Liebes Tagebuch… 23
Mit „Tangofreunden“ ist das so eine Sache. Gestern erreichte mich – als Antwort auf meine Einladung zu unserer „Wohnzimmer-Milonga“ – eine bemerkenswerte Mail:
„Hallo Gerhard,
kannst Du mich bitte von Deiner Verteilerliste nehmen?
Ich glaube nicht, dass Du mich mit meinem Verständnis von Tango wirklich in Deiner Milonga haben willst.
Schöne Grüße
(…)“
kannst Du mich bitte von Deiner Verteilerliste nehmen?
Ich glaube nicht, dass Du mich mit meinem Verständnis von Tango wirklich in Deiner Milonga haben willst.
Schöne Grüße
(…)“
Den
Betreffenden kennen wir schon viele Jahre von unseren Tangoausflügen in eine
bestimmte Region – inklusive Verknüpfungen zu gewissen, ebenfalls mit uns
bekannten anderen Tangomenschen. Gegenbesuche auf Milongas in unserer Nähe
(oder gar auf unseren eigenen Veranstaltungen) sind mir nicht erinnerlich.
Von
meinem Tangobuch weiß diese Person wohl seit 2010, und zumindest seine
ehemalige Partnerin hat es bei mir gekauft. (Die tanzt übrigens alles andere
als „brav“ – oder bin ich da auch nicht mehr auf dem neuesten Stand?) So
sollten ihm eigentlich meine Sichtweisen seit Jahren bekannt sein. Dennoch begrüßte
er uns stets sehr herzlich und tanzte auch gerne mit meinen Begleiterinnen. Und
ich sah ihn durchaus auch auf Milongas, wo mehr aufgelegt wurde als
traditionelle Musik.
Wer
oder was hat sich da eigentlich geändert?
Meine
Beantwortung seiner Mail fiel ebenfalls relativ knapp aus:
„Hallo (…),
ok, mache ich natürlich.
Allerdings darf bei uns jede/r ganz
ohne ‚Gesinnungskontrolle‘ mitmachen - und tanzen, was und wie er will.
Beste Grüße
Gerhard“
Wider
Erwarten erhielt ich doch noch eine weitere Reaktion:
„Hallo Gerhard,
als typischer Encuentro-Tänzer kann ich das kaum glauben.
Sehe mich da in Euren Posts eher als Ziel von zynischem Hohn und Spott.
Es gibt ja Gott sei Dank genügend Veranstaltungen, wo jeder ‚seinen‘ Tango so genießen kann, wie er ihn versteht.
Schöne Grüße (…)“
als typischer Encuentro-Tänzer kann ich das kaum glauben.
Sehe mich da in Euren Posts eher als Ziel von zynischem Hohn und Spott.
Es gibt ja Gott sei Dank genügend Veranstaltungen, wo jeder ‚seinen‘ Tango so genießen kann, wie er ihn versteht.
Schöne Grüße (…)“
Meine
Antwort:
„Hallo (…),
dass Du mittlerweile ein ‚typischer
Encuentro-Tänzer‘ bist, wusste ich nicht. Wir kennen Dich als langjährigen Gast
‚normaler‘ Milongas.
Ich wüsste nicht, dass ich Dich in
meinen Texten einmal persönlich angegriffen hätte. Dass Encuentros nicht die
Veranstaltungen sind, die meinem Tangoverständnis entsprechen, ist klar – und den satirischen Grundton meiner
Veröffentlichungen finden die einen witzig, die anderen zynisch – Geschmackssache. Jeden Einzelnen zu
verdammen, der an solchen Veranstaltungen teilnimmt, ist jedoch nicht meine
Sache.
Wenn ich mich zu einem solchen
Treffen anmelden würde, wäre meine Erwartung, dass man mich nicht wegen meiner
Artikel ausschließt – so wie ich mich in dem Fall selbstredend an die dortigen Gepflogenheiten
halten würde.
Und jeder, der sich zu unserer
Wohnzimmer-Milonga anmeldet, muss natürlich mit unserer Musik klarkommen.
Welche Einstellung er ansonsten zum Tango hat und was er von Leuten wie mir
hält, ist seine Privatsache und wird von uns nicht hinterfragt.
Insofern bitte ich, meine
allgemeinen Überzeugungen nicht auf mein Verhältnis zu individuellen Personen
herunterzurechnen.
Andere mögen so denken und das dann
auf mich projizieren - umgekehrt ist dies aber nicht der Fall.
Beste Grüße
Gerhard“
Danach:
Sendepause – und das war es dann wohl auch…
Ich würde
mich freuen, wenn man bei meinen Veröffentlichungen zwei Punkte trennen könnte:
· Kritik an
einzelnen Menschen – diese setze ich lediglich in zwei Fällen ein: Bei Personen,
die anonym oder unter Pseudonym schreiben. In diesem Fall gibt es ja keine
Privatsphäre, die ich verletzen könnte. Oder wenn der Betreffende für sich
öffentlich wirbt, besonders, wenn diese Darstellung eher aggressiv oder
hoheitsvoll daherkommt.
· Allgemeine
Überzeugungen, welche – zugegebenermaßen – bei mir häufig mit einem kräftigen
Schuss Satire versehen sind (die man je nach Geschmack lustig, unterhaltsam
oder böse bzw. zynisch nennen mag). Dass sich dann jeder Einzelne – gerade,
wenn wir uns privat kennen und mögen – diesen Schuh anziehen muss, ist jedoch
absolut freiwillig und seine Entscheidung.
Wenn man (wie ich) Mitglied einer politischen Partei ist, darf man heftige Angriffe auf diese ja auch nicht persönlich nehmen. Sonst käme man aus dem „Beleidigtsein" gar nicht mehr heraus.
