Der Tragödie zweiter Teil
„Zum Augenblicke dürft' ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn.“
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn.“
(Goethe: Faust II)
In
seinem neuen Artikel „Zurück aus dem Tango-Wochenende“
bezieht sich Blogger Cassiel offensichtlich auf ein Encuentro, an dem er zu
Pfingsten dieses Jahres teilgenommen hat:
Er
ist dort voll des Lobes über die wohltuenden Wirkungen der besuchten
Veranstaltung auf sein psychisches Befinden. Einige Kostproben:
„Ich habe in der
letzten Woche wieder einmal bemerkt, dass ich gefühlte zwei bis drei Zentimeter
größer war.“
„So bin ich
beispielsweise an einer Politesse in der letzten Woche vorbeigegangen und sie
hat mich (nachdem ich ihr wohl direkt in die Augen gesehen habe) einfach angelächelt“
„Und ich bin nach
solchen intensiven Wochenenden gelassener, vielleicht weicher oder
verletzbarer.“
„Die Dame, die sich
dann in der Metzgerei vorgedrängelt hat, habe ich einfach nur angelächelt, ich
musste mir nicht einmal eine Bemerkung verkneifen – es war schlicht ok. Ähnliches
gilt für den Umgang mit den rücksichtsloseren Autofahrern in meiner
unmittelbaren Umgebung, wenn es jemand so eilig hat, dann soll er sich halt
eben durchsetzen, es macht mir in einer solchen Stimmung nichts aus.“
Ich
finde es allerdings immer wieder hochinteressant, Phänomene aus mehr als einem
Blickwinkel zu betrachten:
Vor
seinem Pfingst-Encuentro hatte der Blogger es nämlich bereits für nötig
erachtet, auf meine Wortmeldung zur Löschung eines Links von Manuela Bößel auf „Tango
München“ einzugehen (siehe http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/ceterum-censeo.html).
Wie immer garnierte er seine Beiträge auf dem Forum www.tanzmitmir.net mit
durchaus knackigen Sentenzen wie „große Verbalkeule“, „schwadronieren“ „dass Du Zitate verfälscht“,
„virtuelles Wildpinkeln“, „narzisstisch
veranlagte Persönlichkeiten“ (alles
vom 10. bzw. 11.5.16, also „präencuentrisch“).
Postencuentrisch folgte allerdings der Tragödie
zweiter Teil. Am 18.5.16 vermeldete der Blogger: „Hallo Gerhard, ich bin erst gestern spät von einem wunderschönen
Tangowochenende zurückgekehrt und habe dann Deinen Artikel gelesen. Ich bin
(wen wundert's?) anderer Meinung als Du und so erlaube ich mir, noch einmal
deutlicher meine Gedanken zu Deinen jüngsten Poltereien zu veröffentlichen.“
Aus seinen nunmehrigen Formulierungen
vermochte ich nun aber nicht direkt auf eine stattgehabte Ausgießung
irgendwelcher heiliger Geister zu schließen:
„Dein Selbstvergleich
mit Jan Böhmermann ist in meinen Augen hart an der Grenze zur Peinlichkeit“, „In
der materiellen Behaglichkeit Deiner öffentlich-rechtlichen Altersversorgung“, „eine
ordentliche Portion Voyeurismus“, „Fremdschämen“
(beides bezogen
auf meine hohen Zugriffszahlen), „Deine regelmäßigen verbalen Ausfälle mir gegenüber“, „ganz überwiegend nur noch kleinlich“, „wie
der sprichwörtliche Elefant im
Porzellanladen“, „ordentlich Krawall gemacht“, „schwadronierst“ (schon
wieder!), „Populismus“, „dass Du hier den
rebellierenden Underdog gibst“ (beides
bezogen auf Manuela Bößel)
Bitte nicht missverstehen: Wenn’s ihm danach
ist, soll er doch! Ich wundere mich nur, dass der eingangs so eindrucksvoll
beschriebene erhöhte, encuentrobedingte Serotonin- und Oxytocinspiegel nicht
doch versöhnlichere Formulierungen bewirkte. Aber vielleicht war da ja schon
ein weiterer Effekt eingetreten, den Cassiel so beschreibt:
„Um meine Schilderung
zu vervollständigen muss ich vielleicht auch noch die von mir empfundene Post-Encuentro-Depression erwähnen.
