welche momentan auf den Straßen und im Netz ihre „Freiheitsliebe“ ausleben, indem sie unseren Staat als „Diktatur“ beschimpfen, ist doch die Freiheit der anderen piepegal – sie wollen ausschließlich ihr Ego feiern. Dazu werden verschiedenste Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nicht nur billigend hingenommen, sondern bilden geradezu das Markenzeichen dieser „Bewegung“.
Immer wieder kommt es zu Attacken auf Ärzte, Krankenhäuser und Impfzentren. Erst gestern wurden bei verbotenen Aufmärschen in Berlin wieder Journalisten beraubt und verletzt:
Und die Justiz?
Ich empfehle die Sendung „Hass im Netz: Unterwegs mit Strafverfolgern“ des Grimme-Preisträgers Klaus Scherer, der ein Jahr lang Einblicke in die Komplexität der Ahndung von Hasskriminalität sammelte. Der Beitrag läuft am kommenden Montag um 22.50 Uhr in der ARD, ist aber schon jetzt in der Mediathek abrufbar:
Einer der Fälle: Als Reaktion auf den Impfaufruf eines Ärztesprechers veröffentlichte der Beschuldigte u.a. den Satz: „Dem ne Kugel ins Hirn, vielleicht hilft es ja“. Den von der Staatsanwältin beantragten Strafbefehl mochte die zuständige Amtsrichterin in Bersenbrück nicht erlassen. Auf die Beschwerde beim Landgericht hin fand nun doch eine Hauptverhandlung statt, in der sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung auf Bestrafung plädierten. Einlassung des Angeklagten: Er habe den Angesprochenen Arzt nur „wachrütteln“ wollen. (Na ja, eine Kugel im Gehirn bewirkt meist das Gegenteil). Das Urteil: Freispruch. Der Kommentar des dortigen Amtsgerichts-Präsidenten: Das reiche nicht für den Tatbestand „Aufforderung zu Straftaten“ (§ 111 StGB). „Auffordern“ setze ein „Verlangen“ voraus, dazu seien „appellative Zusätze“ erforderlich wie z.B. „Wer macht mit?“. Die Staatsanwaltschaft will in Berufung gehen. (10:20 – 15:25)
Ich weiß halt nicht, ob die dumpfbackigen Gesinnungsgenossen den filigranen semantischen Unterschied mitgekriegt haben. Bei Walter Lübcke muss es damals zu Missverständnissen gekommen sein… Man möchte mit Tucholsky sagen: Das ist nicht mal schlechte Justiz, sondern gar keine.
Die Folgen dieser „Abschreckung“ sind greifbar – ständig testet man, welche „rote Linie“ man beim nächsten Mal überschreiten kann:
Vorgestern Nacht rottete sich vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping ein rechtsradikaler Pöbel zusammen – mit Fackeln, Trommeln und Trillerpfeifen. Bei solchen Aufmärschen vor den Privatwohnungen sozialdemokratischer Politiker fehlt nur noch die SA-Uniform, dann wäre das Ganze historisch authentisch. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat völlig recht, wenn er diese Aktion als „faschistoid“ bezeichnet.
Auch viele andere Politiker überbieten einander in Betroffenheits-Erklärungen. Sachsens grüner Vizeministerpräsident Wolfram Günther sprach von einem weiteren Tabubruch – „ermuntert auch dadurch, dass Schwurbler zu oft ungehindert durch sächsische Städte ziehen konnten. Coronaleugner und die Rechtsextremisten an ihrer Seite werden immer dreister und radikalisieren sich“. Er erwarte eine klare Priorisierung durch das Innenministerium.
Ich fürchte, die Demonstranten in Grimma werden halt nach Monaten einen Bußgeldbescheid erhalten – was sie sicherlich schwerstens beeindrucken wird…
Was mir nicht nur dabei oft auffällt: Da halten Regierungsvertreter Oppositions-Reden: „Wir fordern“, „Es müsste jetzt“. Na, dann macht es halt – ihr seid doch am Drücker! Stattdessen höre ich schon wieder Gejammer: „Ein Impfzwang könnte die Impfgegner radikalisieren“. Sorry: Das sind sie schon.
