Zauberhafter Dorf-Tango


Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir unser Tango-Konzert schon einmal gespielt – es hat uns einen riesigen Spaß bereitet:

Bereits auf der Heimfahrt waren wir damals entschlossen, das Programm noch einmal aufzuführen – und wo, wenn nicht in unserem Heimatort Pörnbach? In realistischer Selbsteinschätzung hatten wir keinen großen Saal im Sinn, sondern das kleine Pfarrheim, wo der hiesige Kirchenchor einmal wöchentlich probt – unter der Leitung meiner beiden Musikerinnen Bettina (Akkordeon, Gesang) und Karin (auch Gesang, aber Violine).

Wenn wir den Raum bis zur äußersten Grenze bestuhlten, würde es maximal 61 Plätze geben. Doch mussten wir das überhaupt? Wir machten uns da keine Illusionen und versicherten uns gegenseitig, wir würden auch für fünf Zuschauer auftreten – wenn diese uns mögen…

Unsere Werbemaßnahmen hielten sich in Grenzen: natürlich auf meinem Blog und bei Facebook mit einer kleinen Annonce im lokalen Anzeigenblatt sowie einigen Flyern. Auch die Pfaffenhofener Presse war freundlicherweise dabei behilflich, uns von jeglicher Überheblichkeit fernzuhalten: Zwei winzige Hinweise (plus der Eintrag in den Wochenend-Veranstaltungskalender) – natürlich ohne die angebotenen Fotos – waren alles, was man der Pörnbacher Kulturszene zumuten wollte. Und natürlich schickte man gestern keinen Reporter – oder der hatte sich auf der Suche nach Pörnbach verirrt…

Daher waren wir mehr als überrascht, dass sich die Reservierungs-Liste zunehmend füllte: Die lokale Beliebtheit unserer beiden Musikerinnen machte sich doch bezahlt! 57 Besucher kamen gestern Abend schließlich ins Pörnbacher Pfarrheim – deutlich mehr, als wir zu hoffen gewagt hatten. Herzlichen Dank dafür!

Der Aufbau am Nachmittag gestaltete sich sehr entspannt. Es ist gerade für einen Zauberer äußerst angenehm und ungewöhnlich, seine Requisiten in einem leeren Saal anstatt im Trubel einer laufenden Veranstaltung aufbauen zu können – und das zirka einen Kilometer von der Wohnung entfernt! Und natürlich benötigte das „Duo Tango Varieté“ noch eine Anspielprobe…

Apropos: Die Intensität, mit der die beiden ihre Programme vorbereiten, beeindruckt mich immer wieder. „Was, ihr wollt schon wieder üben?“ ist einer meiner Standardsätze, mit dem ich allerdings nichts ausrichte. Und zusätzlich fallen für die beiden ja ständig kirchliche Musiktermine sowie Feste aller Art an, so dass sie sich fast täglich treffen.

Die Proben mit den beiden machen mir fast noch mehr Spaß als unsere Auftritte. Gerade bei Tangos müssen die Damen verschiedene Stufen meiner Kritik aushalten – von „so ungefähr“ über „klingt noch ziemlich europäisch“ bis hin zu „das lassen wir jetzt so“. Unser Ehrgeiz ist es immer wieder, jedem Stück sein eigenes Gepräge zu geben – und nicht alles mit einem „Einheits-Sound“ herunterzunudeln. Wir sind ja kein EdO-Ensemble...

So versuchten wir, in unserem Programm eine möglichst große Vielfalt („varieté“) des Tango abzubilden: Wir begannen mit sehr alten Stücken wie „La Cumparsita“ und „El Choclo“, boten Tango-Balladen („Naranjo en flor“ und „En esta tarde gris“) und eine Hommage an den größten Tangosänger aller Zeiten, Carlos Gardel: „Por una cabeza“ und „El día que me quieras“. Klassische Tangowalzer wie „Romance de barrio“ und „Palomita blanca“ durften natürlich ebenso wenig fehlen wie schmissige Foxtrotts und Milongas, beispielsweise „Amor en Budapest“ und „El Porteñito“.  Ebenso wenig auslassen mochten wir Schnulzen wie das unsterbliche „Vida mía“.

Weiterhin wollten wir zeigen, dass Tangomusik kein rein argentinisches Phänomen ist. Daher boten wir auch Titel wie Jakob Gades „Jalousie“, „Youkali“ von Kurt Weill und natürlich auch deutsche Tangos – die ja deshalb in der deutschen Tangoszene ignoriert werden, weil jeder den Text versteht... Unser Publikum hatte großes Vergnügen an der „Kleinen Konditorei“ von Fred Raymond und dem „Schwarzen Zigeuner“ (ein politisch unkorrekter Titel, aber „Du pigmentierter Sinti oder Roma“ passt halt nicht auf den Text). Und als sich bei „Egon, ich hab ja nur aus Liebe zu dir zu viel getrunken“ Weinflaschen vermehrten und ich eine Strophe zu singen versuchte, war das Vergnügen maximal!

