Haben schöne Frauen es beim Tango leichter?


Die Wiener Tangofreundin Alessandra Seitz liefert mir derzeit in ihren Blogtexten immer wieder tolle Ideen, herzlichen Dank!

Momentan regt sie sich mächtig über einen Artikel auf, den sie als den „dümmsten und klischeehaftesten“ bezeichnet, den sie je gelesen habe. Ein Satz daraus hat es ihr besonders angetan:

„Aber eine schöne Frau, die von vielen Männern zum Tanzen aufgefordert wird, wird das Tangotanzen relativ schnell lernen- und begreifen, worum es dabei eigentlich geht.“

Ihre gallige Reaktion:

„Natürlich haben wir alle sofort das jeweilige Idealbild von ‚schön‘ vor Augen. Nicht etwa die innere Schönheit, sondern wohl die äußere. Bei vielen Männern: jung, blond und große Möpse….. die lernen schnell.“

Hat sie da ebenfalls ein wenig in die Klischeekiste gegriffen?

In einem Kommentar relativiert sie dann ihre Aussage:

„… dass sie öfter aufgefordert werden, stimmt schon. Dass sie dadurch schneller Praxiserfahrung haben, auch, aber sie lernen nicht schneller. Das hieße ja, wenn eine Schöne und eine Schiarche Unterricht nehmen, dass die Schöne schneller lernt. Und richtig gute Tänzer tanzen schon meist lieber mit Tänzerinnen, die was drauf haben. Die Frischfleischtänzer gibt es natürlich, aber die sind eh meist maximal Mittelmaß und hätten‘s gern erotisch bis grapschig…“

Hier der ganze Text:
Ich fand das Ganze jedenfalls interessant genug, um ein wenig zum Thema zu recherchieren. Da wäre zunächst einmal die Frage, wie man „schön" denn definiert. Damit befasst sich schon längst die Attraktivitäts-Forschung. Einige Ergebnisse zum Aussehen, die offenbar kulturübergreifend gelten:

·         Durchschnittlichkeit: Kopiert man mehrere Porträt-Fotos übereinander („Morphing“), so wirkt das entstandene „Durchschnittsgesicht“ attraktiver als die Einzelbilder.
·         Glätte der Haut
·         kindliche Merkmale weiblicher Gesichter („Kindchenschema“ – Brutpflege)
·         „Reifezeichen“ in Form von hohen, betonten Wangenknochen und schmalen Wangen (besonders bei Männern)
·         leichte Asymmetrie des Gesichts
·         gesundes Aussehen
·         beim Mann eine überdurchschnittliche Körpergröße (bei Frauen ist diese irrelevant)

Körpergewicht und Figur dagegen sind stark kulturell beeinflusst; die derzeitige Präferenz für sehr schlanke Frauen ist eher eine historische Ausnahmeerscheinung!

Fragen wir dazu noch unseren Schönheits-Experten Dr. Eckart von Hirschhausen:


Wissenschaftlich unumstritten ist das Attraktivitäts-Stereotyp:

„Attraktiven Menschen werden in weitaus höherem Maß positive Eigenschaften wie zum Beispiel Gesundheit, Intelligenz oder gute Charaktereigenschaften zugeschrieben als weniger attraktiven. Offenbar neigen Menschen dazu, ästhetische (‚schön‘) mit ethischen Kategorien (‚gut‘) zu vermischen. Dieses sog. Attraktivitätsstereotyp führt dazu, dass schöne Menschen in praktisch allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens positiver behandelt werden. Hübsche Kinder etwa bekommen in der Schule bessere Noten. Attraktive Erwachsene können vor Gericht mit milderen Strafen rechnen, treffen in Notlagen auf mehr Hilfsbereitschaft, und erhalten – wenn man das attraktivste mit dem am wenigsten attraktiven Drittel der Arbeitnehmer vergleicht – um ca. 10 Prozent höhere Gehälter.“

Diverse Untersuchungen beschäftigen sich mit den Folgen im Arbeitsleben. Obwohl diese oft zu leicht unterschiedlichen Resultaten führen, kann man doch sagen, dass es die Schöneren tendenziell leichter haben:

