Trautes Heim, Erfolg allein
Eigentlich
dürfte es mich ja nicht wundern – dennoch staune ich immer wieder darüber: Die Voraussage, welches Interesse ein Beitrag findet, ist
prinzipiell recht einfach. Allgemein
gehaltene, längere Texte bewirken höchstens durchschnittliche Zugriffszahlen, auf spezielle Ereignisse oder gar Personen bezogene deutlich mehr. Vor
allem lockt man viele Leser an, wenn man ironisch
oder gar satirisch schreibt, ein eher
sachlicher Stil dagegen wirkt
abtörnend. Sehr erfolgreich sind auch Bilder
mit „privater“ Anmutung und einigen
Zeilen dazu.
So
war ich beispielsweise letzthin besonders stolz auf meinen „Muster-Abituraufsatz“ zum Thema „Satire“ und den Vergleich zwischen den Hysterien früherer Zeiten (Hexenverfolgung, Antisemitismus) und dem
momentanen Aberglauben-Hype,
betitelt „Die Wahnsinnigmacher“.
Die
Satire-Arbeit erreichte bislang auf Facebook 60 Leser und erzielte auf dem Blog 28 Direktzugriffe, mit 106
bzw. 179 Klicks lag der zweite Text
ein Stück darüber.
Auch ein Foto von unserem „Abendkonzert“ am 25.4. klickten auf FB 136 Personen an, inklusive 17 Likes.
Etwas
sarkastisch könnte man feststellen: Als Blogger macht man sich am besten ganz wenig Arbeit: Ein kurzer Schnappschuss,
drei Zeilen Text dazu – und fertig ist der Knüller.
Hauptsache persönlich und privat – es darf auch ein Frühstücksteller oder die Hauskatze
sein.
Warum
also stundenlang zu einem Thema recherchieren,
ein Dutzend Zitate zusammenstellen,
einen größeren geistigen Bogen
spannen, gar noch zu ungewöhnlichen Ergebnissen
kommen? Forget it…
Stars
oder zumindest Promis haben dieses Prinzip längst entdeckt und nutzen es
reichlich: Man nennt es Homestory.
Boulevardmedien
wissen um die Anziehungskraft von Bildern oder Filmen, welche die Zelebritäten
in ihrer privaten, häuslichen Umgebung
ablichten. Lustigerweise glauben die meisten Leser, dass es bei der Prominenz
zu Hause normalerweise wirklich so aussieht wie auf den illustrierten Schleiflack-Bildern. Illusion ist alles.
Natürlich
kann man dabei auch Fehler machen
wie der einstige Bundesverteidigungs-Minister Rudolf Scharping, der sich mit seiner Freundin im Pool planschend
ablichten ließ, als seine Truppen nach Mazedonien zogen. Dann doch lieber
Treppenlift…
Noch
stärker als Heim-Bilder wirken natürlich Sex
und Crime:
Wenn
ich mal wieder in Konflikt mit der Tango-Mafia
kam und auf Facebook die Dreckbollen gen Pörnbach flogen, katapultierte dies
noch die schwächste Kalauer-Klamotte in astronomische Zugriffshöhen.
Ein
immer noch gerne gelesener Klassiker
gelang mir als Antwort auf die Aussage einer Münchner DJane:
„Wenn man die vordere Fußhälfte
belastet und aufrecht steht, gibt es selbst bei sehr schlanken Menschen immer
einen Körperteil, der weiter vorne ist als die Fußspitze.“
Mir
fiel dazu nur die zugegeben Franz Beckenbauer-verdächtige Replik ein:
„Ja, is denn heit scho
Softporno?“
Der
Aufruhr danach ist nur mit der Corona-Krise vergleichbar. Womit wir beim
zweiten Thema wären:
Von
der hervorragenden US-Bloggerin Karen
Kaye übersetzte ich insgesamt 7 Artikel. Während 6 der Texte im nur leicht
überdurchschnittlichen Bereich von etwa 400 Zugriffen landeten, ging einer der
Beiträge mit über 1600 Klicks durch die Decke.
Noch
erstaunlicher ist, dass dieser Text (im Gegensatz zu den anderen) mit Tango nichts zu tun hat –
normalerweise ein Garant für niedrige
Zugriffszahlen. Allerdings dürften die Leser, welche nach Schweinereien
suchten, enttäuscht gewesen sein: Thema war das weibliche Selbstbewusstsein, was die lesenden Tango-Machos eher abgeschreckt
haben könnte.
Auch
dieses Prinzip hat die Boulevard-Presse natürlich längst entdeckt. Es nennt
sich „Page Three Girl“ – also das
leichtbekleidete Fotomodell auf Seite Drei, erfunden vom britischen
Revolverblatt „The Sun“. Der um das
Nackedei drapierte Text ist meist aus der Sparte Sex- und Gewaltgeschichten.
Übrigens
versuchte die spätere Labour-Ministerin Clare
Short, diese Praxis gesetzlich durch das „Page Three Bill“ zu verbieten, scheiterte jedoch am Widerstand der
Zeitungen und der mangelnden politischen Unterstützung aus den eigenen Reihen.
Im
Gegenteil:
„Die Zahl der
Bewerberinnen, die auf Seite 3 erscheinen möchten, übersteigt im Vereinigten
Königreich die Zahl der möglichen Plätze bei weitem. Die prospektiven Models
kommen dabei meistens aus den Arbeiter- oder Arbeitslosenschichten. Die
Ausgaben für Kleidung, Make-Up etc., die mit der Aufgabe einhergehen, belasten
das Budget erheblich, so dass oft die ganze Familie die jungen Frauen
unterstützt. Dabei motiviert die Frauen nach Aussagen von Beteiligten vor allem
die Hoffnung auf eine Karriere als Starlet.“
Schrecklicher
Gedanke: Wenn schon ein Foto von mir auf der Kellertreppe gesteigerte
Aufmerksamkeit findet – bin ich dann ein „Page
Three Boy“?
Spaß
beiseite – der Vergleich ist doch zu kühn! Außerdem bin ich ja dankbar dafür,
wenn meinen Lesern meine Fotos gefallen. Was ich mir halt
wünschen würde: Dass es auch bei längeren
Texten in diese Größenordnung ginge.
Um
auf die Satire zurückzukommen:
Corona-bedingt sind ja derzeit die ganzen herumstöckelnden Milonga-Mädels,
welche in Friedenszeiten nach männlicher, möglichst argentinischer Beute fahnden, ziemlich unterbeschäftigt.
Da
ließe sich doch sicher ein schnuckeliges Tango-Model
finden, welches einem meiner langweiligeren Texte mehr Aufmerksamkeit verschaffen würde. Eine Bildunterschrift hätte
ich schon:
Sie mag es leidenschaftlich
Biggi (21), seit drei
Jahren die begabteste Schülerin argentinischen Tango-Startänzers Fabian Lugo
(kleines Bild), ist bei der letzten Milonga ein Missgeschick passiert:
Ein Träger ihres sommerlichen Tanzkleidchens ist gerissen! Biggi nimmt es
leicht: „Hauptsache, nicht beide“, so ihre schelmische Reaktion.
Nein,
genug damit – sonst kriegen wir die Bilder nicht mehr aus dem Kopf! Lieber
schreibe ich in Zukunft auch wieder langweilige
Texte!
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