Was Ihnen Ihr Tangolehrer nicht erzählt… 20
Einer meiner
gefürchteten Lieblingswitze:
Einen Texaner wurmt
es gewaltig, nur Bürger des zweitgrößten US-Staates zu sein. Also fragt er in
einer Bar in Alaska: „Was muss ich tun, um ein echter Alaska-Mann zu werden?“
Die Antwort der Herren am Tresen: „Drei Dinge: Eine Flasche Whisky austrinken,
einen Bären erschießen und mit einem Alaska-Mädchen tanzen.“ Nach Konsum des
Hochprozentigen wankt der Texaner zur Tür hinaus und kommt nach einigen Stunden
wieder – blutüberströmt und mit zerrissener Kleidung: „Okay“, lallt er, „wo ist
jetzt das Mädchen, das ich erschießen soll?“
Derzeit
bemerke ich ein wachsendes Bedürfnis von Tänzerinnen, „Verzierungen“ (oder „adornos“,
wie wir Spanier sagen) zu beherrschen. Den Satz „Deine Frau tanzt so tolle Verzierungen, die möchte ich auch lernen“ höre
ich immer wieder. Meine Antwort ist
stets die gleiche: „Ist gar nicht nötig,
die kommen mit der Zeit von selber“ – was mir natürlich keine glaubt.
Argentinische
Lehrerpaare,
so vernahm ich neulich, verlangen im Einzelfall mehrere hundert Euro für einen
entsprechenden Workshop, wo sie sich dann auf genau eine Verzierung beschränken. Recht haben sie! Gar keine wäre noch besser…
Dazu
fällt mir eine Aussage des berühmten deutschen Boxtrainers Ulli Wegner ein, die mich seit vielen Jahren schwer beeindruckt: „Der KO kommt von allein.“ Soll heißen:
Boxer, die mit aller Kraft versuchen, den Gegner umzuhauen, schlagen meist eher
Luftlöcher oder treffen die Deckung des Gegners – und geben im Übereifer die
eigene auf. Möglicherweise schlägt es daher eher bei ihnen ein.
Wer
aber technisch sauber kämpft, trifft
den anderen umso öfter und automatisch wirksamer. Irgendwann hat der dann
genug, gibt auf oder fällt um.
So
ist das auch bei den Verzierungen:
Wer als Tänzerin daran gewöhnt ist, sich mangels eigenen Gleichgewichts am Partner festzuhalten, erwirbt nie die entscheidende
Fähigkeit, in stabiler Balance auf einem
Bein zu stehen und solche Sachen hinzubekommen. Wenn die Dame dann
versucht, die im Workshop teuer erkaufte Zier-Figur zu verüben, wackelt es gewaltig im Gebälk. Nach
drei Tänzen fühlt sich der Tanguero wie der obige Texaner, welcher mit dem Bär
tanzte – nur mit dem Unterschied, dass er nun erst den Whisky braucht!
Daher
dürfen die Frauen (und die Männer, welche solche Sachen durchaus auch
tanzen können) mal ganz alleine üben.
Mein Vorschlag:
Lassen
Sie eine ruhige, nicht zu schnelle
und rhythmische Tangomusik laufen,
schließen Sie die Füße, welche dicht aneinander stehen. Jetzt abwechselnd nur
ein Bein (auf dem Ballen) belasten, dies jedoch für immer längere Zeit!
Kontrollieren
Sie immer wieder Ihre gesamte Position:
Ist der Oberkörper über den Fußballen, bleiben die Hüften plus Achse stabil, die Arme
ruhig, ist der Hals gerade, geht der
Blick horizontal und nicht zu den
Füßen? Sind die Knie ganz leicht
gebeugt? Funktioniert das auch in angedeuteter Tanzhaltung?
Wenn
Sie das ohne Gewackel hinbekommen:
Bewegen Sie nun das freie Bein fließend
so weit wie möglich zur Seite
und wieder zurück (nur Millimeter über dem Boden), dann wechseln und auf der
anderen Seite versuchen, Fußspitzen leicht nach außen gerichtet! Halten Sie dennoch die Hüfte in der Mitte,
überprüfen Sie ihre gesamte
Körperhaltung!
