Gastbeitrag: Corona kann uns Neues lehren
Wo bleibt in Krisenzeiten das Positive?
Eine Antwort bekam ich neulich bei der
Facebook-Diskussion über einen
meiner Artikel:
Meine Gesprächspartnerinnen waren auch
noch – welche Überraschung – ehemalige Schülerinnen von mir! Einen Kommentar
fand ich derartig gut geschrieben, dass ich die Autorin fragte, ob ich ihn als
Gastbeitrag für mein Blog haben könnte.
Ich danke Dunja Robin ganz herzlich für ihre Zusage – und auch dafür, dass
sie aus ihrem spontanen Beitrag einen
längeren Artikel machte.
Daher nun „Bühne frei“ für einen ganz
hervorragenden Text:
Es sind doch
verrückte Zeiten mit diesem Corona-Virus!
Da landet man
als Rollstuhlfahrerin auf einem Tango-Blog und darf sogar einen Gastbeitrag
schreiben – wie ist das denn passiert?
Ich meine,
klar, es gibt Rollstuhlfahrer*innen, die tanzen nicht nur aus Leidenschaft,
sondern auch noch wirklich extrem gut.
Also auch bei
Wettkämpfen und so.
Zu dieser
Sorte gehöre ich, mit meinem „Panzer“, allerdings nicht.
Ja, ab und an
geht die Musik natürlich auch mit mir durch.
Dann lasse
auch ich es mir nicht nehmen, samt Rolli zu tanzen.
Aber wirklich
was davon verstehen tu ich beim besten Willen nicht.
Ich gestehe:
Bevor ich
diesen Blog gefunden habe sagte mir sogar der Begriff „Milonga“ absolut
nichts...
Und trotzdem
bin ich jetzt hier, um „meinen Senf abzugeben“.
Wie kam es
nun dazu?
Natürlich
schiebe ich die Schuld auf meine Freundinnen.
Wir haben
eben mal wieder so herumphilosophiert über das Leben an sich und überhaupt und
dabei kam, mal wieder, die Frage auf, was eigentlich aus unseren Lehrern „von
damals vom Gymmerl“ so geworden ist.
Und der
Gerhard Riedl macht es einem mit seinen Blogs ja nun auch ziemlich leicht,
diese Frage zu beantworten...
Also mal
wieder die Seite aufgerufen, ist ja auch interessant, was so seine Meinung zur
aktuellen Lage der Nation ist, mit Corona und allem.
Und dann
natürlich partout den Schnabel nicht halten können und kommentiert.
Und schon hat
man den Salat und wird aufgerufen … äh, halt, nein:
Freundlich
gefragt, ob man die eben geäußerten Gedanken auch direkt im Blog zum Besten
geben würde, als Gastbeitrag?
Warum auch
nicht?
Aber worum
ging es denn überhaupt bei diesen Gedankenergüssen im Facebook-Trialog?
Zunächst um
Trolle und darum, wie die aktuelle Krise uns Dinge über unsere Mitmenschen
aufzeigt, die wir so eigentlich nie wissen wollten.
Und wie man
doch manchmal an der Menschheit verzweifeln möchte.
Dass Corona
dabei aber ja auch nur die Spitze des Eisberges sei.
Denn
eigentlich, seien wir mal ehrlich, war der Planet doch auch davor schon in der
Krise.
Die zunehmende
Zerstörung der Ökosysteme, der Abbau des Sozialstaats, die vielen kleinen oder
auch gar nicht mehr ganz so kleinen „Schritte zurück“, was hart erkämpfte
Menschenrechte angeht, der politische Irrsinn weltweit und, und, und...
Aber jetzt
spürt man es als kleiner Bürger eben ganz direkt im Alltag, weil plötzlich
einfach ALLES anders ist:
Wir verlassen
kaum noch das Haus und wenn, dann setzen wir uns brav eine Maske auf, die weder
sonderlich bequem ist noch das Atmen angenehmer macht.
