Als ich noch Impfgegner war

 

Das war ich tatsächlich – und was für einer! Ich sträubte mich massiv gegen einen veritablen Impfzwang, brüllte und tobte nach Leibeskräften!

Damals war ich ungefähr ein Jahr alt – und nach den familiären Erzählungen erbebte das Gemäuer der Volksschule meines Geburtsortes Manching unter meinem Furor. Neben meiner verzweifelten Mutter waren mehrere Hilfskräfte nötig, damit der Arzt die Spritze setzen konnte.

Es handelte sich wohl um die erste Kombinationsimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR). Auf jeden Fall muss es so schlimm gewesen sein, dass meine Mutter auf den zweiten Durchgang dieser Vakzination verzichtete. Das hatte für mich unangenehme Folgen: Mumps kriegte ich später mindestens einmal, und mit zirka 14 Jahren auch Masern. Mit der Folge vereiterter Zahnwurzeln, mit denen ich auch viel später noch Spaß hatte.

Warum diese heftige Reaktion von mir? Man darf wohl meine persönliche Ausprägung als stark renitent bezeichnen. Nach einer oft erzählten Familiengeschichte ballte ich schon beim ersten Bad nach der Geburt die Fäuste und betrachtete sie mit finsterem Gesichtsausdruck.

Von Anfang an fremdelte ich kolossal: Die eigene Wohnung zu verlassen war gerade noch akzeptabel – andere Leute zu besuchen, gar in fremde Wohnungen zu gehen, verweigerte ich lautstark. Dass mir bis heute größerer Rummel wie ein Tangofestival nicht behagt, war eigentlich zu erwarten.

Meine Mama hätte lieber ein Mädchen gehabt und versuchte, mein Erscheinungsbild eher weiblich zu gestalten – beispielsweise knüpfte sie mir bunte Schleifchen ins lockige Blondhaar, die ich mir stets nach kürzester Zeit wieder herausriss. Meinen mentalen Grundzustand lässt dieses Bilddokument erahnen:

Dazu kam, dass ich mich als Kleinkind einer kleinen, harmlosen Operation unterziehen musste. Auch zu diesem Anlass habe ich wohl eine heiße Performance hingelegt: Noch heute kann ich mich an das grelle Licht und den Geruch der Äthermaske erinnern – und vor allem an das Klirren, als ich ein größeres Glasgefäß per Fußtritt zu Boden beförderte.

Dieses frühkindliche Trauma hat bei mir ein gestörtes Verhältnis zu Medizinern bewirkt, das heute noch besteht. Wohl auch deshalb, weil in meinen ersten zwanzig Lebensjahren fast jeder Arzt bei meinem Anblick (lang, blass und dürr) eine Serie von Befunden abspulte. So kam ich zur Überzeugung, bei mir sei körperlich eigentlich nichts ganz richtig. Dass ich dereinst siebzig werden würde, hätte ich nie gedacht!

Im Lauf der Jahre kam noch eine ganze Serie von Impfungen auf mich zu: Gegen Polio (zunächst nach Salk per Spritze, dann die berühmte Schluckimpfung) – und auch an meine Pockenimpfung kann ich mich noch gut erinnern. In der 3. oder 4. Klasse hieß es halt eines Morgens: „Wir gehen jetzt in Zweierreihen in die Turnhalle, ihr werdet dort geimpft!“ Ich erinnere mich nicht, auch nur einmal gefragt worden zu sein. Was ein Arzt anordnete, war Gesetz.

An größere Nebenwirkungen oder gar Impfschäden kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht auch, weil die nie ein Thema waren, über das man redete. Eine Impfung war gut, weil man dann nicht schwer krank wurde. Punkt. In unserer Region gab es genau eine Tageszeitung, im Fernsehen ein Programm – und natürlich kein Internet. Stammtisch-Schwafler blieben auf die örtlichen Gasthäuser beschränkt. Absurder Quatsch wurde damals ins Bierglas gebrabbelt und nicht auf Facebook oder gar Telegram veröffentlicht.

Als ich heute Morgen auf das alte Foto stieß, fiel mir ein, dass ich zu jener Zeit auch ein Impfgegner war – damals als Kleinkind in der Trotzphase. Dass heute Erwachsene zu solchen Leistungen fähig sind, finde ich gruselig.

Ich hatte es gesundheitlich nicht leicht mit meinen Eltern. Die Kombination überfürsorgliche Mutter und hypochondrischer Vater kann nicht wirklich gutgehen. Andersherum war es aber auch nicht einfacher: Zunächst brüllender Trotzkopf, später hochaufgeschossen, unsportlich, blass und kränklich. Eine bei Kabarettisten und Satirikern nicht ungewöhnliche Vita!

Aber zu einem war ich doch gut: Es gab noch die Mutter meines Vaters, eine einfache Frau, die ich nie habe jammern hören – obwohl ihr Schicksal nicht leicht war. Der ältere Bruder meines Vaters kam aus dem Russlandkrieg nicht zurück, und sie musste mit ihrem Mann und meiner Mutter die Vertreibung aus dem Sudetenland durchstehen, in Bayern wieder ganz von vorne anfangen. Die Entbehrungen und Sorgen hatten bei ihr schwere Rheumatismus-Anfälle ausgelöst – sie konnte sich kaum mehr rühren. Als mein Vater nach fünf Jahren aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimkehrte und sich alsbald – kurz vor Weihnachten – Nachwuchs (in meiner Person) einstellte, wirkte das auf meine Oma besser als jedes Medikament: Sie lernte an meinem Kinderwagen wieder laufen.

Wenn ich ihr heute erzählen würde, viele Menschen würden sich nicht impfen lassen, weil sie schwere Folgeschäden oder gar eine Weltverschwörung vermuteten, bin ich sicher: Sie hätte mich nicht verstanden. Obwohl sie das Leben wahrlich nicht verwöhnte, hat sie immer nach vorne und auf das Positive geschaut.

Und sie hat sogar einen Impfgegner überzeugt.

Kommentare

  1. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  2. Auf jeden Fall einer Ihrer schlechtesten und langweiligsten Artikel.

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    1. Besten Dank für Ihre ausführlichen Erläuterungen und Begründungen!

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