Bussi, Bussi, Schmusibuuuh


Sorry, mein angekündigter Artikel zu einem speziellen DJ-Problem muss noch warten!
Auf Facebook gibt es gerade die nächste weibliche Schimpfkanonade zu offenbar unterirdischen Verhaltensweisen auf größeren Tangoevents. Die Aktivistinnen sind teilweise „amtsbekannt“ und haben sich schon öfter zum Thema geäußert.

Zur Sache: Eine Tanguera ist nach dem Besuch eines Marathons sowie eines Encuentros maximal angefressen. Ihre Beschwerden in Stichworten:  

·         Der DJ werde wegen „nicht regelkonformer“ Tandas angemault.
·         Rempler auf dem Parkett – gefühlt, um zu zeigen, wer der „Obermacker“ sei
·         Tänzer, die man nicht kenne, würden ignoriert.
·         Die richtige Fußtechnik werde zur „Charakterfrage“.
·         Die traditionelle Musik gelte als das „einzig Wahre“, obwohl mindestens ein Viertel der Besucher die Aufnahmen gar nicht zuordnen könnte.
·         Frauen dürften nicht aktiv auffordern (und das im Jahr 2019), säßen herum und seien daher völlig frustriert.
·         Dass man überhaupt die ganzen (einzeln durchaus sinnvollen) Regeln brauche, sei hirnrissig".
·         Es werde alles totgeredet – jeder glaube, nur „sein eigener Stiefel“ sei der einzig Richtige.

Sie zitiert einen bemerkenswert dämlichen Satz, den sie offenbar dort mitbekommen hat:
„Wer auf dieser Veranstaltung nicht zum Tanzen kommt, der kann eben das Niveau nicht halten."

Und sie schließt mit den eindrucksvollen Worten:

„He, jetzt mal ehrlich, das ist Tango. Für mich das Schönste und Sensitivste, was man erleben kann. Feinfühlig, achtsam und wertvoll... und dann das. Warum?
Das erschreckt mich gerade und macht mich auch wütend. Ellenbogen muss ich schon in der Arbeit ausfahren, mich beweisen. Das brauch ich bei meinem Hobby nicht. Und verstellen brauch ich mich auch nicht, nur, um anerkannt zu werden. Bussi, Bussi, Schmusibuuuh, hach, was sind wir alle toll.“

Die (derzeit noch weitgehend weiblichen) Kommentare bestätigen das geschilderte Elend:

„Ich glaub, man soll mittlerweile einen Begriff wie ‚Tango-Mobbing‘ einführen...
Ich habe schon mal erlebt, dass eine Tänzerin weinend nach Hause ging, weil sie bereits die dritte Milonga in der Reihe unaufgefordert saß, und sich bei dem Aufforderungs-Versuchen nur Körbe abgeholt hat.
Bitter ist sowas...“

Umgehend erfolgen natürlich die einschlägigen Anregungen, aktiver zu werden, insbesondere, führen zu lernen:

„Mach es anders, mach es besser: Lern führen und fordere die Folgenden auf, die stundenlang rumsitzen.“

„Ja, es ist 2019, und wir Frauen müssen nicht mehr auf den Märchenprinztanguero warten (der sowieso fast nie vorbeikommt).“

„Ich selbst habe übrigens aus diesem Frust heraus angefangen, zu führen, und das war die beste Entscheidung, denn jetzt bin ich frei(er) und sitze nicht mehr den ganzen Abend ... allerdings wird das von einigen Tangueros nicht gern gesehen. Die musst du dann von deiner Tänzerliste streichen.“

Auch wir Frauen sind dran, uns stetig zu verbessern und uns nicht auszuruhen auf unserem Talent und unserer Anziehungskraft. Das geht sowieso nach hinten los, wenn wir irgendwann nicht mehr im Beuteschema der Männer sind aufgrund unseres Alters – eine hervorragende Tänzerin wird auch zum Tanzen kommen, wenn sie nicht mehr jung und faltenfrei ist, zumindest beobachte ich das so.“

Ich finde es höchst wichtig, dass man solche Eindrücke – wenn sie denn schon publiziert werden – einem möglichst großen Leserkreis zugänglich macht. Das habe ich in einer Menge von Blogbeiträgen versucht.

Und sicherlich benennt die Autorin das Problem völlig korrekt und keinesfalls übertrieben, wenn sie schreibt:

„Warum kann man den Tango nicht als das sehen, was er ist? Der magische Moment, wenn sich zwei wildfremde Menschen begegnen und innerhalb von zehn Sekunden zu einem Körper verschmelzen und sich zu wunderschöner Musik bewegen. (…)
Das ganze Gewese um den Tango. Dass man das Wunderbare daran, diesen kostbaren Moment, zerhackstückt, bewertet, niedermacht, rummault. Ich find es schrecklich, wenn man etwas so Schönes dadurch versaut.“

Dennoch muss ich es einmal in aller Deutlichkeit sagen:

Liebe Damen, ihr tut mir inzwischen nicht mehr leid – kein bisschen!