Das Wetter
wäre seit Wochen herrlich, und trotzdem kann man nicht die Freunde zum Grillen
einladen.
Und nicht nur
wir Erwachsenen, auch die Kinder müssen momentan alles andere als artgerecht
gehalten werden.
Dann sollen
die lieben Kleinen auch noch im Homeschooling von den Eltern betreut oder gar
beschult werden, obwohl diese doch eigentlich zeitgleich im Homeoffice arbeiten
sollen.
Und auch die
harten Kämpfe um die letzte Rolle Klopapier sind noch nicht vergessen!
Aber mal
Zynismus beiseite: Ja, das alles, dieses „komplett aus der gewohnten Norm
fallen“, ist wirklich anstrengend. Und bei manchen von uns geht es auch
tatsächlich zudem noch um echte Existenzängste.
Das alles
verarbeitet jeder so auf seine Weise.
Also doch
kein Wunder, wenn die Leute ‘nen Lagerkoller kriegen, die Stimmung langsam
kippt und sich Panik breit macht. Und Panik hat nun mal so überhaupt nichts mit
gesundem Menschenverstand zu tun.
Kein Wunder,
wenn sie sich die Menschen dann Orte suchen zum Frustabladen und vielleicht
auch einfach noch anfälliger werden für die simplen Erklärungen für komplexe Probleme,
die dann praktischerweise auch gleich noch einen Sündenbock mit ins Angebot
packen.
Denn sich
machtlos und fremdbestimmt fühlen, das ist ein verdammt unangenehmes Gefühl.
Aber müssen
wir das denn?
Gibt es denn
wirklich nix, so absolut gar nix, was man so als Ottonormalbürger*in tun kann,
außer bei der nächsten Demo alle Regeln, die die weitere Ausbreitung des Virus
verhindern sollen, über Bord zu werfen? Aus Protest, im Kampf für unsere vom
Grundgesetz zugesicherten Rechte?
Klar doch,
wir alle können, davon bin ich überzeugt, tagtäglich irre viel tun.
Wir können
erst mal damit anfangen, auf uns selber gut Acht zu geben.
Mal in uns
reinspüren, wie es uns wirklich geht, was uns gerade vielleicht fehlt und was
uns gut täte.
Jetzt gerade
den Corona-Blues haben ist sicher ganz normal.
Nun aber
nicht behaupten: „Ja, aber das, was mir guttäte, kann ich ja gerade doch alles
gar nicht machen, das ist es ja!“.
Oft helfen
schon kleine Dinge wie zum Beispiel etwas Tagesstruktur, Bewegung an der
frischen Luft und soziale Kontakte.
Die sind
gerade in der jetzigen Zeit auch wunderbar digital oder, fast schon old school,
per Telefon möglich. Oder halt auch, mit genug Abstand, am Gartenzaun.
Oh, und lächeln.
Das ist erwiesen.
Auch
Dankbarkeit soll helfen, oder auch:
Den Blick
bewusst nicht immer nur auf das Negative, sondern stattdessen auf das Positive
richten.
Und gute
Dinge passieren doch auch jetzt, in der Krise – ich sehe sie tagtäglich! Von
den „kleinen Momenten“ wie Sonnenschein im Garten bis hin zu Akten echter
Menschlichkeit, die ich täglich beobachte.
Wenn es uns
dann selber wieder halbwegs gut genug geht, dann haben wir vielleicht auch die
Power, die Welt um uns herum zu verbessern.
Also ich
meine nicht gleich „die Welt retten“, sondern wirklich erst mal einfach nur
„die Welt um uns herum ein kleines Stückerl sonniger machen“.
Vielleicht,
indem wir nicht nur für uns selbst lächeln, sondern auch unseren Mitmenschen
ein echtes Lächeln schenken.
Indem wir uns
mit echtem Interesse erkundigen, wie es den Mitmenschen geht – und einfach
zuhören.
Und in den
Dialog treten.
Nicht mit der
Absicht, ein Rededuell zu gewinnen.