Ich stelle
mir einmal vor, wie mit der obigen Person ein entsprechender direkter Dialog auf
einer Milonga verlaufen wäre. Vielleicht so:
„Wo treibst du dich denn derzeit im
Tango rum?“
„Seit einiger Zeit eher auf
Encuentros, aber auf die bist du ja wirklich nicht gut zu sprechen.“
„Na ja, das ist nicht die Szene, wo
ich den Tango finde, welcher mich fasziniert. Aber wenn’s dir Spaß macht…“
„Da fühle ich mich von deinen Texten
aber schon auch persönlich angegriffen.“
„War nicht meine Absicht, einzelne
Menschen herunterzumachen. Übrigens, wenn du mal auf unsere Wohnzimmer-Milonga
kommen möchtest – gerne!“
Beim
nächtlichen Grübeln über diese Auseinandersetzung fiel mir ein Zauberauftritt
ein, den ich vor vielen Jahren im Kloster Scheyern hatte: Da stand ich im
ehrfurchtgebietenden Kapitelsaal vor dem versammelten Kollegium der Patres und
Fratres mit dem Herrn Abt in der Mitte. Angesichts der ungewöhnlichen Situation
stach mich gewaltig der Affe (vor zwanzig Jahren war ich noch weit krasser
drauf als heute) – und so ließ einige ziemlich harte Anspielungen auf die
katholische Kirche los: Für das, was ich hier triebe, so bekam die hohe
Geistlichkeit gesagt, hätte man mich wohl vor ein paar Jahrhunderten an
gleicher Stelle verbrannt. Und selbstredend ließ ich es mir nicht nehmen,
Wasser in Wein zu verwandeln – mit entschuldigendem Blick nach oben: „War nur Spaß…“
Und wie
reagierten die Klosterbrüder? Sie lachten sich schlapp, ich erhielt nicht nur
großen Applaus, sondern eine fette Gage sowie eine handschriftliche Widmung vom
Abt persönlich.
Diese
Erfahrungen habe ich mit Ordensleuten öfters gemacht. Nie vergessen werde ich
auch eine Faschings-Zaubervorstellung in einem katholischen Waisenhaus, bei der
die leitende (noch recht junge) Ordensschwester sich in ein ziemlich heißes
Kostüm mit Netzstrümpfen geworfen hatte und nach dem Auftritt noch ein Tänzchen
mit mir wagte. Warum auch nicht? Gefährdet das ihren Glauben oder die Profess?
Ich glaube,
das Schlüsselwort für beide Fälle lautet „Souveränität“
– eine Sache zwar überzeugt zu vertreten, sich aber nicht für jeden Käse
persönlich haftbar machen zu lassen, den der eigene Laden halt auch zu bieten
hat (oder hatte). Und über (sogar mal deftige) Anspielungen im Zweifel lieber
herzhaft zu lachen als die – ziemlich unattraktive – beleidigte Leberwurst zu
geben.
Und bei
aller Kritik an unseren christlichen Kirchen: Wie wäre es mir bekommen, wenn
ich bei einem Auftritt in einer Moschee ähnlich freche Sprüche über den Islam
gerissen hätte?
Was halten
unsere bayerischen Politiker da eigentlich jedes Jahr auf dem Nockherberg aus?
Und die Attacken dort sind sogar wirklich höchstpersönlich! Natürlich steckt da
nicht nur der (zumindest fallweise zu vermutende) individuelle Humor dahinter,
sondern auch das schlaue Kalkül, die eigene Sache dadurch attraktiv zu machen,
indem man lieber lächelt, statt in zornige Grimassen zu verfallen.
Dies
vielleicht als nützlicher Tipp an unsere Freude der geschlossenen
Tangoveranstaltungen – ein bisserl weniger „Wagenburg-Mentalität“ würde euch
mehr Sympathien einbringen!
Oder
schreibt’s doch mal eine wirklich gelungene Satire über den Gerhard Riedl…
Edit (15.6.24): Den betreffenden Tangofreund habe ich seitdem nicht mehr gesehen. Entweder er besucht nur noch Encuentros oder hat den Tango längst aufgegeben. Mit seiner Ex-Partnerin tanze ich noch gelegentlich: Immer ein Vergnügen, da sie nach wie vor genial abgefahren agiert!
Eigentlich ganz praktisch, wenn Leute sich auf diese Art selbst wegfiltern...aber ein bißchen schade natürlich auch. Unterstützt jedenfalls meine These, daß es vielleicht manchmal ganz gut ist, wenn man nicht zuviel über die Leute weiß, mit denen man tangomäßig so unterwegs ist. Okay...das war jetzt ein wenig zynisch. Zynismus soll ja auch das Ergebnis von enttäuschtem Idealismus sein. Bei mir stimmt das wohl.
AntwortenLöschenBei mir leider auch...
LöschenIch finde es einfach schade – die betreffende Person sollte mich besser kennen und daher wissen, dass ich im Einzelfall die Beweggründe für den Besuch von Encuentros durchaus verstehen kann.
Im Zweifel hätte er zum Beispiel hier den Dialog suchen können.
" .. Allgemeine Überzeugungen, welche – zugegebenermaßen – bei mir häufig mit einem kräftigen Schuss Satire versehen sind (die man je nach Geschmack lustig, unterhaltsam oder böse bzw. zynisch nennen kann) [?¿?] . Dass sich dann jeder Einzelne – gerade, wenn wir uns privat kennen und mögen – diesen Schuh anziehen muss, ist jedoch absolut freiwillig und seine Entscheidung. " Dem ersten Satz meines Zitats fehlt wohl der letzte Satzteil, oder?
AntwortenLöschenVG, Thomas Müller
Ja, und? Ganze Sätze sind bei Aufzählungen nicht nötig.
Löschen