Das gilt auch für Polizei und Justiz: Dass unsere Ordnungskräfte sich immer noch in größter Zurückhaltung gegen dieses marodierende Pack üben, lässt schlimmste Parallelen zur Weimarer Republik aufscheinen, wo ja auch die demokratischen Kräfte zu zögerlich gegen die Extremisten auftraten und deshalb scheiterten.
Und die sicherlich personell unterbesetzte und überforderte Justiz? Sie macht seit langem schon schwere Fehler:
· Die Verfahren dauern zu lange. Strafen müssen auf dem Fuße folgen. Unsere Rechtsprechung kennt zwar das „beschleunigte Strafverfahren“ – aber weitgehend in der Theorie.
· Die Altersgrenzen im Strafrecht sind längst nicht mehr zeitgemäß. Demnächst werden wohl schon 16-Jährige wahlberechtigt sein – bis 21 wird ihnen oft genug noch das Jugendstrafrecht zugebilligt. Und nebenbei: Ich bin für eine Festlegung der Strafmündigkeit ab 12 Jahren – und nicht, wie bisher – ab 14.
· Die Praxis, inzwischen fast jede Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen, fördert die unheilvollen Tendenzen. Wer Polizisten oder Rettungskräfte angreift, muss sitzen – und wenn auch nur für 14 Tage. Klar, im Prinzip verdient jeder eine zweite Chance. Aber keine dritte.
„Ich bin des trocknen Tons nun satt“, schrieb Kurt Tucholsky (in Anlehnung an Goethe) einmal in ähnlichem Zusammenhang. Ich auch – und da mir bei diesen Themen die Lust an der Satire vergeht, im Klartext:
99 Prozent derer, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, können
keine ernsthaften medizinischen Gründe
vorbringen. Noch ist das ihre persönliche
Entscheidung, die ich durchaus respektiere
– aber für grundfalsch halte. Wenn
eine Impfpflicht eingeführt wird,
dürfen sie diese Menschen ebenfalls für grundfalsch
halten – aber eben auch diese Pflicht respektieren
und ihr nachkommen. Und wenn sie es nicht tun, setzt es hoffentlich ein deutliches
Bußgeld. Ersatzweise Haft.
Nebenbei: Ich hielt in jungen Jahren die Wehrpflicht auch für abwegig – wäre ich ihr aber nicht nachgekommen (in meinem Fall durch den Zivildienst), hätte ich die nächsten 18 Monate wahrscheinlich im Gefängnis verbracht!
Wer sich nicht impfen lassen will – egal, ob aus Angst vor Spritzen, Bill Gates oder dem baldigen Tod – sollte das eher als persönliches Defizit begreifen und nicht als Ermächtigung, vor Impfzentren herumzuplärren oder im Internet dummes Zeug zu verzapfen. Und schon gar nicht, um unseren Staat zu diskreditieren oder andere vor Impfungen abzuhalten. Das gefährdet die Gesundheit ihrer Mitmenschen. Und wer dann noch rechtsradikales Gedankengut verbreitet, ist ein Strolch.
Ich bin sicher: Hätten sich im Sommer genug Leute impfen lassen, müssten auch die Milongas nicht wieder schließen. Wir könnten in Pörnbach ohne Angst im Wohnzimmer tanzen. Stattdessen mussten wir unsere Termine canceln. Herzlichen Dank dafür!
Daher: Ich mag mit solchen „Aktivisten“ nichts mehr zu tun haben. Daher werde ich konsequent alle derartigen Beiträge auf meinen Seiten löschen und diese Personen sperren. Ohne Diskussion und mit voller Zensur.
Das ist nämlich meine Freiheit!
P.S. Zur aktuellen Lage:
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