Sondern aus
echtem Interesse aneinander und dem Wunsch voneinander zu lernen und uns
auszutauschen über das, was uns bewegt.
Und je
nachdem, was uns gerade wichtig ist im Leben, können wir alle kleine Dinge tun
die, wenn genug Leute mitmachen, eine riesen Wirkung entfalten können.
Wenn es um
Corona geht: Hände waschen, die zugegeben etwas lästige Maske ,da wo es Sinn
macht, tragen, Abstand halten und in den Ellbogen niesen oder husten ist ja
eigentlich nicht sooo viel verlangt.
Wenn es um
die anderen bereits erwähnten Themen geht:
Vielleicht
essen wir ja zum Beispiel nur ein klein wenig weniger Billigfleisch aus dem
Discounter, gehen ein wenig bewusster mit unseren Ressourcen um, werden ein
wenig ehrenamtlich aktiv für eine Sache, die uns am Herzen liegt – in dem
Rahmen, in dem es uns eben möglich ist.
Klar können
und sollten wir uns auch politisch engagieren.
Ich bin die
allerletzte, die gegen Demonstrationen an sich wäre – aber halt mit Sinn und
Verstand.
Und gerade
jetzt finden sich ja vielleicht auch andere Wege, sich politisch zu beteiligen
und seine eigene Meinung kund zu tun.
Vielleicht
ist jetzt auch gerade eine wunderbare Chance, zu merken, wie wir alle, mit
unseren ganz individuellen Interessen, Talenten, Fähigkeiten und
Leidenschaften, etwas Gutes in die Welt bringen können.
Manche von
uns arbeiten vielleicht gerade in diesem Moment an einem Impfstoff, an Technologie
für erneuerbare Energien oder an Möglichkeiten, Plastik besser zu recyceln.
Andere
arbeiten in der Pflege, betreuen Kinder, gehen für die Nachbarn mit einkaufen
oder kochen für sie mit. Oder sie musizieren für sich und andere.
Sie schreiben
Blogs oder teilen Anleitungen für Dinge, die das Leben einfacher oder schöner
machen online.
Sie tauschen
sich über ihre Hobbies aus und geben einander Tipps und Ratschläge.
Das ALLES ist
durchaus wichtig.
Wir merken
gerade jetzt auch wieder besonders, dass wir Menschen kulturschaffende Wesen
sind und dass auch so scheinbar „sinnlose“ Dinge wie Kunst, Filme, Poesie,
Musik, … Tango uns mit uns selbst und unseren Mitmenschen in Kontakt bringen
und deshalb doch erstaunlich wichtig sind.
Dass der
clevere Trick eines Illusionisten uns zum Lächeln bringt und uns für einen
Moment wieder an Wunder glauben lässt.
Und
vielleicht spüren wir, wie beflügelnd der Gedanke ist, dass das Unmögliche
vielleicht ja doch möglich sein könnte...
Ob wir es
wohl möglich machen könnten?
Vielleicht
nutzen wir ja die Corona-Krise, um neue Dinge zu lernen.
Und um mit
uns selber und mit alten Freunden und Bekannten wieder in Kontakt zu kommen
oder auch neue Kontakte zu knüpfen.
Und um uns
über die Dinge auszutauschen, die das Leben für uns lebenswert machen.
***
Je besser ein Text ist, desto weniger
muss man dazu sagen.
Daher nur: Gratulation zu Gedanken,
die wohl jeden von uns inspirieren können!
P.S. Wer Näheres über die Autorin erfahren möchte, was sehr
lohnend sein dürfte:
https://netzwerkfrauen-bayern.de/contacts/dunja-robin/
Dunja Robin, einfach nur ein Danke für diesen Text....
AntwortenLöschenIch bin bei meinem Blog besonders stolz auf die momentan 58 Gastbeiträge - in der weit überwiegenden Zahl von Frauen verfasst. Ich halte das nicht für einen Zufall!
AntwortenLöschenDie Trolle dagegen sind – soweit ersichtlich – ganz überwiegend Männer. Auch das dürfte nicht zufällig so sein.