Von der Ausgießung einigen Geistes
Gerade bin ich auf einen wunderbaren Artikel des Journalisten Christian Nürnberger gestoßen. Der Autor stammt aus einer kleinbäuerlichen Familie im tiefen Frankenland. Der gelernte Physiklaborant absolvierte die Hamburger Henri Nannen-Schule. Unter anderem arbeitete er für die Frankfurter Rundschau, die „Zeit“ und die Süddeutsche Zeitung. Er ist Autor mehrerer Bücher.
Nürnberger ist aktives Mitglied der SPD und erzielte beim Bundestags-Wahlkampf 2013 – vom aussichtslosen bayerischen Listenplatz 33 aus – das fünftbeste Ergebnis der SPD-Kandidaten seines Bundeslandes. Nürnberger bezeichnete seinen Wahlkampf als sein „freiwilliges soziales Jahr“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_N%C3%BCrnberger
Auf Facebook schreibt Christian Nürnberger nun:
„Es gibt Tage, an denen mir das nicht enden wollende Gemecker und Genörgel von Leuten, die ihren täglichen Ausstoß an Schmähungen und Wütereien für politisches Engagement halten, dermaßen auf den Sack geht, dass ich mich gezwungen sehe, Merz zu verteidigen und ihm zu bescheinigen, dass er bis jetzt eine sehr gute Figur macht als Kanzler und sich auch im Oval Office optimal geschlagen hat.“
In seinem Artikel rechnet Nürnberger mit dem zunehmenden Politikverdruss in unserem Land ab, der gerade in den sozialen Medien unaufhaltsam anschwelle:
„Ein unaufhörliches Genörgel und Gemecker, verbunden mit Hetze, Lügen, Hass und Verschwörungstheorien aller Art. Keine Dummheit ist dumm genug, als dass sie nicht einen findet, der sie bereitwillig weiterverbreitet und damit bei den Allerdümmsten auf Glaubensbereitschaft stößt.“
Deutschland, so der Autor, sei ein „eingebildeter kranker Mann“. Denn trotz aller einheimischen Probleme ziehe es mehr Menschen aus aller Welt nach Deutschland. Warum nicht nach Russland, Weißrussland, Ungarn, China, Nordkorea?
„Vielleicht stört sie das alles nicht, weil sie solche Probleme in den Ländern, aus denen sie kommen, gerne hätten.“ Immerhin werde bei uns die Bahn gerade saniert, Straßen und Brücken würden repariert, für die Infrastruktur werde ein „Billionen-Sondervermögen“ bereitgestellt, was man sich als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt leisten könne.
Dies gestatte es auch, dass man auf Mallorca die „zuverlässig überwiesene und stetig steigende Rente“ in Empfang nehme und von dort aus seinen Deutschlandverdruss in soziale Netze einspeise.
Brauche man dann ein neues Knie, fliege man aber in die Heimat, um es sich in dem ach so heruntergekommenen Land einbauen zu lassen. Anschließend wähle man dann die AfD.
Was ein Rechtsruck bedeute, sehe man derzeit in den USA, wo täglich das Recht gebrochen werde. Aber immerhin würde so das Problem der Migration gelöst. Was die Asylsuchenden dann bei uns vorfänden, hätten sie ja auch daheim: ruinierte Länder!
Ich finde den Artikel von Christian Nürnberger glänzend geschrieben. Besonders beeindruckt hat mich seine Tendenz, trotz seiner klaren politischen Einstellung auch mal den Gegner zu loben. Weil er halt nicht in Schablonen denkt.
Und da man mir für diesen Beitrag wahrscheinlich wieder das Etikett „Boomer“ verleihen dürfte:
Nach dem Krieg lag Deutschland in Schutt und Asche. Die Lebensbedingungen waren mehr als dürftig. Niemand erwartete viel von der sich gerade mühsam neu organisierenden Bundesrepublik Deutschland. Da der Staat nicht alles richten konnte, mussten die Bürgerinnen und Bürger ran. Was bewog die Menschen damals, trotz der dürftigen Verhältnisse haufenweise Kinder in die Welt zu setzen? Im Gegensatz zur heutigen „Letzten Generation"?
Ich glaube, dass man einfach glücklich war, den Krieg überlebt zu haben. Das Gefühl überwog, dass es trotz allem doch irgendwie „aufwärts“ gehe. Zumindest für viele.
Heute haben wir uns an den – relativen – Wohlstand gewöhnt und plärren sofort nach dem Staat, wenn uns irgendwas zwickt. Mal selber Probleme angehen? Nein, dafür zahle sie ja Steuern, antwortete mir neulich eine Dame auf Facebook, die sich immer wieder in apokalyptischen Darstellungen ihrer Existenz gefällt.
Mein Vater kehrte Silvester 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück und hatte das Glück, Frau und Eltern wiederzufinden. Wenige Monate später war ich unterwegs, und unsere Familie bekam eine Wohnung in einer neu errichteten Mietskaserne für Flüchtlinge.
Mit einer Anekdote hat meine Mutter meinen Vater immer wieder aufgezogen: Sie konnten ihr neues Heim natürlich nur sehr dürftig einrichten. Mein Vater saß einmal in der Wohnküche und meinte: „Schaut, wir haben doch alles!“ Was meine Mutter ziemlich lachhaft fand, denn über ihnen hing eine Glühbirne in einer nackten Fassung.
Ich konnte meinem Vater nicht immer zustimmen. Doch hier lag er richtig: Sie hatten damals alles. Jedenfalls von dem, was wichtig war. Vielleicht sogar mehr als in späteren Zeiten…
Quelle (mit dringender Lese-Empfehlung):
https://www.facebook.com/photo/?fbid=9429803743791710&set=a.10952463915304
Und zu Pfingsten könnte ja die Ausgießung einigen Geistes nicht schaden. Als Hilfestellung:
https://www.youtube.com/watch?v=CCz8P54iYfA
Kommentare
Kommentar veröffentlichen