Bleiben wir öffentlich!
Kürzlich hat meine Tangofreundin Alessandra Seitz aus Wien (sie
veranstaltet dort mit ihrem Mann Peter
eine experimentelle Milonga) einen
wirklich lesenswerten Artikel veröffentlicht:
Unter dem Titel „(Geschenk) Korb bekommen?“
berichtet sie von einigen bemerkenswerten männlichen
Reaktionen zum Auffordern. Sie
erlaubt sich nämlich gelegentlich, auf ihrer Veranstaltung anwesende Herren auf
lange herumsitzende Damen aufmerksam zu machen beziehungsweise diese zu
ermutigen, aktiv auf Tangueros zuzugehen und einfach zu fragen, „und zwar
durchaus verbal, um nicht Gefahr zu laufen, eine Augenstarre zu bekommen, vor
lauter angestrengtem Cabeceo…“
Und was sagen gewisse Männer dazu?
„So wurde mir zum
Beispiel von einer Dame erzählt, dass der verbal aufgeforderte ‚Herr‘ (mit
Absicht in Anführungszeichen) antwortete, er würde für gewöhnlich seine
Tänzerin selbst wählen, würde aber quasi in Gottes Namen eine Ausnahme machen.
Also, wenn mir jemand so eine Antwort gibt, ist die meine: dann viel Erfolg!
Und ich würde selbstredend keinen Schritt mit dem Typen tanzen.“
„Eine Tänzerin
erzählte mir, dass der aufgeforderte Herr dieselbe nach einem Tanz mitten auf
der Tanzfläche stehen ließ mit den Worten: ‚Ja also, so wird das heut mit uns
zwei nix.‘“
Zum
„Geschenk-Korb“
meint sie:
„Und mancher Korb ist
ja tatsächlich ein Geschenk, wenn man den Tänzer dann tanzen sieht…“
Wohl
wahr! Meine Standard-Antwort auf weibliche Live-Klagen bei bestimmten Milongas,
man sei bislang kaum aufgefordert worden (außer von mir natürlich): „Und mit wem hättest du hier tanzen wollen?“
Als
ich den Artikel auf Facebook verlinkte, kamen postwendend noch andere Geschichten:
„Na gut, dann opfere ich mich eben"
scheint eine gern genommene Antwort auf weibliche Aufforderungen zu sein.
Origineller,
wenn auch nicht weniger ungezogen
die Reaktion auf die Frage: „Magst du
tanzen?“ „Mit wem denn?” Vielleicht ein Typ mit einer multiplen
Persönlichkeit… Es gibt ja den alten Psychiaterwitz:
„Vergessen Sie nicht, den Schizophrenen
zwei Rechnungen zu schicken!“
Ich hätte noch beizutragen: „Du bist wohl nicht von hier? Bei uns ist es
absolut unüblich, dass Frauen auffordern!“ Gnadenhalber wurde der Tanguera dann
auch genau ein Tänzchen spendiert.
Und: „Wie
lange tanzt du schon?“ (…) Na, da musst du noch viel üben!“
Manchmal bekommt man sogar Bestätigungen für Behauptungen, die man
schon oft aufgestellt hat und die immer wieder bestritten wurden;
„Es
gibt leider Männer, die es gar nicht mögen, wenn sie (auch per Mirada)
aufgefordert werden, das habe ich sogar schriftlich erhalten.“
Das Gen
für soziale Kompetenz scheint jedoch nicht auf den Geschlechtschromosomen
beheimatet zu sein. So berichtete ein altgedienter Milonguero, dass er auf
einer fremden Milonga klopfenden Herzens eine Dame (verbal) aufforderte, die
schon länger herumsaß – und von der einen derart unfreundlichen, ja „giftigen“
Korb bekam, dass er sich heute noch darüber ärgert.
Meine Antwort: „Ich hab nun schon jahrelang keinen Korb mehr bekommen – vielleicht,
weil ich mein „Zicken-Erkennungsprogramm“ dreimal pro Woche update.
Sollte ich mal einen kriegen, steht meine Antwort fest: ‚Magst mir noch deinen Namen sagen? Ich brauch Stoff für einen Blogtext!‘“
Sollte ich mal einen kriegen, steht meine Antwort fest: ‚Magst mir noch deinen Namen sagen? Ich brauch Stoff für einen Blogtext!‘“
Mir ist klar, dass etliche Leser meine (satirisch
gefärbte) Drohung, solche Vorkommnisse
zu veröffentlichen, wieder einmal furchtbar finden werden. Im Ernst: Den vollen Namen der Dame würde ich nicht
zitieren (wobei ich ihn wohl eh nicht bekäme), aber die Veranstaltung, in der solches vorkommt oder vielleicht sogar üblich
ist, wohl eher schon. Auf jeden Fall ließe ich den Organisator (vor dem
baldigen Verlassen des Events) wissen, welche Art von Gästen sich bei ihm (auch) herumtreibt!
