Die Themen-Killer

 

Wenn man anderen erzählt, dass man auf Facebook aktiv ist, fängt man sich oft abwehrende Blicke ein. Viele tun sich das nicht an – wegen des rauen Umgangstons dort, der persönlichen Angriffe und Beschimpfungen. Ein Bloggerkollege schrieb mir einmal, für ihn gleiche Facebook einer Bahnhofsunterführung, welche man raschen Schrittes und mit angehaltenem Atem passieren solle.

Ich nutze dieses Forum fast ausschließlich dazu, meine Blogartikel zu verlinken (und früher zu unserer Wohnzimmermilonga einzuladen). Auf anderen FB-Seiten kommentiere ich eher selten – meistens dann, wenn ich persönlich angesprochen werde. Aber auch da bin ich ziemlich zurückhaltend, da ich mich dann als Gast fühle. Werde ich dort attackiert und wehre mich, bringe ich dadurch eine Schärfe in die Debatte, welche dem Gastgeber meist nicht recht ist. Und im Zweifel bin natürlich ich schuld. Darum schweige ich häufig zu solchen Attacken. 

Klar, ich freue mich, wenn meine Texte via Facebook bekannt werden und noch mehr Leser finden. Und selbstredend darf  man sie auf meinem Blog kommentieren. Ich habe auch nichts gegen Anmerkungen auf meinen FB-Accounts – am besten themabezogen und mit einem Minimum an gutem Benehmen. Auf fremden Seiten verlinke ich meine Artikel nicht.

Mit der Zeit lernt man dabei eine kleine Schar vagabundierender Marodeure kennen, welche einen ganz anderen Modus Operandi betreiben: Auf ihren eigenen Facebook-Accounts findet man oft nicht eben viel, bestenfalls verlinken sie gelegentlich geistiges Eigentum anderer (in den sozialen Medien eh ein Massensport). Umso aktiver sind sie auf den Seiten Dritter, welche sie nach Gegnern sowie Streitgegenständen absuchen. 

Fast immer sind die Akteure männlich und halten es für einen Ausweis von Überzeugungskraft, in Debatten gleich mit der Superlativ-Dampframme einzusteigen: Das sei ja der letzte Käse, warum sich der Autor überhaupt mit sowas beschäftige – nur größter Unsinn.

Leseprobe:

Frage mich ernsthaft, wer sowas liest, wenn es ausschließlich um eine so aufgebauschte Diskussion geht, nur um dann das letzte Wort zu behalten, sorry, in Erwartung einer Antwort, das zweitletzte Wort.“

Dieses Zitat zeigt sehr gut die Hoffnung, welche solchen Beiträgen innenwohnt: Dass ein anderer mit möglichst gleicher Münze zurückzahlt. Damit hat man auch oft genug Erfolg. Und schon tobt die schönste Schlacht, welche weitere Zuschauer und Kämpfer anlockt.

Häufig ergibt sich dabei ein ungleiches Kräfteverhältnis: Irgendein armer, meist etwas ungeschickt argumentierender Schreiber wird dann gleich von mehreren Personen niedergemacht.

Leseprobe:

„Deine ersten 3 Sätze waren gut, (…) Danach - leider - nur noch unnützer Conspiracy Bullshit!“

„Also, alles Gute in dieser Demokratie, in der Du so zusammengedrehte und auch verdrehte Sachen behaupten kannst... Ich frage jetzt nicht, in wessen obskuren' Diensten Du vielleicht stehst....

Aber wahrscheinlich muss Dich keiner für Verwirrung bezahlen oder vorschicken, Du hast Dich ja im ersten Beitrag an die toxisch-manipulative Lügenfront gedrängt und geoutet. Dafür herzlichen Dank, Du gibst Dich, wie Du bist.“

(Quelle: Ein Tangoforum, das sich „konstruktiv-kollegial“ nennt)

Selbst wenn es nicht gelingt, ein Hauen und Stehen anzuzetteln, hat man doch meist Erfolg damit, von einem Thema wegzukommen, das einem unangenehm ist oder zumindest nicht interessiert. Unter männlichen Stammtischbrüdern sehr beliebt sind dabei die Themen Sex und Saufen.

Leseproben:

„was bei kondomen für manche ‚gefühlsecht‘ ist, erleben andere als unerträglich genuss minimiert. bei masken wird es wohl nicht anders sein.“

„ja, so ein grundrechtseinschränkendes Kondom ist schon eine miese Sache - und das zur HIV-Prävention bereits seit fast 40 Jahren.“ 

 

„Vor dem Kamin Tango hören, im kleinsten Rahmen tanzen, bei einem Glas Rotwein über andere Zeiten senieren.“

„ich bevorzuge weisswein“

„Wenn der Sekt alle ist: ok. [und zu hellem Fisch]“

„Alles Quatsch. Gut muss er sein. Dann ist es keine Frage von Rot oder weiss oder trocken oder süss.“

„bis auf ‚süß‘ stimme ich Dir zu“

„Ein guter Eiswein hat auch was ... .“

(In beiden Fällen ging es um Tangoprobleme im Lockdown.)