In meine Moderation streute ich immer wieder kurze Übersetzungen der Liedtexte ein, damit die Zuhörer zumindest eine ungefähre Ahnung davon hatten, worum es bei den einzelnen Stücken ging. Bei „Malena“ gar boten wir neben dem spanischen Original auch die deutsche Übertragung sowie eine kabarettistische Version zum hiesigen Tangounterricht: „Gerlinde lernt jetzt Tango“. 

Besonders wichtig war es uns, einen Komponisten vorzustellen, ohne den es die weltweit große Tangoszene heute nicht gäbe – und die ihm das nicht dankt: Astor Piazzolla. An seinem berühmtesten Stück, „Libertango“ haben unsere Musikerinnen viel länger gearbeitet als an jedem anderen Titel. Um es deutlich zu sagen: Er steht nur auf unserem Programm, weil wir mit Bettina Kollmannsberger eine Akkordeonspielerin haben, welche diese Schwierigkeiten glänzend meistert!

Und mit der letzten Nummer unseres Programms rollten mir die Musikerinnen einen roten Teppich für das Chinesische Ringspiel aus, mit dem ich seit über 30 Jahren meine Vorstellungen abschließe: „Oblivion“.

Kann man als Laie in zwei Stunden erfassen, was Tango ist und sein kann? Sicher nicht, wenn man nur den Verstand anspricht. Mit dem Gefühl dagegen vielleicht sogar in drei Minuten… So sagte ich Piazzollas Ballade mit den Worten an:

„Für Außenstehende ist Tango schwer zu beschreiben, aber vielleicht besuchen Sie einmal eine Milonga – und wenn sich dann um Mitternacht die Tanzfläche langsam leert und ein einzelnes Paar ein Piazzolla-Stück auf das Parkett malt, dann werden sie vielleicht nicht mit dem Kopf verstehen, was Tango ist, aber mit dem Herzen.“

Offenbar war uns das gelungen: Nach den letzten Tönen von „Oblivion“ minutenlang Riesen-Applaus, Bravos, stehende Ovationen! So konnten wir unsere Zugabe spielen, die Schnulze „Poema“ – und dazu wurde dann auch noch ein wenig Tango getanzt…

Das war übrigens der 36. Auftritt mit meinen Musikerinnen zweifellos bisher der schönste!

Wir wollen unseren Erfolg nicht überbewerten: Klar hatten wir ein „Heimspiel“ – Bettina und Karin haben durch ihre Chor-Tätigkeit eine große „Fangemeinde“. Aber von denen verstehen viele etwas von Musik, was uns nicht ruhiger machte…

Apropos: Die lokale Tangoszene hat unser Konzert weitgehend ignoriert. Ich erlaubte mir, auch darauf in meiner Moderation einzugehen:

„Was unserer ‚Dorf-Kapelle‘ fehlt, ist halt das ‚Authentische‘. Bei deutschen Tangotänzern gilt vor allem das, was aus Argentinien kommt. Dazu bräuchte ich zumindest einen Pferdeschwanz – und meinen Musikerinnen fehlen sogar drei Dinge: zwei spanische Vornamen und eine Packung Selbstbräuner…“

Umso mehr hat es uns gefreut, dass zahlreiche Nachbarn und Mitglieder der Kirchengemeinde uns spontan ihre Hilfe anboten und diverse Aufgaben übernahmen. Wir danken allen ganz herzlich!

Kultur auf dem Dorf? Ich musste gestern an die Entwicklung des Tango denken, die ja auch von Hinterhöfen und Eckkneipen ausging. Und war das weniger authentisch, was man in den Vorstadtvierteln, den „barrios“ machte? Ich finde an solchen Orten eher die Seele des Tango als in den großen Ballsälen – dem Mainstream der „Goldenen Zeiten“ dereinst und dem Branchen-Tango heute.

„Wie schön, dass es in Pörnbach mal einen Konzertabend gibt“, hörten wir gestern mehrmals. Nun, das könnte man doch öfters hinbekommen! Und so schmieden wir bereits Pläne, eine solche Veranstaltung einmal im Jahr zu machen. Am Repertoire soll es nicht scheitern: Operette, Musical, Wienerlied, Chanson… Wir werden sehen!

Aber natürlich spielen wir unser Konzert „Zauberhafter Tango“ auch gerne noch einmal auswärts. Wer es mit unserer „Dorf-Kapelle“ wagen möchte, darf uns gerne schreiben: mamuta-kg(at)web.de


P.S. Weitere Bilder auf meinem Zauber-Blog!
https://diemagiedesgr.blogspot.com/2019/05/tangokonzert-die-schonsten-bilder.html

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