„In der ‚Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften‘ werden alle zwei Jahre circa 3000 deutsche Männer und Frauen nach ihrem Gehalt und ihrer Stellenposition befragt. Zusätzlich beurteilen die Interviewer aus ihrer persönlichen Sichtweise die Attraktivität der befragten Person und verteilen dafür 1 (nicht attraktiv) bis 11 (sehr attraktiv) Punkte.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Pfeifer, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg, hat die Daten kombiniert und analysiert. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich das Monatsgehalt pro Schönheits-Punkt im Schnitt um drei Prozent erhöht. Auch auf die Stellensuche oder deren Verlust hat die Schönheit des Arbeitnehmers Einfluss. ‚Schon ein einziger Attraktivitäts-Punkt mehr erhöht im Schnitt die Beschäftigungswahrscheinlichkeit um drei Prozentpunkte‘, so Pfeifer.
Verschiedene Studien ergeben, dass man durch Schönheit ein höheres Gehalt bekommt und erfolgreicher ist.“

Interessanterweise ist dieser Effekt aber bei Männern stärker: Sie verfügen über fünf bis sieben Prozent mehr Einkommen als unattraktive Männer, ihre schönen Kolleginnen kommen nur auf zwei bis vier Prozent mehr Einkommen als unattraktive Frauen.

Vermutlich greifen doch gerade bei Führungspositionen andere Eigenschaften wie Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen stärker – Attribute, die man eher den Herren der Schöpfung zuweist. Zudem:
  
„Zu hübsch darf es also (jedenfalls im Business) auch nicht sein? Warum? Für die Antwort braucht es wohl keine Wissenschaft, sondern reine Menschenkenntnis. Das vorverurteilende Klischee und die (unbewusste) Befürchtung vieler Arbeitsgeber lautet: Männliche Kollegen wollen Super-Frauen gefallen und verfallen leicht in hitzköpfige Flirtlaune. Bei Frauen hingegen wirken attraktive Kolleginnen alles andere als stimmungsaufhellend; Konkurrenz-Gehabe liegt in der Luft.“

Wie sieht es damit nun im Tango aus? Trotz heftigen Googelns fand ich im Netz keinerlei Aussagen dazu – für mich ein Beweis, dass man diesen doch eher naheliegenden Zusammenhang tabuisiert. Daher bin ich auf meine eigenen Beobachtungen angewiesen:

Dass attraktivere Frauen mehr aufgefordert werden, erkennt man bereits nach wenigen Milonga-Besuchen. Das reine Aussehen (auch Kleidung, Frisur etc.) dürfte dabei jedoch nicht die Hauptrolle spielen. Mindestens so stark wirken Offenheit, eine positive Ausstrahlung, Selbstbewusstsein und dennoch eine gewisse „Nahbarkeit“. Um das tänzerische Können geht es dabei aber kaum höchstens um die Begabung.

Klar werden solche Frauen etliche männliche „Frischfleisch-Jäger“ anlocken – ob auf Dauer, bezweifle ich wegen ihrer Persönlichkeits-Stärke. Doch wieso sollten nicht auch gute Tänzer an ihnen interessiert sein? Auf jeden Fall kriegen solche Tangueras genügend Möglichkeiten zum Üben – und machen so schnellere Fortschritte. Zudem wird ihr Können wahrscheinlich als höher eingestuft, als es ist.

Daher: Das reine gute Aussehen wird zwar nicht reichen – insbesondere, wenn es zu deutlich zur Schau gestellt wird. Zusammen mit den anderen Eigenschaften jedoch entsteht etwas, das Männer schwer beeindruckt: Charme.

Übrigens habe ich mit weiblicher Schönheit auch persönliche Erfahrungen: Eine weitläufige Vorfahrin meiner Frau, Lady Jane Ellenborough, hat es immerhin in die Schönheiten-Galerie von Ludwig I. (zu besichtigen im Schloss Nymphenburg) geschafft:

Lady Jane ließ es in ihrem Leben ziemlich krachen: 1824 heiratete sie den Politiker Edward Law, Earl of Ellenborough (aus Karins Verwandtschaft). Nach einer Affäre mit Felix Fürst Schwarzenberg zog sie nach München. Um 1831 entstanden erste Kontakte zu König Ludwig I. von Bayern. Jane heiratete 1832 Freiherr Karl von Venningen-Ulner, nach der Scheidung hierauf den griechischen Grafen Spiridon Theotoki. Ihre vierte Ehe ging sie mit dem syrischen Scheich Medjuel el Mesrab 1855 ein. Sie starb 1881 in Damaskus.

Beim Tango hätte sie vermutlich aufgefordert.

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