Positive Energie und qualmende Socken

Eine Tangobekannte hat mich auf den Artikel des bekannten Tangotänzers, Veranstalters, DJs und Autors (ich hoffe, nichts vergessen zu haben) Christian Beyreuther in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Tangodanza“ aufmerksam gemacht. Der Titel: „Warum manche Frauen sitzen bleiben… und andere tanzen, bis die Socken qualmen“.

Und schon komme ich ins Grübeln: Die Tangueras auf den drei Abbildungen zum Text tragen alle hübsche Kleidchen und High Heels… von Socken keine Spur. Oder die der Männer? Bei dem üblichen Tempo? Na gut – irgendwas wird schon gequalmt haben!

Woran liege es, so die Frage, dass manche Damen vorwiegend herumsäßen und andere ständig aufgefordert würden?

Eines scheint schon mal klar zu sein: „In traditionellen Milongas wird die Aufforderung durch Mirada und Cabeceo geregelt“. Klar, Regeln müssen sein – sonst wär’s ja kein Tango!

Nun kenne ich zwar einige Events mit eher traditioneller Musik, wo selbst Frauen die Männer direkt wegen eines Tanzes ansprechen dürfen – aber die besucht Beyreuther wohl nicht. Und ich gestehe gerne, Treffen fernzubleiben, wo die Tango-Scharia gilt.

Aber wir wissen ja: „Frauen, die aktiv den Blickkontakt suchen und diesen halten, haben größere Chancen, zum Tanz gebeten zu werden.“ Vielleicht auch, wenn Kleidchen, Schühchen und Alter passen – siehe Bilder!

Von den Frauen erwartet der Autor „positive Energie“. Wer hingegen „angespannt und frustriert“ wirke, könne „Distanz erzeugen“. Es mag manchmal auch umgekehrt laufen: Wenn Tangueras stundenlang Distanz entgegengebracht wird, kann das schon mal ihre positive Energie schmälern!

Unter der Überschrift „Stilfrage“ kommt der Autor zum Wesentlichen des femininen Blickfangs: Eine Frau, die sich „mit Liebe zum Detail“ kleide, vielleicht (?) ein schönes Kleid trage und gepflegte Tangoschuhe anhabe, vermittle eine „andere Ausstrahlung“ als eine, die „eher unscheinbar oder nachlässig“ gekleidet sei. Tango auf dem Catwalk

Aber das bedeute nicht, „dass nur extravagante Kleidung“ zähle… Egal, die Damen werden den Wink mit dem Zaunpfahl schon kapieren!

Natürlich spiele auch die Tanzqualität eine Rolle. Es zählten aber nicht nur die Jahre tänzerischer Erfahrung. Tangueras, die nie Kurse besuchten und sich nicht weiterentwickelten, hätten es oft schwerer. Wer nicht „investiere“, werde länger sitzen bleiben.

Na, das werden die Tangolehrkräfte sicher gerne lesen…

Meine Erfahrung ist anders: Ich kenne Frauen, die einen Kurs nach dem anderen machen, aber immer noch tanzen wie vor Jahren – und andere, welche noch nie einen Euro für Tangounterricht ausgegeben haben, trotzdem (?) aber wunderbar tanzen. Vieles hängt vom Bewegungstalent, der Musikalität ab – von Begabungen, die man halt hat oder auch nicht. Auch von den musikalischen Herausforderungen. Dass es hierzulande auch viel schlechten Tangounterricht gibt, der einen eher in der Entwicklung hemmt, kommt noch hinzu.

Aber selbst wenn Beyreuthers Einschätzung stimmen würde: Frauen, die weniger gut tanzen, darf man also sitzenlassen? Wie sollen sie es dann je lernen? Nur in Kursen?

Was der Autor zur „sozialen Struktur“ einer Milonga schreibt, ist aufschlussreich: Neue oder weniger bekannte Tänzerinnen könnten es schwer haben, „in etablierte Kreise vorzudringen“. Ich würde es deutlicher formulieren: In manchen Szenen herrscht eine arrogante, sich selbst überschätzende Nomenklatura, welche die Annäherung auf allen Vieren erwartet. „Wie der Herr so as Gscherr. Darum...Schau dir den Veranstalter an, dann weißt du, was dich erwartet“, schrieb mir gerade eine Tänzerin. Recht hat sie!

Klar, man muss sich als Frau bemühen, wahrgenommen zu werden, wie der Autor feststellt. Vielleicht sogar auf dem Parkett. Doch auch hierbei muss ich warnen: Zu gutes Tanzen stellt oft eine Karrierehindernis dar – viele Herren der Schöpfung lieben es nämlich nicht, wenn die Partnerin deutlich mehr kann als sie selber. Und ja nicht mit anderen Frauen tanzen – möglicherweise scheiden Sie dann wegen „Lesbenverdachts“ aus!

Was Mut macht: In „offenen“ Milongas sei es längst üblich, dass Frauen auch Männer aufforderten. Ob das auf den Encuentros, die der Autor selber veranstaltet, auch erlaubt ist? Wollen wir es hoffen!

Bei den drei Bildern (wohl KI-generiert), mit denen der Verfasser seine Gedanken illustriert, sehen wir adrett mit Kleidchen und High Heels angetane jüngere Damen, die nebeneinandersitzen wie Hühner auf der Stange, wohl der männlichen Erlösung harrend.

Eine Erwählte steht strahlend auf, die anderen betrachten ernst die gezogene Arschkarte.

Besonders aufschlussreich finde ich das Bild, mit dem wir über vorhandenen und fehlenden weiblichen Liebreiz aufgeklärt werden: „Oft eine Frage der Ausstrahlung – sitzen bleiben oder oder nicht…“, so die Bildunterschrift, zum Vergleich mit zwei Damen nebeneinander. Klar, wir Männer werden uns für die mit dem sympathischen Lächeln entscheiden! Dass sie wohl ein paar Pfunde weniger hat sowie obenrum etwas luftiger angetan ist, kommt noch hinzu. Wir haben verstanden.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Schade nur, dass der Autor nicht auch sein Konterfei neben das eines attraktiven jungen Mannes gestellt hat. Auch Frauen wollen manchmal eine gewisse Auswahl!

Gut – bei den Damen in meinem persönlichen Umfeld kam der Artikel nicht gut an – da fielen Worte, für die ich unmöglich die Verantwortung einer Veröffentlichung übernehmen kann.

Ich hoffe nur, der Autor droht mir nun nicht wieder mit juristischen Schritten. Verantwortlich für die Veröffentlichung bin ja nicht ich, sondern die Tangodanza. Im Zweifel muss sie sich überlegen, ob sie damit bei ihren Leserinnen gut ankommt. Aber vielleicht gibt es ja in der nächsten Ausgabe den einen oder anderen Leserbrief.

Man darf gespannt sein!

Quelle: Tangodanza Nr. 4/25

https://www.youtube.com/shorts/Kp-M-ciZlg4

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