Umme Engarmung II
„Ab 5 Uhr 45
wird zurückgelächelt“
(Wolfgang
Neuss)
Der
Beitrag zum Thema „enge Umarmung“
fand sehr großes Interesse: Auf meinem Blog gab es bislang über 400 direkte Zugriffe und eine Reihe von
schönen Kommentaren. Allen Lesern
und Schreibern herzlichen Dank!
Mir
war natürlich klar, was passieren würde, als ich einen Link zu dem Text auch
auf dem Forum „tanzmitmir“
veröffentlichte. Es gibt dort eine Reihe von „Dauer-Kommentatoren“, die zu
jedem Beitrag etwas haben, was sie mit einer fundierten Ansicht verwechseln.
Beinahe jedes Thema wird dann mit pubertären Sprüchen und persönlichen
Anzüglichkeiten geschreddert. Eine kleine aktuelle Auswahl:
„Aber solange Du Dir davon Reichweite für Dein Blog versprichst,
nimmst Du das ja offenbar immer wieder hin.“
„... jaja die werbung
in eigener sache, ok., soll so sein, ein wenig zündeln.“
„Und wie eng tanzt Du mit der Dir angetrauten Karin heutzutage?“
„... so nebenbei, was hat dies mit TANGO zu tun?“
„Aber zurück zum
Thema - hast Du Deine Frau eigentlich beim Tanzen kennengelernt? Und wenn ja -
war da auch Kontakt im Ober- oder Unterkörper mit im Spiel?“
„Es könnte sein, dass
er Werbung für seinen Blog machen will, da er ohne dieses Forum zuwenig
Zugriffe hat.“
„ich hatte einmal ein
Video hier auf tmm gesehen, G.R. Tango tanzend in Aktion, möglicherweise hat er
das mit masochistischer Tendenz gemeint!“
Wer sich den ganzen „Diskussionsverlauf“ antun möchte:
Dennoch bin ich zufrieden: Dieser Thread zählt
dort momentan fast 700 Aufrufe, was
wieder einmal darauf hinweist, dass man die Leser nicht mit den paar Maulaufreißern
verwechseln darf, welche an einem Text ihre klebrigen Fingerspuren
hinterlassen!
Außerdem – und darum soll es hauptsächlich
gehen – hat ja Tangoexperte Cassiel
dort ebenfalls eine längere Besprechung
meines Artikels hinterlassen, mit durchaus sinnvollem Kalkül: In diesem
Umfeld nehmen sich seine Texte qualitativ deutlich besser aus – ein Auge sieht
mehr als gar keines!
Ich habe daher seinen Beitrag der trostlosen Umgebung
entzogen und als Postskriptum auf
mein Blog gesetzt (und auch darunter im Kommentarbereich dazu Stellung
genommen):
Natürlich war klar, dass dem Tangoblogger
außer Diensten mein Text nicht gefallen würde. Folglich lautet sein
Gesamturteil: „Sich aber nun zu beschweren,
wenn es für andere um die Verbindung im Paar geht (und dies auch z.B. in einer
geschlossenen Umarmung sichtbar wird), halte ich für ziemlich unangebracht.“
Das Dumme ist nur: Ich habe mich in dem
Artikel über gar nichts beschwert –
im Gegenteil halte ich es für durchaus angebracht, wenn ein Paar die Verbindung
im Tango mittels einer engen Tanzhaltung sucht (mache ich fallweise auch).
Ebenso statthaft finde ich es allerdings, wenn man dies in einem weiteren
Abstand probiert. Für daneben halte ich es aber, das Aufeinanderpappen als höchste Stufe tangomäßiger Vollendung
zu preisen (oder andere, quasi naheliegende Motive zu ignorieren).
Diese „Heilslehre“
habe ich mit einigen Beispielen und Gedanken veräppelt, über welche man – so der
heute wohl tangountypische Humor
verfügbar wäre – lächeln könnte, anstatt im Stil totalitärer Parteiorgane von
einst ideologische Abgrenzung zu betreiben. Aber das ist halt der imerwährende
Unterschied zwischen dem „Neuen
Deutschland“ und „Neuss Deutschland“…
Anlass für meinen Beitrag war die Mail –
Entschuldigung: „isolierte Meinungsäußerung“ einer Tänzerin, welche mit zu enger Umarmung gelegentlich ihre Probleme
hat, vor allem, wenn Männer sie ungefragt und heftig „zur Brust nehmen“.
Für Cassiel wieder einmal eine gute Gelegenheit, die „Wunderwaffe Cabeceo“ ins Feld zu führen, welche mit der Kompression femininer Brustkörbe genau nichts zu tun hat. Und wenn man lange
rumsitze, müsse man halt – seiner Meinung nach und grob gesagt – nehmen, was man kriege, statt sich dann
auch noch „zu beschweren“.
