Garderoben-Impressionen
Meine Frau ist nicht immer glücklich mit dem Outfit, mit dem ich aktuell zum Tango gehe. Gut – manchmal sind es Jogginghosen meines Lieblings-Fabrikanten aus Burladingen, kombiniert mit langärmeligen T-Shirts vom selben Hersteller. Der eine oder andere gestrenge Blick jagt mich dann zum Kleiderschrank, wo immerhin diverse schwarze Edel-Jeans der Benutzung harren.
Während meiner Berufstätigkeit war ich da anspruchsvoller: Da mussten es schon schicke Anzüge von Barutti nebst italienischen Seidenkrawatten sein. Mir ging es dabei weniger um Mode als um ein Rangordnungssignal. Zudem finde ich bis heute, die Lehrer-Anweisung „Jetzt schaut mal alle her“ sollte keine optische Misshandlung darstellen!
Aber gut – mag sich beim Tango jeder (und erst recht jede) so schick machen, wie es geht! Wenn dann noch der Tanzstil dazu passt, wäre alles optimal.
Ich verstehe auch, dass man sich erst vor Ort umziehen möchte, damit die guten Stücke nicht leiden. Selber vermied ich das aber selbst bei meinen Zauberauftritten: Oft gab es keine Garderobe, und ich hatte keine Lust, zur Umkleide ein enges Klo aufzusuchen. Daher zog ich die Smoking-Hose schon vor Fahrantritt an – gut, Edel-Produkte von Wilvoorst überstehen das weitgehend knitterfrei. Jacke und Weste reisten im Kleidersack mit.
Inzwischen gibt es auf den Milongas oft recht geräumige Garderoben, die ich nur zum Schuhwechsel brauche. Leider nutzen sie männliche Kollegen gerne zum Ersatz der verknitterten Jeans gegen ihre Lieblings-Tangohose. Tragischerweise ergeben sich dabei Momente, in denen man zumindest im Augenwinkel bemerkt, welche Art von Unterwäsche der Tanguero bevorzugt. Selber scheint die Herren ihre partielle Nacktheit nicht zu stören. Meine weibliche Begleitung, aber auch ich, sind dagegen oft fassungslos!
Ich mag da nicht ins Detail gehen – aber mich quält dabei eine Vorstellung: Sollte es, falls der Abend eventuell ein romantisches Ende nehmen könnte, zur Enthüllung dieser – ich schreibe mutig – Kleidungsstücke kommen, kann ich mir einen erfolgreichen Abschluss des Ganzen nicht vorstellen.
Lässt man deshalb beim Sex lieber das Licht aus? Nach einer Umfrage bevorzugt das ein knappes Drittel der Deutschen. Nicht ganz unerwartet steigt dieser Anteil mit dem Alter: Bei fast 44 Prozent der Paare ab 60 bleibt das Rollo bei Bettaktivitäten unten. Schlechte Aussichten also beim Tango!
In eine etwas ernstere Situation geriet ich vor einiger Zeit auf einer Milonga, wo ich, zunächst allein, in der Garderobe meine Schuhe wechselte. Bald erschien eine mir flüchtig bekannte Dame, die sich dann ungeniert entkleidete, um ohne große Hektik in ihr Tango-Outfit zu schlüpfen. Ich bemühte mich nach Kräften, wegzusehen und mich beim Schuhwechsel zu beeilen.
Mir war bei der ganzen Sache nicht sehr wohl: Was, wenn die Frau plötzlich schreiend geflüchtet wäre und anschließend behauptet hätte, ich sei ihr gegen ihren Widerstand zu nahe gekommen? Wegen des anfänglichen Begrüßungs-Bussis hätte man wohl meine DNA auf ihrem Gesicht gefunden! Toll…
In Wirklichkeit war das Ganze sicher völlig harmlos, die Dame hatte sich wohl überhaupt nichts Böses dabei gedacht. Aber es wird ja auch in der anderen Richtung gefährlich: Wie, wenn ich den Striptease als Aufforderung zu Weitergehendem aufgefasst hätte?
Am besten hätte ich wohl die Garderobe, notfalls auf Socken, unverzüglich verlassen sollen. Vielleicht hätte das auch die Tanguera zum Nachdenken gebracht.
Wahrscheinlich wird mir nun ein Kommentator bestätigen, ich hinge an veralteten Konventionen. Obwohl er vielleicht selber den Cabeceo bevorzugt…
Ich empfehle hierzu die Geschichte eines Lehrers, der an einem Gymnasium Biologie und Sport unterrichtete. Er machte den Fehler, sich mit einer Kollegin ohne Zeugen in einem Fachraum zu unterhalten. Diese behauptete dann, von ihm vergewaltigt worden zu sein, was dem Lehrer aufgrund dilettantischer Ermittlungen 5 Jahre Haft einbrachte.