Bringen Sie nun das freie Bein statt in gerade Richtung in eine Kreisbewegung („Lapiz“) – es geht also möglichst rund zuerst nach vorne, dann
seitlich und wieder zurück zum Standfuß. Fangen Sie mit einem kleinen Radius an und vergrößern ihn fortlaufend – wenn es
wackelt, wieder verkleinern! Dann dasselbe auf dem anderen Bein – sie werden
merken: Wir haben nicht nur eine „Vorzugshand“
(meist die rechte), sondern auch ein „Vorzugsbein“
– oft ebenso das rechte. Daher müssen Sie mehr auf der schwächeren Seite üben.
Wenn
Sie die Dreherei gut beherrschen, versuchen Sie nun fortlaufende und kräftige
Kreisbewegungen auf einem Bein und probieren dabei, sich auf dem Standbein zu drehen. Dazu müssen Sie
den Oberkörper etwas in die gewünschte Richtung neigen und stärker ins Knie gehen. Kein
Problem, wenn der Drehgrad zunächst
nur gering ist – Hauptsache, Sie spüren den Effekt und können das Ganze dadurch
in immer größere Bewegungen steuern.
Eine
andere Möglichkeit: Sie stehen auf einem Bein, das andere dicht daneben. Nun schwingen Sie den freien Fuß linear nach vorne
und hinten – zunächst nur wenig, dann immer stärker. Richtig: Das könnten irgendwann Boleos werden. Wenn das Bein
die höchste Auslenkung erreicht hat,
sofort entspannen, es geht dann von
selber wieder zurück!
Wenn
das funktioniert, lassen Sie das freie Bein nicht wieder an seinen alten Platz
zurückschwingen, sondern kreuzen
dabei über den Standfuß. Sie stehen also
zum Beispiel auf dem linken Bein, das rechte schwingt nach vorne und dann nach
hinten links über das linke Bein, dann sofort wieder nach vorne.
Rückwärts entsprechend: Beim
Zurückschwingen geht das freie Bein kreuzend auf die andere Seite des Standbeins
und bewegt sich dann wieder zurück und gleich nach vorne auf die alte Position. Das Ganze
dann im Wechsel: vor, dann vorne überkreuzen, anschließend wieder vor, rück, hinten
überkreuzen, schließlich wieder nach vorn.
Entscheidend
für all diese „Spompanadeln“ (österreichisch
für „Verzierungen“): Sie spielen sich ausschließlich unterhalb des Beckens ab („Dissoziation“). Der Oberkörper bleibt dabei absolut
ruhig! Nur das entscheidet darüber, ob sie als Tänzer/in gelten, der oder
die „leicht“ tanzt oder Ihr Partner
sich hinterher durchgeschüttelt fühlt wie nach einer Achterbahnfahrt.
Mein
Beitrag kann nicht den Zweck erfüllen, dass Sie nun sofort tolle „Verzierungen“
tanzen können. Die kann man sich auf vielen YouTube-Videos abschauen – oder, noch besser: mit einem guten Tanzpartner allmählich selber entwickeln. Sie erreichen durch
meine kleinen Übungen jedoch die nötige Stabilität,
welche die Voraussetzung für all das
Bein-Gehäcksel ist. Und bitte: Verzierungen sind vielleicht sehr schnell, jedoch stets absolut sanft! Der schwarze Gürtel dient beim Tango ausschließlich dem Halten der Hose...
Das
Allerschwerste jedoch: Es hat keinen Sinn, diese Adornos auswendig abzuspulen. Sie müssen zur Musik passen, also vor allem deren besondere Impulse darstellen. Diese Fähigkeit
entsteht in Jahren und vor allem zu
einer abwechslungsreichen, interessanten
Beschallung.
Und
tanzen Sie lieber mit einem Mädchen als mit einem Bären oder Texaner!
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