Sehr gelacht habe
ich aber, als ich einen Artikel des
Meisters persönlich (von 2009) fand, auf den er sich heute noch einmal
ausdrücklich berief. Dort berichtet Selbiger ebenfalls von einem „Einzelschicksal“,
nämlich einer Tänzerin, welcher er in bewährt enger Weise unter die Arme griff:
Die „arme Tanguera“ fühlte sich „genötigt“ von einem Tanguero,
der „für seinen sehr
dichten und expressiven Stil hinlänglich bekannt sein sollte“.
Natürlich brachte
unser Held der bedrängten Maid umgehend bei, „daß sie als Frau maßgeblich die Umarmung mitbestimmen
darf und sich sogar ggf. gegen eine zu übergriffige Umarmung zur Wehr setzen
kann“ – und Solchiges auch noch
per praktische Übung: „Sollte es der Tanguero nicht verstehen, so kann die linke
Hand auch auf den Oberarm hinuntergleiten und dort mit einem leichten Druck die
notwendige Distanz, die die Tanguera zum Wohlfühlen benötigt, sicherstellen.
Kein Bodybuilder der Welt kann diese Sperre überwinden; also ist keine Tanguera
der dichten Umarmung willenlos ausgesetzt.“
Nun gut, er ist
keine Frau – nach glaubhaften Schilderungen ist mir bekannt, dass schon manche
Dame in solchen Situationen den Wunsch hatte, im Kraftsport ausgebildet zu sein – aber immerhin überkommt den Autor hierbei
eine atemberaubende Vision: „Meine Herren, ist es denn nicht ein verlockend klingender
Plan, sich auf den Wunsch der aktuellen Tanguera nach Mitbestimmung in der
Frage von Distanz und Nähe einzulassen?“
Bei
mir klingt das so: „Wenn ich selber tanze, verschwende ich kaum einen Gedanken
zur Frage des Abstands – der ergibt sich situativ je nach Musik und
Körpersprache. Wenn sie weiter weg bleiben will, kein Problem!“
Was ist der Unterschied
zwischen beiden Texten? Ganz klar: Der eine stammt von Cassiel, der andere
von mir!
Im Gegensatz zu meiner Person verschwendet mein Kollege jedoch schon
viele Gedanken über die korrekte Nähe: „Etwas anstrengend wird es für mich, wenn eine Tanguera
unentschlossen ist. Es gibt eine Tanguera, die wechselt ständig ihre Umarmung.
Mal geht sie in die geschlossene Umarmung, mal wechselt sie unterm Tanz aus für
mich nicht nachvollziehbaren Gründen plötzlich in die offene Umarmung. Sie
begründet das auch nicht verbal. Ich frage dann so ab und zu zwischen den Tänzen,
ob meine Umarmung angenehm ist, oder ob sie etwas anders haben will. Sie
versichert stets, daß es für sie angenehm ist. Ich gebe zu, ein solches
Wechselbad verunsichert mich manchmal. Das macht aber nichts.“
Nein, wirklich nicht! Aber nur so als Tipp: Möglicherweise
hat besagte Frau die Musik interpretiert:
Gerade bei modernen Tangoaufnahmen, welche nicht dreieinhalb Minuten konstant
durchschrammeln, gibt es Passagen, die eher zu inniger Nähe respektive zu
heftigeren Aktionen einladen, wofür man etwas mehr Platz braucht. Aber woher
soll einer das wissen, der sich nicht mit solchen Klängen beschäftigt? Auf seinem Blog schrieb er einmal, er habe vor dem
Tango (z.B. im Schultanzkurs) überhaupt
nichts mit dem Tanzen anfangen können. Nach meiner Erfahrung sind da
grundlegende Änderungen selten…
Angeblich ist ja
Tango ein „reiner Improvisationstanz“.
Das gibt mir die Hoffnung, dass man eine pragmatische Frage wie den Abstand zwischen
den Tanzenden nicht zu ideologischen Grabenkämpfen oder Unterscheidungen
zwischen einem „veredelten“ und einem „ordinären“ Tango missbraucht. Die
Einsicht des großartigen Kabarettisten Wolfgang
Neuss, der regelmäßig den Blutdruck in Betonköpfen steigen ließ, sollte
allerdings zu Realismus mahnen:
P.S. Die neuerliche Antwort von Cassiel auf besagtem Forum beweist mir, dass es richtig war, dort die Diskussion einzustellen. Und nun kriegt auch Kommentatorin Sandra ihr Fett ab - war auch zu erwarten, denn Frauen belehren ist des Meisters Spezialgebiet...
http://www.tanzmitmir.net/tanzpartner-boerse/viewtopic.php?t=19294&start=30&sid=c2f8b66807ae08cc6c7da3159bbd72bc
"korrekte Nähe", oh je…."korrekt" :'-(
AntwortenLöschen(..)