Ja – der Veranstalter trägt eine hohe Mitverantwortung für solche Missstände. Und wenn man gar darauf
besteht, dass nur in einer disziplinierten
Ronda ohne die geringste Behinderung
von anderen Akteuren zu tanzen sei, dürfte man sich mit mehr Recht auch um psychische Rempeleien kümmern.
Natürlich kann man einen Korb geben, wenn man denn gar nicht will. Aber dann
bitte, wie Alessandra Seitz schrieb,
„mit einem Mascherl“ – oder, wie ich
es in direkterem Oberbayerisch nennen würde, ohne sich wie eine gescherte
Bauernsau aufzuführen.
Zu unserer „Wohnzimmer-Milonga“ jedenfalls würden Gäste, die öfters Körbe
verteilen, kein zweites Mal eingeladen – mit derartigen Menschen möchte ich
meine Freizeit, ob nun privat oder öffentlich, nicht verbringen.
Mir ist völlig klar, dass ich mich mit meinen
„Originaltönen“, Zitaten und
Tatsachenberichten gelegentlich an die Grenze
dessen begebe, was juristisch und moralisch noch tolerabel ist. Die
Frage, ob eine Äußerung zu privat
für eine Publikation ist oder vielleicht doch persönlich rückverfolgbar wäre, stellt für mich öfters eine
Gratwanderung dar – nicht immer muss man meine Entscheidung zur
Veröffentlichung richtig finden. Und ich warne ja stets davor: Wer mich näher
kennt und mir dennoch gewisse
Geschichten anvertraut, sollte wissen, dass sie vielleicht – einigermaßen verfremdet
– in einem Beitrag auftauchen.
Solange man lobt, ist das nie ein Problem – da verlinkt man meine Artikel dann
sogar auf den eigenen, öffentlichen Seiten. Wehe aber, es kommt Kritik: Dann war plötzlich alles „privat“, „vertraulich“ – man werde nun „an
den Pranger gestellt“ und vieles mehr. Da muss ich doch noch mal aus FB
zitieren, weil’s so schön ist:
„Auf
der anderen Seite ein Zitat anzufügen und sich hinterher über den Autor lustig
zu machen ist ebenfalls nicht erlaubt. Daher war der gesamte Blog aus meiner
Sicht fehlerhaft aufgezogen und hätte gar nicht veröffentlicht werden dürfen.“
Na ja, dann wird’s mit der Satire insgesamt schon ein wenig
schwierig – Äußerungen dieser Art habe ich das letzte Mal als Kind in den
1950-er Jahren gehört… und schon damals gab es Leute wie Dieter Hildebrandt, denen genau das riesigen Spaß gemacht hat (und
seinem Publikum erst recht)…
Über die „Erlaubtheit“ solchen Tuns habe ich
neulich einen mühsam recherchierten
Artikel veröffentlicht:
Ergebnis:
Null Reaktionen – ja, Tatsachen sind
halt oft total unsexy…
Es ist eine Binsenweisheit, dass Texte mit persönlichen Erlebnissen ein weit
stärkeres Interesse finden als allgemeine
Darlegungen. Ich versuche beides. Und es geht mir keineswegs darum,
mich als „Tango-Paparazzo“ zu
profilieren. Es ist nur so:
Viele Sauereien
finden im Tango fast geräuschlos hinter
den Kulissen statt: Da werden DJs entsorgt, die sich musikalisch etwas zu
viel trauen, Tangovereine und Milongas gekapert und ideologisch auf Spur
gebracht, zu freisinnige Veranstalter-Kollegen mit Parallelterminen
niedergemacht oder Anfänger gewarnt, bestimmte Milongas zu besuchen – und vor
allem Frauen, gerade Anfängerinnen,
mit Nichtachtung bestraft und per
Cabeceo-Pflicht stillgelegt, bis sie mit den Wölfen heulen und sich nahtlos in
die männlich dominierte Hierarchie
einfügen. Natürlich alles mit öliger Bussi-Bussi-Mimikry…
O-Töne
sind in diesem angstbesetzten Milieu schwer zu kriegen: Die Männer sagen
nichts, da es ihnen nicht nützen würde, und die Frauen schweigen, um sich nicht
noch mehr zu schaden. Und wenn, dann darfst du das nicht veröffentlichen, war
ja alles „privat und vertraulich“.
Nein, meine Lieben, das könnt euch so passen!
Auf diesem Blog wird es weiterhin um Tatsachen
gehen und nicht um den Talmiüberzug,
mit dem man heute im Tango jeden Mist gefällig kaschiert. Ich freue mich über Leser, die den Mut haben, sich zu offenbaren. Und wenn nötig,
werden Namen und Zitate verwendet.
Dann ist das Aufheulen
erfahrungsgemäß riesig – und ich freue mich über die Reaktion getroffener Hunde.
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