Was man beim Tango immer wieder fragt

Um nicht immer wieder dieselben Fragen beantworten zu müssen, veröffentlichen viele Lehrende „FAQs“ – also „Frequently Asked Questions“. Besser gesagt: die Auskünfte dazu. Ich habe eine Reihe von Beispielen zusammengesucht. Kriegt die Kundschaft dabei halbwegs ehrliche Informationen?

Die Kardinalfrage lautet natürlich:

Ist Tango schwer zu erlernen?

Immerhin bezeichnet eine Quelle die Frage als „schwierig“ und versucht eine differenzierte Antwort zu geben:

„Wer beim Tango einen Tanz erwartet, den er oder sie über den Verstand und das Auswendiglernen von Schritten lernen kann, ohne sich selbst einzubringen, wird vermutlich eher Schwierigkeiten haben. Der Tango lässt sich nicht halb oder mit Masken tanzen, er braucht unsere ganze Präsenz. Wer dazu nicht bereit ist oder nicht hinschauen möchte, an welcher Stelle es in der Beziehung oder auf der Kommunikationsebene hakt, wird genau damit immer wieder konfrontiert werden!“ (5)

Wie wahr!

In den meisten Antworten wird aber abgewiegelt:

„Tango ist zwar die Königsdisziplin aller Tänze, doch in seinem Wesen ist er nichts anderes als das gemeinsame Gehen mit dem Partner zur Musik.“ (2)

„In dem Ursprungsland war der Tango ein Volkstanz und er basiert auf natürliche Körperbewegungen, jeder kann das lernen!“ (4)

Da stimmt weder die eine noch die andere Behauptung. Tango war in Argentinien stets der Tanz der Metropolen – und einfach ist er wahrlich nicht. Aber klar – die Tanzschulen wollen halt die Kurse vollkriegen. Kaum jemand wagt das Experiment, diesen Tanz als schwierig zu bezeichnen und auf diese Weise ehrgeizigere Interessenten zu bekommen. Schade!

Geht es noch unehrlicher? Klar:

„Aber ja! Unser Kurs ‚Basics‘ startet ganz von vorne. Es sind keinerlei Vorkenntnisse oder Talente erforderlich. Auch zwei ‚linke Beine‘ reichen aus. Jeder wird dort abgeholt, wo er steht. Der Spaß am Tangotanzen steht im Vordergrund.“ (1)

„Wir sprechen aus 20 Jahren Erfahrung: Alle können Tango tanzen lernen. Du musst keine Schrittsequenzen auswendig lernen, nicht besonders gelenkig sein, und die Musik bringen wir Dir Stück für Stück im Unterricht näher. (6)

Na ja, oft ist es immer dasselbe Stück... 

Klar, alle können Tango lernen – und es geht nicht um Schrittsequenzen… Ich verstehe die geschäftlichen Interessen – man sollte der Kundschaft aber nicht ganz verschweigen, dass zwar alle einige tangoähnliche Bewegungen lernen können. „Tango tanzen“ ist aber etwas anderes!

Zudem meine ich: Wer fragt, ob Tango schwierig sei, bastelt schon an einer Ausrede, wieder aufzuhören. Wem beim Hören der Musik nicht das Bedürfnis überkommt, sich zu bewegen, sollte mit diesem Tanz lieber gar nicht erst anfangen!

Kann man schon nach der ersten Tangostunde auf den Milongas mittanzen?

„Du kannst bereits nach der ersten Stunde mittanzen. Allerdings fehlt dir dann noch das Repertoire, deine Schritte zu variieren.“ (1)

Ja, und 99 Prozent vom Rest… Eine erfolgversprechende Methode, um Anfängerinnen und Anfänger gleich mal zu „versenken“. Siehe die Erfahrungen, welche eine Tänzerin in meinem letzten Artikel schilderte!

Sollte man Vorkenntnisse in anderen Tänzen haben?

Hierbei sind sich die Veranstalter einig: Braucht es nicht!

