Habeck-Feldtreiben
An Donnerstagabend wurde Wirtschaftsminister Robert Habeck daran gehindert, eine Fähre zu verlassen, die ihn von einem Kurzurlaub auf der Hallig Hooge zurückbrachte.
Zirka 300 Demonstrierende waren mit jeder Menge Traktoren vorgefahren, um die Zufahrt zum Fähranleger zu blockieren. Dazu aufgerufen wurde in den sozialen Medien. Glücklicherweise bekam der Bürgermeister der Gemeinde davon Wind und verständigte die Polizei, welche immerhin mit 30 Personen anwesend war, den Sturm auf die Fähre jedoch nur verzögern konnte. Im letzten Moment legte der Kapitän wieder ab und verhinderte so das Schlimmste.
Der Minister hatte lediglich zwei Personenschützer dabei. „Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen, mit nicht auszudenkenden Folgen“, so Axel Meynköhn, Geschäftsführer der Reederei.
Das Angebot Habecks, mit bis zu drei Demonstranten zu diskutieren, wurde von denen abgelehnt.
Politiker fast aller Parteien verurteilten die Attacke. Lediglich aus der AfD sowie von Sahra Wagenknecht hörte man andere Töne. Die Politikerin gab zu Protokoll:
„Dass sich Habeck jetzt als Opfer der Proteste inszeniert, ist peinlich. Statt sich weinerlich über Proteste zu beschweren, müsste die Bundesregierung jedem dankbar sein, der heute noch Landwirtschaft in Deutschland betreibt.“
Ich meine, solche Sätze sollte man sich merken, wenn die Ex-Linke demnächst mit einer eigenen Partei antritt…
Und Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, formulierte knapp an den Tatsachen vorbei:
„Habeck, der zum Jahresbeginn gleich dadurch auffiel, krude Erfolgsbilanzen zur Energiewende aufzustellen, wird von den Bürgern nicht mehr ernstgenommen. Und statt den Dialog zu suchen, begeht er lieber Fährenflucht...“
Tja, Fahnenflucht ist für den deutschnationalen Kämpfer natürlich ein Kapitalverbrechen (außer es geht gegen Russland).
In den meisten Stellungnahmen war zu lesen, die notwendige politische Auseinandersetzung überschreite Grenzen, wenn sie zu Bedrohung und Nötigung übergehe.
https://www.youtube.com/watch?v=UOTGqsGmRxo&t=202s
Ich finde, hinter solchen Erklärungen steckt eine gebündelte Portion Naivität: An wen richten sich solche Erklärungen? Die Leute, welche so agieren, wissen ganz genau, dass sie Grenzen überschreiten. Daher tun sie es ja!
In meinem bescheidenen Milieu habe ich es jedenfalls längst aufgegeben, gewissen Kommentatoren meines Blogs zu erklären, in welcher Weise ihre Attacken rote Linien übertreten. Auch hier ist doch genau das beabsichtigt!
Das einzig Wirksame ist, die Äußerungen solcher Personen nicht zu veröffentlichen respektive sie auf Facebook zu sperren. Eine andere Sprache verstehen sie nicht.
Spätestens seit den Querdenker-Aktionen ist der Ablauf derartiger „Proteste“ schematisch geregelt:
Man überwindet jeglichen Respekt und Anstand, indem man den Gegner zum „Feind“ erklärt und persönlich herabsetzt – ob nun mit Bildern in Gefängniskleidung oder per aufgestellte Galgen.
Sollte sich der Staat irgendwie einmischen, beispielsweise durch Auflagen bei Demonstrationen oder andere Verbote, ruft man gerne die Gerichte an. Bestätigt einem die Justiz ebenfalls, dass es so nicht geht, setzt man sich auch über solche Entscheidungen hinweg. Kriegt man dann tatsächlich Ärger mit der Polizei, inszeniert man sich als Opfer.
Spaßig finde ich es, dass sich nun Bauernverbands-Vertreter dazu bemüßigt fühlen, das Haberfeldtreiben an der Nordsee doch zu kritisieren: Das gehe zu weit, schon da sich Habeck auf einer „Privatreise“ befunden habe. Ach – wäre er dienstlich unterwegs gewesen, wären also Bedrohung und Nötigung vertretbar gewesen?
