Die Tangopromi-Jägerinnen

 In meinem letzten Artikel habe ich eine große Zahl von „Tango-Typen“ vorgestellt, mit denen ich mich schon 2010 in der ersten Fassung meines „Milonga-Führers“ befasste. Was mir damals nicht auffiel: Es handelt sich fast ausschließlich um Männer. Ich sah die Damen also weitestgehend in der Opferrolle.

Grundsätzlich beurteile ich das immer noch so. „Der Mann führt, die Frau folgt“ ist für viele Tänzer weiterhin die Devise. Sie bilden sich ein, die alleinige Wahl zu haben, mit wem sie das Parkett betreten und wie sie tanzen. Leider trifft das häufig zu. Ich habe mich anfangs über die Hysterie gewundert, mit der man Tänzerinnen untersagte, einen Herrn direkt und verbal aufzufordern. Stattdessen machte man den Damen weis, der Cabeceo führe zur Gleichberechtigung bei der Partnerwahl und schütze sie vor sexueller Nötigung.

Warum sollten Männer etwas erfinden, das Frauen vor sexueller Übergriffigkeit bewahrt?

Der im Tango häufig herrschende Männermangel führt bei den Tangueras zu heftiger Konkurrenz, welche diese allerdings durch viel Bussi-Bussi-Getue besser verbergen können als das andere Geschlecht. Dies begünstigt einen weiblichen Typus, den ich lange Zeit naiverweise übersah: die „Tangopromi-Jägerin“.

Ich habe diese Spezies in einem früheren Text schon einmal angesprochen:

„Es gibt beim Tango eine Subspezies unaufforderbarer Weibchen – jedenfalls für den Durchschnittstänzer. Sie gehören eher zum jüngeren Segment (im Tango also unter 50), fallen meist durch deutliche Aufbrezelung auf – und wissen vor allem genau, was sie wollen: Alphamännchen.“

http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/05/die-unaufforderbaren.html

Auch wenn die Tanzeinladung einmal gelingen sollte, führt sie zu einem minderen Vergnügen: Das ständige Recken und Verdrehen des Ganskragens signalisiert: Wichtig ist weniger, was man tanzt, als wer es sieht. Eine wirkliche Verbindung gelingt selten.

In der Psychologie ist man sich einig: Frauen stehen bei Männern auf Ranghöhe – selbst die ältesten und hinfälligsten Dackel kriegen noch Partnerinnen aus dem Fotomodell-Segment, wenn sie über Geld, Macht und Prominenz verfügen. Die Trias „mein Haus, mein Auto, mein Boot“ lautet – auf den Tango heruntergebrochen: Tangolehrer, Veranstalter, DJ. Manchmal reicht sogar Buch-Autor.

Es spricht für meine Dämlichkeit, dass ich das Interesse mancher Tänzerinnen an meinem „Milonga-Führer“ als sachbezogen missdeutete. Typisch war die mit schiefem Köpfchen und Wimperngeklimper garnierte Anfrage: „Stimmt es, dass du ein Tangobuch geschrieben hast?“ Es hätte mir auffallen können, dass meist eine nähere Befassung mit dem Inhalt meines Werkes ausblieb – entscheidend war das Faktum. Zudem war ich noch fallweise als Veranstalter und DJ aktiv, was die Nachfrage verschlimmerte.

Was mich aber rettete: Die Damen erfuhren recht bald, ich sei kein wirklicher Tango-Promi, sondern ein von der überwiegenden Tangopopulation geschmähter und verachteter Häretiker. Die Musik, die ich als DJ böte, sei völlig abstrus und zudem kaum tanzbar, und unsere Dorfmilongas wären meilenweit von gültigen Tangofestivitäten entfernt. Nix also mit Glamour – im Gegenteil röche das alles nach tiefster Provinz.

Was mich bei solchen Alphamännchen-Sucherinnen immer wieder faszinierte: Sie konnten ihre Verführungspose nicht nur auf Knopfdruck einschalten, sondern ebenso schnell wieder dimmen: vom Stern zur Schnuppe.