„Nein, du brauchst keine Vorkenntnisse im Tango, um bei uns zu starten.“ (3)

„Außerdem: manchmal ist es besser, keine Vorerfahrung aus anderen Tänzen mitzubringen. Es kann sogar schwieriger sein für Menschen, die bereits Gewohnheiten aus Standard-Latein-Tänzen, Salsa oder Lindy Hop etc. mitbringen. Diese Tänzer müssen sich umstellen, was unter Umständen schwieriger ist, als mit einem ‚leeren Blatt‘ anzufangen.“ (5)

So tanzt man dann auch das erste halbe Jahr… Ich glaube, die Schwierigkeit im heutigen Tango ist eher, dass viele, die Jahrzehnte einen Bogen ums Tanzen gemacht haben, sich auf einmal für den Tango entscheiden – vielleicht gerade deshalb, weil man ihnen eingeredet hat, Vorkenntnisse seien eher schädlich.

Muss man sich beim Tango Schritte merken? I wo...

„Die Angst, sich Schritte und Figuren nicht merken zu können, herrscht bei vielen, die zum Tango kommen, vor. Anders als bei anderen Tänzen ist diese Angst beim Tango aber vollkommen unbegründet. In unserem Unterricht geben wir Dir konkrete Anweisungen und Übungsabfolgen vor und führen Dich schon früh an die Kunst der Improvisation heran, von wo aus Du Deinen eigenen Tanz zur Musik selbst gestalten kannst.“ (2)

„Du musst keine Schrittsequenzen auswendig lernen, nicht besonders gelenkig sein und die Musik bringen wir Dir Stück für Stück im Unterricht näher.“ (6)

Bei allem Verständnis für Werbung: Man sollte doch krasse Lügen unterlassen! Ich durchforste seit Jahren die Workshop-Angebote im Netz – die große Mehrzahl kündigt das Erlernen von Figurenfolgen an.

Beim Outfit sind sich alle Anbieter einig, dass in den Kursen legere Alltagskleidung reicht:

„Die Kleidung sollte bequem und bewegungsfreundlich sein, damit du dich frei im Tanz bewegen kannst. Es gibt keinen speziellen Dresscode für den Kurs – zieh einfach das an, worin du dich wohlfühlst und was dir Bewegungsfreiheit bietet.“ (3)

Natürlich verrät keine Lehrkraft, dass beim Tango die Aufmachung speziell bei den Frauen eine riesige Rolle spielt. Na ja, die Weiber werden es dann schon merken, wenn sie auf den Milongas rumsitzen statt aufgefordert zu werden!

Brauche ich einen festen Tanzpartner? Hier eiern die meisten Veranstalter herum, versprechen eventuell, sich um seinen solchen zu bemühen:

„Wir versuchen, einen Tanzpartner für dich zu finden, können aber nichts garantieren.“ (4)

Selten wird auf den Partnerwechsel im Kurs verwiesen:

In unseren Singles-Kursen machen wir alle zwei Lieder Partnerwechsel. Dadurch ist der Lerneffekt größer, als wenn Du ausschließlich mit dem oder der ‚Heimpartner:in‘ übst. (6)

Fazit: Aus meiner Sicht lohnen die meisten „FAQs“ das Lesen nicht, da man in vielen Fällen eine unentwirrbare Mixtur aus „Dichtung und Wahrheit“ anbietet. Manches ist sogar krass falsch und kann zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen. Ich würde mich eher auf Empfehlungen von Tangobekannten verlassen. Vor allem, wenn die schön tanzen.

Zusätzlich bieten die meisten Lehrerinnen und Lehrer kostenlose „Schnupperstunden“ an. Im Zweifel danach fragen!

Der Comedian und Arzt Eckhart von Hirschhausen berichtete einmal von einem Fernseh-Schminkstudio: Was man da mit den Damen anstelle – dafür käme jeder Gebrauchtwagenhändler in den Knast!

Das gilt auch für Tango-FAQs

Quellen:

(1)  https://www.tango-intimo.com/faq

(2)  https://intango.de/faq/

(3)  https://www.laremisetango.de/faqs/

(4)  https://blancoynegrotango.de/faq/

(5)  https://www.lalotango-stuttgart.de/faq.html

(6) https://noutango.berlin/faq/

Wem ein Licht aufgeht...

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