Man sollte schon sehen, dass die Radikalisierung durch Worte stets die Grundlage solcher Übergriffe darstellt. Auch Spitzenpolitiker demokratischer Parteien prügeln seit Langem verbal auf ihren Lieblingsfeind, die Grünen, ein. Söder, Merz und speziell Aiwanger sind alles andere als Unschuldsknaben. Klar sind sie schlau genug, die letzte Konklusio zu vermeiden – die übernimmt dann der Pöbel mit Traktor und Mistgabel.
Übrigens der Berufsstand, der in Deutschland am höchsten durch öffentliche Zuwendungen subventioniert wird. Jeder zweite Euro, den Bauern verdienen, stammt aus Geldern des deutschen Staates und der EU.
Um nun dem drohenden Whataboutism zu begegnen: Die gleiche Methode setzen auch Klimakleber, Querdenker und andere ein: Stets geht es darum, die eigenen Befindlichkeiten mittels Zwang der gesamten Bevölkerung aufzudrücken. Und auch Ärzte finden nichts dabei, mal ihre Praxis eine Woche lang zu schließen, um sich damit Weihnachtsurlaub von Heiligabend bis Dreikönig zu gönnen. Das Schicksal der Kranken? Man sollte nicht in den Irrglauben verfallen, die Aufnahme eines Medizinstudiums sei zwangsläufig mit der Empathie für Patienten verknüpft!
Nebenbei darf ich daran erinnern, dass Politiker bei uns nicht durch einen Staatsstreich, sondern durch demokratische Wahlen in ihre Positionen kamen. Und dass man für seine Überzeugungen Mehrheiten braucht – und zwar an der Urne und nicht in den sozialen Medien oder auf der Straße.
Robert Habeck ist wahrlich der Letzte, dem man Agitation und Hetze vorwerfen kann. Die Übergriffe kommentierte er so:
„Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt. Als Minister habe ich qua Amt Schutz der Polizei. Viele, viele andere müssen Angriffe allein abwehren, können ihre Verunsicherung nicht teilen. Sie sind die Helden und Heldinnen der Demokratie.“
Wer wird in Zukunft noch bereit sein, kommunale Ehrenämter zu übernehmen, wenn er dann beleidigt und bedroht wird, sich Sorgen um seine Familie machen muss?
Was kann man gegen solche Grenzüberschreitungen wirksam unternehmen? Geldstrafen helfen nur bedingt – und leider ist es in der Rechtsprechung üblich geworden, Haftstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen.
Ein schönes Beispiel bietet die Kleber-Aktivistin Carla Hinrichs, die wiederholt wegen solcher Aktionen in Konflikt mit der Justiz kam. Da sie einen Strafbefehl nicht akzeptierte, landete sie Sache vor dem Amtsgericht, wo sie zwei Monate auf Bewährung kassierte – ebenso in der Berufung vor dem Landgericht. Die drohende Haftstrafe hat sie jetzt nicht nur zum Weinen, sondern offenbar auch zum Nachdenken gebracht. Nun überlegt sie doch, in Zukunft von solchen Taten die Finger zu lassen.
Ich fürchte, bei Hartgesottenen geht es nur so. Und wenn man dann die Regeln für beschleunigte Verfahren vereinfachen, die Strafmündigkeit auf 12 Jahre herabsetzen und ab 18 Erwachsenenstrafrecht anwenden würde, wären wir einige Schritte weiter. Wer alle staatsbürgerlichen Rechte genießt, muss sich auch voll für Straftaten verantworten.
Tja, in der kommenden Woche sollten wir besser nicht auf längere Fahrten gehen, da diese an Traktor-Schlangen scheitern könnten. Warum die Mediziner noch nicht auf die Idee kamen, die Zufahrt zu Krankenhäusern mit ihren SUVs oder Porsches zu blockieren, weiß ich nicht. Seit meiner Jugendzeit kenne ich zwei Berufsstände, welche ständig Radau mit ihren Nöten machen: Bauern und Ärzte.
Daheim haben wir ebenfalls eine Protestwoche vor: Wir werden uns ab morgen von irischer Butter ernähren…
Quellen:
https://www.tagesspiegel.de/politik/peinlich-und-weinerlich-wagenknecht-kritisiert-habecks-reaktion-auf-bauern-blockade-11008102.html
Auch wenn wir oft bei Tango-Themen weit auseinander liegen, möchte ich Ihnen in jedem Punkt dieses Beitrags zustimmen.
AntwortenLöschenVielen Dank!
LöschenEs freut mich, dass Sie es auch ablehnen, anderen mit Hass und Hetze zu begegnen.