Braucht’s beim Tango Notlügen?



„Eine schwere Aufgabe ist freilich die Höflichkeit insofern, als sie verlangt, dass wir allen Leuten die größte Achtung bezeugen, während die allermeisten keine verdienen; sodann, dass wir den lebhaftesten Anteil an ihnen simulieren, während wir froh sein müssen, keinen an ihnen zu haben.“ (Arthur Schopenhauer)

Ich habe das neue Blog kürzlich schon vorgestellt:

Ganz frisch findet man darin einen Artikel über ein offenbar gravierendes Problem des Berlin Tango Weibs:

„No more Notlügen“

Eindringlich schildert darin die Verfasserin, wie sie schon wieder „ein Typ von der Seite angesprochen und zum Tanzen aufgefordert“ habe. Klar, so geht’s natürlich nicht… Wahlweise „aus Höflichkeit, Nettigkeit oder einfach Dummheit“  habe sie ihm geantwortet: „Nein, meine Füße brauchen mal eine Pause.“

Natürlich sei das eine Lüge gewesen – sie habe die folgende Tanda schon tanzen wollen, nur nicht mit besagtem Kerl. Von einer Begründung lesen wir nichts, wird aber schon irgendwas Ernstes gewesen sein…

Auf jeden Fall, so der Vorsatz der Tanguera aus der Bundeshauptstadt, will sie sich in Zukunft trauen, „Nein, danke“ oder „Jetzt nicht“ zu antworten (wobei letztere Replik bei genügender Renitenz zu einem späteren Wiederauftauchen der Type führen dürfte). Sie müsse dann auch wegen der vorgegebenen Konditionsschwäche nicht eine ganze Runde aussitzen.

„Keine fremden Männer anlügen ist sicher ein löblicher Vorsatz (wobei ich hier bekannte Menschen durchaus einbeziehen würde). Allerdings muss ich an dieser Stelle ein klares „#metoo“ bekennen: Gemeinhin beantworte ich beispielsweise ein tanz-abschließendes „Danke, war toll“ von Damenseite stets mit einer affirmativen Reaktion im Stil von „Ja wirklich, vielen Dank“. Nicht immer entspricht das ganz der Wahrheit. Die zutreffende Replik wäre für mich gelegentlich der Satz: „Ja, wenn dir das schon gefällt, was wirst du erst sagen, wenn du Tango tanzen kannst?“

Vielleicht sollte ich dies mal äußern, wenn ich dereinst in der Metropole der Wahrheit und Klarheit mit einer solchen Tanguera getanzt habe. Ob sie Aufrichtigkeit dann immer noch so hoch einschätzen würde? Oder könnte sie dies als sexuelle Diskriminierung werten – selbst wenn sie nicht unter einem Doppelnamen in Kreuzberg logierte?

Ehrlich wahr (!), wieso muss man eigentlich beim Tango um das Auffordern so ein Geschiss machen? Von einem durchaus konservativ geprägten, langjährigen Tangolehrer hörte ich einmal den Satz: „Wieso dauert ein Tango nur drei Minuten? Weil man es so lange mit jedem aushält.“ Männer müssen sich ja auch trauen, mit Korbrisiko jemanden aufzufordern!

Klar kenne ich Tänzer, welche die Frauen auf dem Parkett drei mal drei Minuten behandeln, als seien sie eine Beate Uhse-Gummipuppe (in welcher Hinsicht auch immer). Nicht selten fordere ich die Geplagte anschließend auf und biete ihr eine supersanfte Kompensations-Runde unter dem Motto: „Auch das kann Tango sein.“

In ausnahmsweise bedrohlichen  Situationen muss die emanzipierte Tanguera halt genug Hintern in der Hose (oder unterm Rock) haben, um ein klares Nein auszusprechen respektive dem Typen klarzumachen, dass er entweder schonend oder gar nicht tanzen soll. Erst antatschen lassen und sich dann nach zehn Jahren beschweren gilt nicht!

Insofern ist der Vorsatz der Schreiberin ja durchaus löblich. Sollte sie denn bei manchen Gästen als Zicke gelten, muss sie auch damit fertig werden. Man kann es nicht allen recht machen. Das Leben ist kein Ponyhof – und der Tango schon gar nicht. Manche verwöhnten, großstädtischen Bürgerstöchterlein sollten sich einmal über die Situation der Tänzerinnen in der ach so traditionellen Frühzeit des Tango informieren und sich anschließend über das freuen, was ihnen heute erspart bleibt: Sie tanzen nämlich „Tradi-Tango light“

Obwohl ich nicht im Verdacht besonderer Kirchennähe stehe, fällt mir gerade eine Parallele in unserem der Hauptstadt fernen Kuhdorf ein: Wenn sich da in einer Familie die Probleme häufen, beispielsweise durch schwere Krankheiten, gibt es Frauen und sogar Männer, die ungefragt (!) einspringen und stundenlange Hilfsdienste leisten – natürlich unbezahlt und, da ohne Blog, völlig unveröffentlicht. Denen erzähle ich lieber nicht, worüber sich manche Damen im Großstadt-Tango beklagen.

Gott sei Dank würden sie nämlich gar nicht kapieren, worüber ich rede…   

Quelle:

https://berlintangovibes.wordpress.com/2017/11/25/no-more-notluegen/

P.S. Zu diesem Artikel gab es heftige Nachwehen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/01/das-geschiss-mit-dem-auffordern.html

Kommentare

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