10000 Stunden bis zur Meisterschaft


Eine Blogger-Kollegin auf der Seite „Berlin Tango Vibes“ hat nun unter dem Titel „10000 Stunden Tango“ ein interessantes Zahlenspiel veröffentlicht:
Ihr Ansatz: Diese Zeit der Befassung mit einer Materie, so sage man, brauche jemand bis zur Meisterschaft. Sehr pauschal – vielleicht zu pauschal. Aber mal so als Gedankenspiel

Ihre persönliche Berechnung des wöchentlichen Zeitaufwands:

·         2 Stunden Tangounterricht
·         2,5 Stunden Tanzen auf Milongas
·         1 Stunde Beobachtung anderer Tanzenden (live und auf Videos)
·         2,5 Stunden eigenes Üben

Mache summa summarum 8 Stunden pro Woche.

Anschließend zieht sie 6 Wochen des Jahres wegen „Non Tango-Urlaubs“ und Krankheit ab – blieben 46 Wochen. Die also mal 8 Stunden: macht 368 Stunden pro Jahr. Dazu addiert sie noch den Besuch von auswärtigen Events und kommt insgesamt auf 420 Stunden Tango jährlich (also zirka 1 Stunde 10 Minuten am Tag).

4 Jahre sei sie nun im Tango aktiv (Mei‘, süß, und da schreibst schon an einem Blog mit?). Somit habe sie bereits rund 1700 Stunden absolviert. Für die restlichen 8300 Stunden bis zur Meisterschaft benötige sie daher voraussichtlich noch fast 20 Jahre – dann wäre sie Mitte Fünfzig: doch ein erstrebenswertes Ziel!

Ja, klar – und: Tja, Mitte Dreißig müsst man halt nochmal sein, oder? Nein, lieber nicht: Hätte ich in dem Alter das kennengelernt, was derzeit und hierzulande als Tango gilt, würde ich seit langem Salsa tanzen oder ein Jura-Zweitstudium absolvieren (vielleicht auch beides zusammen, wäre doch originell).

Selbstredend hat mich die Rechnung gereizt, selber herauszukriegen, wie weit ich noch von der Meisterschaft im Tango entfernt bin. Also:

Unterricht fällt bei mir nicht ins Gewicht – na gut, die ersten 3 oder 4 Jahre wöchentlich etwa 2 Stunden, lohnt sich nicht einzurechnen. Die Besuche von Milongas machen dagegen einen fetten Posten aus: In den Anfangsjahren war ich fast täglich beim Tango – der Rekord war, glaube ich, mal 15 Tage hintereinander! Inzwischen ist es – auch dank des heutigen Musikangebots, deutlich weniger geworden. Aber dreimal pro Woche ist bestimmt als Gesamtdurchschnitt nicht übertrieben.

Wie lange tanze ich pro Milonga? Nun, früher mehr als heute, man wird ja nicht jünger, und die Musik… hatten wir schon. Aber 8 Tandas sind das im Schnitt sicherlich, also zirka 1,5 Stunden.

Anderen Paaren live zusehen oder sie auf Videos betrachten? Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, die ich ebenso für das Blog brauche. Wahrscheinlich ist es viel mehr, aber rechnen wir mal 2 Stunden pro Woche hinzu.

Ein Schwerpunkt ist sicherlich meine schriftstellerische Arbeit: Ich habe ein Tangobuch herausgebracht und zwei Neuausgaben bearbeitet. Über 700 Texte auf meinem Blog stammen aus meiner Feder. Auch die Recherchen und Kontakte mit Lesern verschlingen eine Menge Zeit, ebenso Werbung, unsere Website und der Buchversand. Die Frage ist halt, inwiefern das meine Tangoentwicklung direkt beförderte. Daher rechne ich einmal lediglich eine Stunde pro Tag dafür ein.

Ach ja – und das Auflegen: Ich muss ja, da ich kein traditioneller DJ bin, ständig nach neuen CDs, aktuellen Gruppen etc. fahnden, monatlich eine Playlist erstellen, diese auch veröffentlichen. Ich rechne dafür wenigstens eine Wochenstunde.

Urlaub, Krankheit? Ich bin eh kein „Wegfahrer“ – und wenn, dann spielte dabei der Tango stets eine wichtige Rolle. Und selbst während meiner Chemotherapie war ich tanzen. Daher erlaube ich mir, die vollen 52 Wochen eines Jahres einzurechnen.

