Textanalyse: Von der stets gleichen Vielfalt

Immer wieder erreichen mich zu meinen Texten Kommentare und Anmerkungen, die mich ratlos zurücklassen. Habe ich mich so undeutlich ausgedrückt, dass man den Kern eines Artikels überhaupt nicht erkennt?

Sicher: Der Satiriker verwendet oft das Stilmittel der Uneigentlichkeit, also „eine Redeweise, in der ein sprachlicher Gegenstand etwas anderes bedeutet, als der Wortlaut besagt“. Oder, um es mit Harald Schmidt zu sagen, der sich die US-Mitternachts-Talker wie David Letterman, Johnny Carson oder Jay Leno zum Vorbild nahm: „Kill your enemies with friendlyness“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Uneigentlichkeit_(Literaturwissenschaft)

Damit nahe verwandt ist die rhetorische Figur der Ironie: „Dabei behauptet der Sprecher etwas, das seiner wahren Einstellung oder Überzeugung nicht entspricht, diese jedoch für ein bestimmtes Publikum ganz oder teilweise durchscheinen lässt. Sie kann dazu dienen, sich von den zitierten Haltungen zu distanzieren oder sie in polemischer Absicht gegen angesprochene Personen zu wenden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Ironie

Allerdings stellt es für einen Satiriker die Höchststrafe dar, unter Inkaufnahme körperlicher Schmerzen seine Anspielungen, Doppeldeutigkeiten und Pointen erklären zu sollen. Doch wenn‘s der Wahrheitsfindung dient (Achtung: Ironie des einstigen Kommunarden Fritz Teufel), muss ich da wohl durch!

Ich möchte dies anhand meines letzten Artikels unternehmen, bei welchem es wieder einmal zu unerklärlichen Missverständnissen kam (siehe Kommentare).

Eigentlich hätte man den Duktus des Beitrags schon an der Überschrift erahnen können, wo ich von der „stets gleichen Vielfalt“ schrieb und somit die „Contradictio in Adiecto“ verwendete: Ein Begriff enthält einander widersprechende Merkmale - der Prädikatsbegriff ist also mit dem Subjektsbegriff nicht zur Deckung zu bringen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Contradictio_in_adiecto

Eine Vielfalt kann also nicht stets gleich sein. Das lässt vermuten, dass im nachfolgenden Text eine Abwechslung von den handelnden Personen nur scheinbar bewirkt wird, sie also nach Auffassung des Autors weitgehend in der gleichen Soße rühren.

Schon in der Einleitung wird eine satirisch geprägte Grundhaltung deutlich, wenn der Autor feststellt, man wisse vorher oft gar nicht, was die DJs auf Tangoveranstaltungen auflegten, da häufig nur floskelhafte Ankündigungen verwendet würden. Ob die nachfolgende Aufstellung tatsächlich „rühmlich“ ausfällt und man sie „hoffnungsvoll“ betrachtet, darf bezweifelt werden.

Durch diese Adjektive wird zudem eine satirische Fallhöhe aufgebaut – für den (erwartbaren) Fall, dass die Hoffnungen ungründet sind.

Mit den vielen nun eingesetzten Zitaten von DJs des Vereins möchte der Autor nahelegen, dass es um die Vielfalt des musikalischen Angebots eher schlecht bestellt ist – dazu werden ironisierende Kommentare zu den einzelnen Aussagen eingeflochten.

Satirisch geprägt sind auch Metaphern wie „Hintertürchen“ oder überspitzte Gegensätze („mutiger Ansatz“ – „Rolle rückwärts“). Ebenfalls wird versteckte Kritik an unbeholfenen Formulierungen der DJs und ihren sprachlichen Fähigkeiten geübt („kleine Brise“ – „viel Wind“).  

In der abschließenden Kommentierung wird den heutigen Tango-DJs Anpasserei vorgeworfen: Man komme halt leichter an einen Job, wenn man behaupte, ein großer Fan der traditionellen Tangomusik zu sein. Dieser Sinneswandel wird mit dem satirisch überhöhten Vergleich der Bekehrung des Paulus („Damaskuserlebnis“) in der Bibel karikiert. Dies geht bis zur sarkastischen Feststellung, etwas Neues sei „nicht zu befürchten“.

Zudem kriegten die wenigen DJs mit modernerem Programm aktuell kaum Aufträge, es sei denn, sie wären Vereinsvorsitzender (natürlich ein satirisch hergestellter Zusammenhang).

Abschließend wird als Pointe der Vergleich zwischen moderner Tangomusik und den Bananen in der ehemaligen DDR gezogen: In beiden Fällen werde das reichliche Angebot zwar behauptet, jedoch nicht erfüllt – was in dem politischen Witz am Schluss noch einmal plastisch illustriert wird.

Nun kann man natürlich fragen: Warum mache ich es den Lesenden so schwer? Vor allem, weil ich diejenigen Kunden belohnen möchte, welche – wegen ihrer großen Sprachbegabung – genau hinsehen und die verborgenen Schätze heben können. Und es mir zusätzlichen Spaß bereitet, wenn mal wieder jemand zu dämlich ist, um die Gags zu kapieren.  

Ich hoffe, durch diese Textanalyse haben nun alle die Möglichkeit, anhand der beschriebenen Stilmittel und rhetorischen Figuren ein wenig tiefer zu schürfen.

Daher abschließend noch ein Feinschmecker-Zitat von Friedrich Nietzsche: „‚Deutscher Geist‘: seit achtzehn Jahren eine contradictio in adjecto.“ Der Philosoph äußerte diesen Gedanken in der Aphorismen-Sammlung „Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert“. Im Jahr 1889 bezieht er sich damit auf die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 und die dominierende Rolle des Militärs.

Hätte er den Tango gekannt, wäre seine Einschätzung vielleicht ähnlich ausgefallen.

Und hier noch etwas zur Person:


https://www.youtube.com/watch?v=9LrNFUuvU7g

Kommentare

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