Nein, wirklich nicht! Aber nur so als Tipp: Möglicherweise hat besagte Frau die Musik interpretiert:
(..) haha, ich lach mich schlapp, genau am Ende des vorigen Absatzes habe ich genau das gleiche gedacht…
:-[))=
Also wenn mir bereits der vierte altgediente Argentinische "Maestro" folgende Prioritätenliste aufzählt: "Zuerst die Frau (in meine hoffentlich oderne Auffassung übersetzt: Folgende/Folgender), dann die Musik, dann die Eleganz (Technik, Schritt, Schrittkombination, was auch immer)"
Dann akzeptiere ich dies zunächst als Axiom bis mir eine andere Koryphäe mir von einem anderen Tango Universum erzählt…aber ich tanze noch nicht mal ein halbes Jahrzehnt, wovon habe ich schon eine Ahnung…. ;-[P=
(..)
Frauen belehren ist des Meisters Spezialgebiet...
(..) oh je, dann würde ich das Wörtchen Meister aber ganz schnell in Kursiv oder Anführungsstriche setzen ;-)
Ich muss unbedingt diesen Aufkleber aus deinem Milonga"Führer" als Pin Button basteln.
Nicht nur für meine Partnerin sondern auch für mich :-)
"Zuerst die Frau (in meine hoffentlich oderne Auffassung übersetzt: Folgende/Folgender), dann die Musik, dann die Eleganz (Technik, Schritt, Schrittkombination, was auch immer)"
Löschentststs ...
ich bin halt kein Maestro, aber ich bin der Meinung: zuerst die Musik!!! und dann lang nix.
Gibt genügend Frauen, die das auch genau so toll finden. Und mit den anderen muss ich nicht tanzen. "Prinzessin, know your place!" (und hier gehört der Smiley hin, der die Zunge rausstreckt.)
("Music is my first love" und wird wohl auch meine letzte Liebe sein, die mir irgendwann noch bleibt. Zum Glück ist sie überhaupt nicht eifersüchtig ....)
Lieber Robert,
Löschenja, wir Tänzer sind vor allem der Musik verpflichtet - dann kommt lang nix...
Daher tue ich mich auch mit dem Dauer-Gesabbel mancher Milongabesucher sehr schwer!
Lieber Wolfgang,
Löschenmeinst Du den Aufkleber auf Seite 30?
Und - o Gott - "Meister" (oder gar "Maestro") in Anführungszeichen? Das Zentrale an der Tangokultur ist die "Kultur des Beleidigtseins" - also lieber nicht!
Lieber Gerhard,
AntwortenLöschenwenn Du mich verlinkst, krieg ich natürlich mein Fett weg ;-).
Cassiels Wortwahl gegenüber mir ist nicht unhöflich und dass er seine Meinung vertritt - so wie ich die meinige - ist ja legitim.
Man könnte es nun auch auf den Punkt bringen:
"Ich akzeptiere Deine Meinung, aber meine gefällt mir besser." :-)
Die Diskussion über die Art und Weise und die verschiedenen Empfindungen in Bezug auf die enge oder geschlossene Umarmung - auch wenn sie in meinen Augen mitunter auf pubertärem Niveau geführt wird - ist meines Erachtes sehr notwendig.
Und selbst, wenn im Zusammenhang mit dieser Diskussion hier bei einigen nur ein klein wenig etwas zum Nachdenken anregt - ich will auch ausdrücklich sagen, dies gilt für alle Parteien - dann ist schon sehr viel gewonnen. Und meist ist es so: ein bissl was bleibt immer im Hinterkopf hängen.
So wünsch ich euch allen schöne Umarmungen - ganz egal, wie eng äh geschlossen ;-)
Liebe Grüße
Sandra
Schön, dass Du es sportlich siehst! Und klar, Diskussionen dienen auch immer dazu, den eigenen Standpunkt zu überprüfen und nötigenfalls zu korrigieren.
LöschenWenn ich über ein Thema schreibe, dann nicht in erster Linie, weil ich mich "darüber aufrege", sondern aus meiner Einschätzung, dass es gerade große Aufmerksamkeit findet.
In einem Blog wäre es tödlich, sich mit Stoffen zu befassen, die kein Schwein interessieren.
Die Resonanz auf die Veröffentlichungen der letzten Tage zeigt mir, dass ich nicht so falsch liegen kann!