Die Szene macht eine
„Die
Wahrheitsfreunde würden jetzt
Mit Löwen, Hyänen, Schakalen
Sich raufen in der Arena, anstatt
Mit Hunden in kleinen Journalen.“
Mit Löwen, Hyänen, Schakalen
Sich raufen in der Arena, anstatt
Mit Hunden in kleinen Journalen.“
(Heinrich
Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen)
Auch
nach dem Verfassen von annähernd 400 Texten auf diesem Blog weiß ich nie, ob
ein Beitrag großes Interesse finden wird oder nicht. Eine Faustregel allerdings
stimmt meistens: Je weniger Mühe ich mir mit einem Artikel gebe, desto
erfolgreicher wird er.
Dies
gilt auch für „Gesunde Szene für München“: Als ich am Sonntagnachmittag las,
ein Post auf Facebook beklage Cliquenbildung und elitäres Gehabe in der
Münchner Tangoszene, habe ich diesen Text in anderthalb Stunden
runtergeschrieben. Der Wunschtraum des Satirikers: Die Gags haben andere schon
hingekriegt – man braucht im Wesentlichen nur noch zu zitieren. Weshalb es
besonders schnell gehen musste: Ich wollte am Abend noch zum Tango (natürlich
nicht nach München)!
Die
Folge: In den letzten beiden Tagen bescherte mir das den Rekord von über 1100
Zugriffen auf mein Blog.
Es
dauerte allerdings ein wenig, bis die „üblichen Verdächtigen“ der Münchner Tangoszene
von meinen Frechheiten Wind bekamen. Der Gang der Ereignisse war wirklich
kabarettreif:
Eine
Münchner Tänzerin hatte einige Tage zuvor in unserer geschlossenen
Facebook-Gruppe „Was Sie schon immer über Tango wissen wollten“ um Aufnahme
ersucht. Gestern nun veröffentlichte sie dort eine sehr kritische Bewertung
meines Blogartikels. Manuela Bößel
und ich verteidigten den Text – schließlich endete das Ganze sogar mit einer
Prise Humor: Auf den Vorwurf, nicht sehr freundlich zu schreiben, erwiderte ich
der Dame, Satiriker seien selten „freundlich“
und somit als „Muster-Schwiegersöhne“
nicht tauglich. Ihre Antwort: Sie suche derzeit auch keinen Schwiegersohn…
Was
die Tanguera aber stattdessen suchte, erfuhren wir Minuten später, als sie ihre
Texte bei uns löschte, sich aus der Gruppe verabschiedete und auf „Tango
München“ beinahe die nämlichen Vorwürfe erhob:
„Das habe ich gerade in der Gruppe ‚Was Sie schon immer über Tango wissen
wollten...‘ gepostet, weil ich mich sehr ärgere: In der Tango-München-Gruppe
gibt es eine Diskussion. Ja. Über diese kann man denken, wie man will, man kann
die Grundansicht, an der sie sich entzündet hat, teilen oder nicht. (ICH TEILE
SIE NICHT, ICH ERLEBE DIE MÜNCHNER TANGOSZENE ALS DURCHWEG FREUNDLICH UND
AUFGESCHLOSSEN.)
Aber dass jetzt hier, in einer völlig anderen Gruppe (‚Was Sie schon immer über Tango wissen wollten...‘) darüber hergezogen wird und gar Zitate ohne Rückfrage in einem ganz fremden Blog gepostet werden ( http://milongafuehrer.blogspot.de/.../gesunde-szene-fur... ), finde ich sehr hässlich. Für mein Empfinden handelt es sich um eine Diskussion unter den Münchnern. Wer sich einschalten möchte, kann das ja gern unter ‚Tango München‘ tun, egal, wo er wohnt.
Aber jetzt, da ich sehe, dass völlig woanders darüber hergezogen wird, bin ich heilfroh, dass ich mich dort nicht zu Wort gemeldet habe, wie ich es am Wochenende mal überlegt hatte. Dann würde ich wohl auch auf irgendeiner Website ungefragt zitiert - oder auch nicht, weil ich ja nichts Schlechtes zu sagen habe... Zitiert wurde aber nur, worüber man sich lustig machen kann. Ich finde, dieses Vorgehen hat wenig Stil.“
Darauf hatte ich ihr vorher schon geantwortet:
„Im
Text habe ich bei meinen Zitaten keine Namen genannt. Wer nicht bei Facebook
ist, erfährt sie nicht – wer doch, kann eh nachgucken, ist ja eine offene
Gruppe. Muss ich mir das dann noch genehmigen lassen? Und die Auswahl der
Zitate ist schon noch meine Entscheidung; immerhin findet sich im Text ein Link
auf die gesamte Diskussion – jeder FB-Nutzer kann sich seine eigene Meinung
bilden.“
Auch dem Berliner Tangokollegen Thomas Kröter ging das
wohl gegen den journalistischen Strich: „Man
muss Gerhard Riedl wirklich nicht mögen. Ich hab auch nicht den Eindruck, dass
er großen Wert drauf legt. Aber wenn nun jemand (bebeifallt von anderen) in der
Münchener Szene sich drüber erregt, dass er eine Debatte in der ÖFFENTLICHEN
GRUPPE ‚Tango München‘ zum Gegenstand seiner satirisch-polemischen Betrachtungen
macht... Begründung: Es handele sich um ein Privatgespräch - sorry. da bin ich
a bisserl fassungslos.“
Gesteigert wurde die Chose dann noch dadurch, dass die
Beschwerdeführerin einen fehlerhaften Link auf mein Blog setzte (siehe oben), was
kurzfristig zum Siegesgefühl führte, ich hätte meinen Artikel selbst wieder
gelöscht:
„Da hat
jemand den Schwanz eingezogen.“
„Echt,
schon gelöscht? Na, das ist doch mal eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit.“
Als man den Text dann doch wieder fand, war für dessen
schwierige Zugänglichkeit natürlich ich verantwortlich:
„Wenn
ich das richtig sehe, führt Dein Link oben ins Leere, weil der werte Herr Riedl
Deinen Beitrag nicht für den Thread freigegeben hat...“
Meine Spezialistin fürs Internet, Manuela Bößel, erklärte die
Sache dann nochmal gaanz einfach:
„Freigegeben
ist alles, hab den Blog eingerichtet. ‚Verlinken‘ oder auf facebookisch ‚Teilen‘
ist halt auch Übungssache und für manche erst mit einiger Routine fehlerfrei zu
bewältigen.“
Mal so nebenbei: Bei der gerne beschworenen Empfindlichkeit
gegen digitale Grenzüberschreitungen – vielleicht mal eine kleine
Entschuldigung bei mir wegen der unrichtigen Tatsachenbehauptungen? I wo! Nun, jetzt immerhin - auf meine Intervention - ein Wort der Richtigstellung von der Urheberin des ganzen Palavers. Geht doch!