 

Mein Problem dabei: Ich verlinke ja meine Artikel, weil ich mir eine Beschäftigung der Leserinnen und Leser mit den Themen wünsche. Und gerade in unserer Tango-Facebookgruppe geht es uns auch darum, Anfänger nicht mit Kopf ab-Sprüchen zu verunsichern. Meine entsprechenden Appelle werden jedoch von den betreffenden Personen stets mit persönlichen Angriffen quittiert.

Leseproben:

„Ein erbaulicher Artikel, er wäre aber noch glaubwürdiger, wenn der Verfasser die beschrieben Regeln in seinen eigenen Beiträgen und Kommentaren einhalten würde.“

Aber eins ist mit aufgefallen: Dass Sie sehr oft bei Diskussionsgegnern auch auf die Personen losgehen, während Sie selbst bei Bedarf - vielleicht um nicht Ihr Gesicht zu verlieren - persönlich werden.“ 

„Die Kritik an der Rechtschreibung anderer Menschen ist es sehr verletzend und eben auch ein Argumentum ad hominem, gar ad persona.“

Personam. Wenn es denn gar nicht anders geht, behauptet man halt, ich würde es mindestens genauso schlimm treiben. Insbesondere zitiere ich falsch oder gar unberechtigt, mische mich in Privates ein und beleidige andere. Und kaum noch jemand wolle auf meinem Blog kommentieren, da ich kritische Wortmeldungen nicht veröffentliche. Die fast 3000 Beiträge dort zählen offenbar nicht.

Wahr daran ist nur, dass diese Leute kaum jemals auf meinem Blog Anmerkungen hinterlassen – das könnte ja Leser auf meine Seite locken. Schon das zeigt die Scheinheiligkeit solcher Vorwürfe. Stattdessen äußert man sich gerne auf den Seiten Dritter, auf welche ich keinen Zugriff habe. Spätestens, wenn dort über mich hergezogen wird, sind sie sofort dabei und klagen ebenfalls ihr Leid.

Wie soll man sich gegen die Strategie der „Themen-Killer“ wehren? Aus meiner Erfahrung einige Tipps:

Man muss nicht jeden Käse beantworten. Den betreffenden Provokateur freut es, da er sich in seiner Wichtigkeit bestätigt fühlt. Ignorieren ist also durchaus eine Option.

Vergessen Sie die Hoffnung, solche Menschen überzeugen zu können! Daher habe ich nicht sie im Blick, sondern die vielen, welche still mitlesen. Wenn denen eine Antwort wichtige Informationen liefert – gut. Wenn nicht, bringen Argumente gar nichts. 

Solche Zeitgenossen wollen Ihnen stets einreden, es sei im Sinne der Meinungsfreiheit unabdingbar, dass sie ihren Quatsch überall im Netz verbreiten dürften. Das ist natürlich Unsinn. Sie selber dürfen bestimmen, mit wem Sie eine Diskussion wollen. 

Nichts durchkreuzt die Absichten dieser Leute mehr, als wenn Sie grenzüberschreitende Äußerungen löschen und eventuell die Urheber auf Facebook sperren oder aus einer Gruppe entfernen. In dem Fall werden die Herrschaften nämlich so richtig sauer: 

und wer dann das dahinter liegende posting kritisiert, der wird dann von DIR wegZENSIERT! so much über 'schönreden'!“

„Der Gerhard Riedl teilt zwar gerne aus, aber wehe jemand kritisiert ihn oder ihm gefällt was nicht: aus einer Gruppe entfernen (und die Gruppe für die entfernte Person unsichtbar machen) ... ZENSIEREN.

Herrjeh, Riedl: was denkst Du daß DU wichtig bist! Deine ‚Was sie immer über Tango wissen wollten ...‘ Gruppe sollte wohl eher ‚was der Riedl denkt daß sie über Tango wissen sollten ...‘ umbenannt werden!“

Dann ist gegenseitiges Wundenlecken angesagt:

„Echt der Hammer. Dieser Screenshot bringt es genau auf den Punkt. Da braucht man nicht weiter reden, das spricht so schön für sich, dass ich das Bild direkt gesichert habe. Solange er in seinem (ost)Biotop bleibt ist doch alles in Ordnung.“

„Mein Erstkontakt, vor einem guten Jahr, war ähnlich. Ich wollte freundlich diskutieren und hab direkt eins übergebraten gekriegt.“

Eines mag viele trösten: Man wird dieser Prozedur nur unterzogen, wenn solche Leute vermuten, man habe einen relativ großen Leserkreis. Dann finden natürlich auch solche Interventionen viel Aufmerksamkeit. Und man mag den Autor schon deshalb nicht, weil er populär ist. Er will sich bestimmt nur wichtig machen, was er keinesfalls verdient! 

Muss man sich dem Fäkaliengeruch in Bahnhofsunterführungen also wirklich aussetzen? Ich halte es für sinnvoll. Soziale Foren können sehr nützlich sein und eine Menge Anregungen bieten. Warum sollte man sie denen überlassen, welche sie missbrauchen?

Daher plädiere ich dafür, die Luft anzuhalten und sich zu beeilen!

P.S. Da ich keine persönlichen Angriffe betreiben will, habe ich die Urheber der Zitate nicht genannt. Wenn eine der betreffenden Personen es wünscht, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog unter Nennung des Realnamens. Ich belege meine Quelle dann gerne.

Illustration: Leon Stallforth

Kommentare

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