Das ergäbe dann pro Woche:

·         4,5 Stunden eigenes Tanzen
·         2 Stunden Zuschauen
·         7 Stunden Autorentätigkeit
·         1 Stunde Musik-Bearbeitung

Macht insgesamt 14,5 Stunden pro Woche oder zirka 750 Stunden im Jahr. Und da ich seit 1999 Tango tanze (die vielen Jahre Standardtanz davor lasse ich weg):
gut 15000 Stunden!

Die geforderten 10000 Stunden hatte ich also rechnerisch bereits nach zwei Dritteln der Zeit, also gut 13 Jahren, erreicht.

Huch! Ich bin somit seit 7 Jahren Tango-Maestro, ohne es geahnt zu haben!

Und ich verfüge dennoch auf den Traditions-Milongas noch immer über keinen reservierten Tisch direkt vorne an der Tanzfläche? Das könnte in Buenos Aires nicht passieren!

Und gell, KlausWendel, in Zukunft nennst mich gefälligst „Maestro Gerardo“, sonst staubt’s!

Illustration: www.tangofish.de


Kommentare

  1. Ich habe nun den Hintergrund der „10000 Stunden-Regel“ recherchiert:

    Die gewagte These stellte der Psychologe Anders Ericsson von der Florida State University vor mehr als zwei Jahrzehnten auf. Seine 10.000-Stunden-Regel scheidet seither die Geister und war Gegenstand zahlreicher Studien, Versuche und Untersuchungen.

    Die Forschung von Ericsson basierte auf einer Hypothese aus dem Buch „Outliers: The Story of Success“. Der Autor, Malcolm Gladwell, war überzeugt, dass übermäßig erfolgreiche Menschen nicht unbedingt talentierter sind als andere, sondern schlichtweg fleißiger. Ericsson griff diese Überlegung auf und will in Studien herausgefunden haben, dass extrem erfolgreiche Menschen, wie eben Mozart oder Phelps, bis zu ihrem 20. Lebensjahr durchschnittlich 10.000 Stunden Training hinter sich hatten. Diese These fand in der Gesellschaft viel Anklang. Klar, schließlich erfüllt sie den Wunschgedanken, mit Disziplin könne jeder Mensch alles erreichen.
    Es müssen nicht einmal 10.000 Stunden sein

    Ein Wunderkind sein, hochbegabt oder sogar weltberühmt – diese Worte klingen in vielen Ohren verlockend. Ericsson möchte also herausgefunden haben, dass es bis zum 20. Geburtstag „nur“ 10.000 Stunden Training braucht, um all das erreichen zu können. Eine Zahl, die Gladwell übrigens willkürlich gewählt hat. Genau genommen handelte es sich im Rahmen seiner Untersuchungen nämlich um Kinder und Jugendliche, welche Geigenunterricht genommen hatten. Die besten Geiger hatten bis zu ihrem 18. Geburtstag mindestens 7.400 Stunden geübt.

    Weitere Forschungen bestätigten diese Regel nicht:

    So konnte Brooke MacNamara von der Princeton University zwei Jahrzehnte nach der erstmaligen Erwähnung einer potenziellen 10.000-Stunden-Regel beweisen, dass Übung nur für zwölf Prozent des Erfolgs verantwortlich ist und demnach nicht immer den Meister macht -– auch nicht nach 10.000 Stunden. Untersucht wurden Probanden aus den Bereichen Sport, Musik, Spiel und Beruf in insgesamt 88 Studien. Ziel war herauszufinden, inwiefern die Zahl der Übungsstunden Einfluss auf die schlussendliche Performance hat. Die überraschenden Ergebnisse lauten wie folgt:

    • Ohne Übung wurde niemand gut in seinem Bereich.
    • Bei den Spielen macht Übung einen Unterschied von 25 Prozent.
    • Im sportlichen Bereich waren es immerhin noch 18 Prozent.
    • Bei der Musik waren es nur noch vier Prozent und
    • Im Beruf hat Übung nur zu einem Prozent Einfluss auf die Performance und damit auf den Erfolg.

    https://www.forschung-und-wissen.de/magazin/was-ist-dran-an-der-10.000-stunden-regel-13372639

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