Seit 2013 schreibe ich mir hier die Finger wund und warne unentwegt vor Veranstaltungen, wo solche arroganten Allüren mit fast tödlicher Sicherheit zu erwarten sind: Es handelt sich dabei stets um große, „angesagte“ Events, häufig in Großstädten oder mit „Festival-Charakter“. Natürlich ziehen vor allem diese eine Menge Teilnehmer mit defizitärer Persönlichkeit und gigantischem Geltungsdrang an. Und wie oft, bitte, soll ich nun noch betonen, dass aus meiner Sicht bei Encuentros elitäres Getue geradezu zum Geschäftsprinzip gehört? Glaubt ihr wirklich, das vorwiegende Motiv zur Teilnahme sei die Aussicht, sich drei Tage lang mit Trippelschrittchen im Kreis zu bewegen?

Wer zu solchem Gedöns fährt, muss auf mein Mitleid verzichten. Und da ich mich weitgehend in der ganz gegensätzlichen Szene kleiner und kleinster Milongas bewege (eine davon veranstalte ich ja selber), füge ich ein offenes Geheimnis hinzu: Da schwankst du als Veranstalter immer wieder zwischen Aufgeben und weiter die Zähne zusammenbeißen.

Zwar bekommst du oft bestätigt, dass dein Musikangebot um Grade besser ist als auf den üblichen Events, dass es mit dem Auffordern und dem Geschlechterproporz keinerlei Schwierigkeiten gibt, jeder und jede oft genug zum Tanzen kommt und man sich sozial wunderbar aufgehoben fühlt. Das reicht aber nicht!

Immer wieder wird man nämlich gefragt: „Wie läuft es denn auf eurer Milonga?“ Ich antworte dann meistens „gut“ und merke, dass dies den Frager nicht zufriedenstellt. Einmal habe ich angefügt: „Was du eigentlich wissen willst, ist doch, wie viele Besucher wir haben?“ Die Antwort. „Ja“. Ich verkniff mir dann die Bemerkung, ob ich auch noch den Anteil paarungswilliger Singles anfügen solle…

Daher, meine lieben frustrierten Tangueras, solltet ihr euch auch selber mal überlegen, welche Motive euch auf solche Massenevents treiben. Wem Shows und andere Attraktionen, Sehen und Gesehen werden plus eventuell Schlimmeres wichtiger sind als Musik und Tanz, hat völlig zu Recht die geschilderten Probleme. Man sucht eine größere Auswahl, die allerdings rein theoretisch bleibt und sitzt oft allein herum.

Und bitte lasst auch das Lamento über weite Fahrstrecken und hohe Preise – gerade die Sausen, welche euch nachher frustrieren, gibt es kaum um die Ecke, und sie verlangen einen beträchtlichen finanziellen Aufwand.

Von einer der obigen Kommentatorinnen stammt ein Text, den ich hier gerne an den Schluss stelle, da er einige bemerkenswerte Erkenntnisse enthält:

„Als ich Anfängerin war, dachte ich:
* Ich tanze noch nicht gut.
* Vielleicht soll ich richtige Tango-Mode tragen?
* Soll ich mehr Small Talks führen?
* Vielleicht sitze ich am falschen Platz?

Die Jahre sind vergangen.
Jetzt kommen meine Schülerinnen mit den gleichen Fragen zu mir...
Und ich habe immer noch keine Antwort...
Die einzige Antwort die ich geben kann:
Mädels, es liegt nicht an uns!“

Doch, im Endeffekt schon!

P.S. Vielleicht könnte ungewöhnliches, aber bequemes Schuhwerk zur gewünschten männlichen Aufmerksamkeit führen:

Kommentare

  1. Nun hat die Autorin des Posts ihre Kritik – nach einigen männlichen Einsprüchen – wieder relativiert:

    „Eigentlich wollte ich in meinem Post nicht die Veranstaltungen anprangern, sondern das Gewese im Tango allgemein. Dass sich nun jeder an den Veranstaltungen aufhängt, war so nicht meine Absicht. Ich würde die eine Veranstaltung sogar jederzeit wieder buchen und empfehlen. Es war wirklich sehr schön. Ich denke, dass Marathons und Encuentros eine gute Sache sind, eine meiner liebsten Freundinnen geht regelmäßig dorthin und fühlt sich sehr wohl. Nur, für mich ist es nichts.“

    Also echt, liebe Damen: So wird das nix. Erst ist man „wütend“ und findet, dass durch solche Verhaltensweisen „Schönes versaut“ werde – und nun sind Events, die solche Empfindungen hervorrufen, plötzlich wieder „eine gute Sache“?

    Inkonsequenz, dein Name ist Weib!

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