Endergebnis:
Während der Initiator der Debatte über Elitetümelei und
Cliquenwirtschaft in der Münchner Tangoszene für seinen kritischen Beitrag 70 „Likes“
einheimste, war ich mal wieder der Böse… Aber immerhin schickte er mir einen
freundlichen Blog-Kommentar, wie schön!
Was ich besonders schade finde: Die Zivilcourage des Einzelnen
ist im Tango ein seltenes Gut. Man fühlt sich nur in der Gruppe stark.
Wer sich den gesamten Diskurs antun möchte:
(Inzwischen gelöscht, na klar...)
War sonst noch was? Ach ja: Der von mir als „Obercliquen-August“ apostrophierte
Tanzlehrer möchte nochmal zitiert werden, sogar mit Namen. Nö, keine Lust.
Auf dem ursprünglichen Facebook-Diskussionsstrang ergab sich
dann noch eine muntere Diskussion zum Thema „Elite“. Ein Kommentator möchte den Begriff auf Veranstalter und die
„Summe der Lehrerschaft in den Münchner Tangoschulen“ bezogen
wissen. Doch da erntete er Widerspruch:
„Die Summe der
Lehrerschaft als Elite zu bezeichnen ist (wage)mutig, wenn man bedenkt, wie man
zum Tangolehrer wird und wer sich dementsprechend auch so nennt und in der
Szene herumstolziert. Hingegen keineswegs froh bin ich über den einen oder die
andere, die sich dieses elitäre Etikett des Tanzlehrers selbst ans Revers
heften, ahnungslosen Anfängern das Geld aus der Tasche ziehen und sich auf den
Tanzflächen wie die Herren der Welt aufführen, dabei aber weder einen Fuß vor
den anderen setzen können und den Beat allenfalls zufällig treffen.“
O je, wenn ich das wieder g’schrieben hätt‘…
Stellen diese Personengruppen nun, wenn
überhaupt, eine Macht- oder Leistungselite dar – oder schlimmstenfalls sogar
beides? Bei Betätigungen, für die man weder eine Ausbildung noch irgendeine
offizielle Qualifikation benötigt?
Für mich ist das ganz einfach: Wer unter
solchen Rahmenbedingungen behauptet, zur „Elite“ zu gehören (oder sich
zumindest so aufführt), ist mit Sicherheit keine. Diesen Rang kann man nie
selber beanspruchen – er ist bestenfalls das Ergebnis einer mehrheitsfähigen
Würdigung von außen.
Und den Rest zum Thema hat vor mehr als 170
Jahren Heinrich Heine in seinem „Wintermärchen“ bereits gesagt:
„Auch
einen Schweinskopf trug man auf
In einer zinnernen Schüssel;
Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns
Mit Lorbeerblättern den Rüssel.“
In einer zinnernen Schüssel;
Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns
Mit Lorbeerblättern den Rüssel.“
... tja, je größer die Entrüstung, desto genauer hat man wohl in's Schwarze getroffen.
AntwortenLöschenUnd ist nicht fehlende Zivilcourage und sich keine eigene Meinung bilden nicht mehr und mehr Spiegel unserer neuen Gesellschaft?
(Oder wie kann ein 5jähriges Kind in einer Großstadt nach Mitternacht nachts stundenlagn an einer Bushaltestelle an einer Hauptverkehrsstraße stehen, ohne dass sich jemand darum kümmert? offtopic, ich weiß)
Und manchmal fragt man sich dann:
Bin jetzt ich anders, oder sind die Andern anders?
Liebe Grüße
Sandra
Ach, viele haben schon eine Meinung – äußern wollen sie diese aber nur, wenn rundrum alles zustimmt…
LöschenDie Generation, welche noch weiß, wie hart man sich Freiheiten erkämpfen muss und wie wenig selbstverständlich sie sind, ist grad am Aussterben.
„Use it or loose it“ gilt nicht nur fürs Sprachenlernen oder Bodybuilding!