Die bricht komplett bei der ersten Milonga in heimischer Umgebung nach einem
intensiven Tangowochenende aus.“
Ja, schad, wär er halt nicht gleich wieder hingegangen…
Insofern bleibe ich auch skeptisch bei den
überschwänglichen Bestätigungen in den Kommentaren zum obigen Blogpost:
„Wir sind es im
normalen Alltag einfach nicht mehr gewohnt nah mit anderen zu sein. (…) Die
Nähe sollte eigentlich der Normalzustand sein.“
„Die Verkrampfungen
die wir aus dem Alltag mitbringen lösen sich. Die beiden Gehirnhälften sich
ausreichend synchronisiert. (…) Der Abschied naht und das Gefühl ‚.... oh Augenblick verweil, du bist so
schön‘ wird dadurch noch stärker. Dann
zurück noch tagelang die gute Energie, die man getankt hat. Zufriedenheit und
Ausgeglichenheit, die auch die Umgebung spürt.“
„Für mich ist Tango
Meditation. Fokussierung auf hören und fühlen. Durchlässig werden. Ich habe
tatsächlich das Gefühl, dass sich meine Gehirnwellen verändern...“
P.S.
Nachdem der Urvater des vorschriftsmäßigen Bloggens, Cassiel, mich wegen „unvolllständigen
Zitierens“ angemahnt hat (sicherheitshalber zitiere ich hier seinen
Rechtschreibfehler mit), hole ich gerne den Link auf die angesprochene
Diskussion bei „tanzmitmir“ nach:
(Er
findet sich übrigens schon in meinem oben verlinkten Artikel „Ceterum censeo“ –
aber gut, dann halt nochmal.)
Und
zur ultimativen Transparenz die Diskussion zum ursprünglichem Blogbeitrag „Zurück
aus dem Tango-Wochendende“:
Und
bittschön, liebe Kommentatoren, wenn wir’s schon so mit der Korrektheit haben:
Riedl, nicht Riedel, oh mei‘, wie oft denn noch?
P.P.S.
Übrigens hier noch ein Bonbon von Cassiel,
dem Meister des korrekten Zitierens:
Er
habe, so seine aktuelle Einlassung, damals interveniert, da er die Begriffe „Zensur“ bzw. „Unterdrückung der Meinungsfreiheit“ dann doch etwas zu dick
aufgetragen fand.
Letztere
Formulierung habe ich nicht verwendet. In meinem Text „Einfach abschalten?“ fragte ich die Administratorinnen der
FB-Gruppe „Tango München“, was sie
dazu bewogen habe, hier „der
Meinungsfreiheit den Kampf anzusagen“. In einer Schlussbemerkung weise ich
auf die hohen Zugriffszahlen dieses Beitrags hin und betone: „So ganz lassen sich Meinungen hierzulande
noch nicht unterdrücken.“ Das ist
fast schon die gegenteilige Behauptung…
Natürlich habe ich mit dem Vorwurf gerechnet, „schon wieder gegen Cassiel“ zu schreiben.
AntwortenLöschenAllerdings erlaube ich mir den Hinweis, dass besagter Blogger fast stets zur Stelle ist, wenn ich auf anderen Foren einmal etwas veröffentliche, auch ohne ihn dabei anzugreifen, ja nicht einmal zu nennen, zum Beispiel die Geschichte mit der Löschung auf der FB-Gruppe „Tango München“. Offenbar möchte er halt verhindern, dass meine Beiträge mehr Zustimmung finden als nötig.
Ein entsprechendes Verhalten meinerseits kann ich nicht erkennen – falls doch, nehme ich Zitate per Kommentar gerne an.
Auch mein vorliegender Text ist nicht „gegen Cassiel“ gerichtet, sondern eher gegen die Mär, Anhänger von Encuentros erführen durch die Teilnahme an solchen Veranstaltungen eine positive Persönlichkeitsveränderung in Richtung Gemütsaufhellung und gesteigerter Menschenliebe.
Meine Erfahrungen jedenfalls bestätigen dies nicht – auch in anderen Fällen: Der Wiener Inhaber der Schule „Satho Tango“ hält bis heute einen Spitzenplatz im Pöbeln gegen mich und meine Ideen. (Mein diesbezüglicher Artikel „Über die Feinsinnigkeit traditioneller Tangovertreter“ ist der meistgelesene aller 257 Posts!) Und der Herr wirbt ausgiebig für Encuentros, welche er offenbar auch selber veranstaltet.
Auf solche Widersprüche wollte ich hinweisen. Mehr nicht. Selbstredend gönne ich es jedem, an Encuentros teilzunehmen, und freue mich, wenn sich seine Seelenlage dadurch verbessert. „Der von unfassbarer Primitivität getriebene Riedl“ würde davon ja profitieren…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenLiebe Kommentatorin,
Löschenzum Stichwort "Ego": Ein Vorname als Identifizierung reicht mir leider nicht.
Wenn Sie Ihren vollen Namen nennen, stelle ich den Text gerne als Kommentar ein und werde ihn auch beantworten.
Mit der Bitte um Verständnis
Gerhard Riedl