„Und dazu brauchst du Workshop?“

Bekanntlich haben meine musikalischen Erläuterungen zum Tango teilweise heftigstes Missfallen erregt. Es half auch nichts, als ich einen „Faktencheck“ zu den Phrasierungen veröffentlichte. Nach 31 Kommentaren ergab sich lediglich, dass ich vermutlich nicht Tango tanzen kann…

https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/08/faktencheck-phrasierungen.html

Glücklicherweise gibt es in unserem Tanz aber wahre Musikexperten, welche uns auch die Umsetzung auf dem Parkett mühelos nahebringen. Gerade fand ich zwei Videos des gelernten Bandoneón-Spielers Joaquín Amenábar, welcher dazu sogar ein Buch veröffentlicht hat: „Tango: Zur Musik tanzen!“

https://joaquinamenabar.com/de/

In dem einen Video geht es um den „Tango und seine Melodie“. Angepriesen wird der Lehrgang mit den beruhigenden Versprechungen:  

Keine Fachsprache (hatte ich auch vergeblich behauptet)

Keine schwierigen Schritte

Essenz der Musikalität (geboten wird erwartungsgemäß Di Sarli)

Extrem effektive Methode“

Die grandiose Idee: Man lässt die Lernenden einfach mitsingen – die Schritte ergeben sich dann ganz von alleine! Nun ist mir natürlich auch klar, warum ich daran scheitern musste: Ich kann nämlich nicht singen!

Und statt Noten kann man auch Schuhe verwenden, welche in der Partitur dann die Fußaktionen andeuten. Einfacher geht’s wirklich nicht!

https://www.youtube.com/watch?v=c4mIPk0ZFBg

Etwas schwieriger wird es dann schon im zweiten Video: „Was steckt in einer Milonga?“

In der Videobeschreibung heißt es: „Es gibt mehr in der Milonga als nur Rhythmus - obwohl das Verständnis nur des Rhythmus es Ihnen bereits ermöglicht, einen großen Schritt nach vorne zu machen!“

Oder mehrere kleine… Was denn sonst noch in der Milonga enthalten ist, erfahren wir lieber nicht – könnte uns nur verwirren…

Zunächst tanzt der Meister eine Passage vor – ist man ja schließlich vom Tangokurs her so gewöhnt. Applaus!

Aber, o weh, im weiteren Verlauf heißt es mittanzen! Und da merkt man dann, wie wenig Musikalität beim Tangovolk zu erwarten ist. Tapfer versucht man zwar, des Maestros Schritten hinterher zu tappen, was aber nur fallweise gelingt. Kein Wunder, dass DJs diese Tangoform immer weniger auflegen – und wenn, dann Titel aus dem Förderschul-Niveau.

Und obwohl die hier gebotene Musik von Tempo und Rhythmik nicht gerade zu den anspruchsvolleren Stücken dieses Genres gehört, macht sich ansatzweise schon Verzweiflung breit!

Viel Spaß beim Mittanzen!

https://www.youtube.com/watch?v=Y3FAm_Hs4tM

Tja, was soll man da sagen? Vielleicht waren meine Video-Erklärungen viel zu anspruchsvoll.

Fest steht nur: Hätte ich die beiden Stücke auf einer Milonga gehört, wäre ich entweder sitzen geblieben (echt, nicht noch ein Di Sarli!) oder hätte bei der Milonga fröhlich drauflos improvisiert. Und hätte ich so ein Video veröffentlicht, wären mir Hohn und Spott sicher gewesen.

Mir fällt dabei ein Spruch ein, den ich einmal von einem argentinischen Tangofreund hörte. Auf unserer Wohnzimmer-Milonga schnitt er in Richtung einer daneben sitzenden Tänzerin so lange Grimassen, bis diese kapierte, dass er mit ihr tanzen wollte. Als er mit ihr aufs Parkett entschwand, drehte er sich zu mir um und fragte grinsend:

„Und dazu brauchst du Workshop?“

Ja, offenbar schon…

Kommentare

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