Erkennbar sind sie ebenfalls an ihrem Outfit: Obwohl meist den Zwanzigern entwachsen, sind sie geradezu erbittert aufgebrezelt. Tangokleidchen mit Mut zur Lücke sowie schuhartige Gebilde mit viel Luft und einigen Riemchen gehören zur Pflichtausstattung. Tänzerisch haben sie sich ebenso wild entschlossen einiges draufgeschafft – sie wollen ja Zugang zu höheren Tangocliquen erreichen. Dennoch hat man den Verdacht, das Beingeschwinge und Fußgezwirbel diene vor allem dazu, möglichst viel Luft unter das Röckchen zu kriegen.

Der Weg nach oben wird gelegentlich mit durchaus physischen Mitteln gebahnt. Unvergesslich wird mit der Anblick von drei Männern bleiben, die auf einer für drei Personen geeigneten Bank saßen. Eine Promijägerin schaffte es jedoch, ihren sowohl ein- wie auch ausladenden Hintern zwischen das maskuline Ensemble zu quetschen. Aufforderung garantiert.

Solche Strategien funktionieren fast immer. Ich erinnere mich an DJs, die tänzerisch gnadenlos holzig daherkamen und dennoch ständig von gewissen Damen bedrängt wurden. Daher stehen ja hinter jedem Apple-Computer mindestens zwei Stühle: Für den Aufleger sowie seinen Stammzahn, welcher außer dem Pflichttanz mit dem Partner kaum auf dem Parkett zu sehen ist. Stattdessen throhnt die Dame als ständiges Eigentums-Wahrzeichen neben ihrem Coaxialkabel-VIP. Manchmal gelingt es dennoch weiteren Damen, dort aufzubaumen. Dann werden noch mehr Stühle herangeschafft.

Unvergessen wird mir auch der Tangolehrer bleiben, dessen weibliches Beuteschema uns sehr schnell klar wurde. Immer wieder wurden entsprechende Anfängerinnen langsam und narkotisch einige Tanzrunden im Kreis transportiert – Après-Tango wohl eingeschlossen. Wir schlossen öfters Wetten ab, wer die Nächste sein würde. Die Vorgängerin durfte inzwischen beim Getränkeausschank mithelfen.

Untrügliches Kennzeichen von Tango-Amazonen ist es auch, dass sie die weibliche Begleitung des Zielobjekts für völlig entbehrlich halten und dies mehr oder weniger subtil signalisieren. Während man sich bei Ehefrauen noch einer gewissen Zurückhaltung befleißigt, wird man bei der weiteren weiblichen Entourage schon deutlicher. Meine Blogger-Kollegin Manuela Bößel hat gerade eine fast wahre Geschichte veröffentlicht, die uns immer noch riesigen Spaß bereitet. Der Kenner sollte sich Zeit nehmen, die dargestellten Verwicklungen zu goutieren:

https://im-prinzip-tango.blogspot.com/2022/02/hochdramatische-tango-pieces-in.html

Nach alledem meine ich: Wer als Tango-Promi nicht wenigstens von Zeit zu Zeit eine Affäre hinkriegt, muss sich wirklich heftig dagegen gewehrt haben – eine Tugend, die bei Männern wenig verbreitet ist. Wenn's dann schiefgegangen ist, hört man von den Damen öfters: Man habe ja nicht geahnt, welch miese Typen sich beim Tango herumtrieben. Tja, wie man sich nur so irren kann...

Nun könnte man meinen: Sollen sie doch, wenn’s ihnen, zumindest anfangs, Spaß macht! Das Problem ist halt nur: Solche Damen befördern beim Tango eine Entwicklung, die ich für unheilvoll halte – die Cliquen-Wirtschaft. Der Tanz verliert seine eigentliche Funktion und degeneriert zum „Mitglieds-Ausweis“ und Rangordnungssymbol. Wer mit den Falschen tanzt, wird von den Richtigen ignoriert.

Um die Stimmung noch weiter zu drücken: Ich habe dazu ein Video gefunden, über das man geteilter Meinung sein kann. Sicher ist: Der Sprecher verfügt über kein sehr positives Frauenbild. Dennoch meine ich, dass manche seiner Aussagen nicht eben weit von der Realität entfernt sind. Nach welchen Kriterien wählen viele Frauen ihre Partner? Wenn man sie fragt, kommen Aussagen wie „lieb, nett, zuverlässig, tiefgründig, kann gut zuhören“. Nur – stimmt das tatsächlich? Lassen Sie sich überraschen:  

https://www.youtube.com/watch?v=qP8R_USzIaA

Kommentare

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