Nach Verbüßung der Strafe wurde er in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen, da sich die Kollegin als krankhafte Lügnerin erwies. Der Mann starb ein Jahr später an einem Herzinfarkt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Justizirrtum_um_Horst_Arnold
Hier ein sehr spannender Bericht dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=P8nnF-iNkc0
Hallo lieber Gerhard,
AntwortenLöschenich äußere mich ja eigentlich nie öffentlich in Diskussionsforen; diesmal möchte ich eine Ausnahme machen, da ich hier sicherlich prädestiniert bin, meine Erfahrungen - mit dir - hier beizutragen.
Ich habe dich 1985, vor ziemlich genau 40 Jahren, als Kollegin in der Schule kennengelernt. Nach dem Studium kam ich als unerfahrene Referendarin an deine Schule. Wir beide waren in derselben Fachschaft; als Biologie- und Chemielehrer traf man sich da meistens weiß bekittelt im Labor. Oder besser, man traf sich dort nicht, denn der Herr Riedl war dort selten anzutreffen - und wenn, dann sicherlich nicht im weißen Kittel, sondern in besagtem Anzug nebst Seidenkrawatte. Nun ja, das mit dem Rangordnungssignal mag Schüler betreffen, auf der Karriereleiter warst du da noch nicht sehr hoch geklettert. Trotzdem, machte das auch bei den Lehrern Eindruck. Den Herrn Riedl sprach man eher nicht an; er galt als top vorbereiteter, Respekt einflößender Lehrer mit eher unüblichen Interessen, der sich mit uns Frischlingen sicherlich nicht abgeben würde... Aber, er sah verdammt gut aus in seinem schicken Anzug mit Seidenkrawatte. Nun ja, abschrecken ließ ich mich von solchen "Warnungen" ja noch nie! Und außerdem gab es da ein äußerst interessantes Detail am Revers des Jacketts - ein Tanzabzeichen! Langer Rede, kurzer Sinn, den Herrn musste ich ansprechen. Es stimmt schon, Kleider machen Leute. Aber natürlich gehört da noch viel mehr dazu. Gerhard war in keiner Weise arrogant, sondern sehr hilfsbereit und ein äußerst interessanter Gesprächspartner mit viel Sinn für Humor und Ironie.
Mit dir und deiner Karin, die damals an derselben Schule unterrichtete, verbindet mich seit damals eine lange Freundschaft. Und letztendlich hast du mich WIEDER zum Tanzen gebracht. Karin und du haben mir auch die ersten Schritte Tango Argentino beigebracht und mich mit zu Milongas genommen.
Du bist ein ausgezeichneter Tänzer und ein netter Mensch, deshalb würde ich in jeder Klamotte mit dir - gerne - tanzen.
Aber, hier muss ich Karin rechtgeben, das Auge tanzt mit. Tango ist für mich eine Erfahrung mit ALLEN Sinnen. Eine komplexe Musik mit einem guten Tänzer zu vertanzen macht größte Freude. Aber die Freude kann bei mir, und sicherlich vielen anderen, durchaus mit einer ansprechenden Optik gesteigert werden. Auch ich liebe es, mich hübsch herzurichten. So eine Milonga ist etwas Besonders - daher gehören für mich zu dem Notwendigen beim Herren gerne auch zusätzlich gute Manieren, ein feiner Zwirn und ein angenehmer Duft.
Früher bist du nicht nur top gekleidet in die Schule gegangen, sondern so auch zum Tango - mit Hemd, Weste und Seidenkrawatte. Ich fand das toll. Und - das mit dem Umziehen ist für Herren ja nun wirklich kein Argument - vielleicht mal das Hemd wechseln.
In diesem Sinne, entstaube gerne wieder deinen Kleiderschrank. Die guten Stücke möchten auch mal Gassi geführt werden! Die Damen werden es dir danken. Ich freue mich auf die nächste Milonga mit dir - in welchem Outfit auch immer.
Liebe Grüße,
Monika
Liebe Monika,
Löschenschön, dass sich hier auch mal „Zeitzeuginnen“ aus unseren frühen Jahren des Tango melden!
Danke für all die Erinnerungen, die wir miteinander teilen. Für den Rest der Welt: Monika ist eine der wenigen Tangueras, die noch „selber“ tanzen, statt sich von den Partnern herumschieben zu lassen. Und was sie auf dem Parkett macht, ist sehr musikalisch und oft spektakulär. Regelmäßig laufen wir einander auf den Veranstaltungen über den Weg, der meist zu einer gemeinsamen Tanzrunde führt.
Monika, deine mahnenden Worte bezüglich meines Outfits nehme ich mir zu Herzen! Durch meine etwas unfreiwillige „Schlankheitskur“ sollten mir die alten Anzüge wieder passen. Und die schönen Krawatten hängen frisch gereinigt im Schrank. Ich weiß allerdings nicht, ob mir noch ein passender Knoten gelingt – aber da kannst du vielleicht aushelfen.
Bis demnächst – auf eurer eigenen Milonga oder anderswo!
Liebe Grüße
Gerhard