Ceterum censeo…



„Wir Satiriker müssen mit unseren Themen so umgehen wie die
Katholiken mit dem Sündenfall: Wir müssen hartnäckig bleiben.“
Werner Schneyder: „Schon wieder nüchtern“ (1990)


Die Löschung von Manuela Bößels Link zu ihrem Text „Schwarz und Weiß und das dazwischen“ von der Facebook-Seite „Tango München“ war schon gruselig genug. Das wahre Grauen aber überkam mich, als ich auf dem Forum www.tanzmitmir.net einen Hinweis darauf und auf meinen zugehörigen Blogtext veröffentlichte:

„Auf sozialen Foren des Internets scheint es immer mehr Mode zu werden, Beiträge mit abweichenden Meinungen einfach zu löschen bzw. Links zu deaktivieren.
Das jüngste Beispiel:
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/einfach-abschalten.html

Bereits bei der ersten Reaktion hierzu wähnte ich mich im falschen Film: Wenn da mal etwas Werbung für einen Blog-Beitrag gemacht wird - tolerieren - wenn es zu Konfrontationen führt – löschen“.

Aha. Nun kann man natürlich alles als Werbung auffassen, was in sozialen Netzwerken publiziert wird (zumindest fürs eigene Ego) – aber angesichts des in dem Fall üblichen Reklamegedudels für Tanzschuh-, Kleider- und Schritteverkäufer nimmt sich Manuelas Text geradezu literarisch aus! Und die Toleranz endet, sobald es zu „Konfrontationen“ kommt – soll heißen, die Kritiker des Textes haben es in der Hand, ob gelöscht wird? Ein seltsames Verständnis von Ursache und Wirkung…

Auf meine Nachfrage bestätigte der Kommentator pseudonymens „wirdschonwerden“ (der übrigens zu so ziemlich jedem Thema im Forum mit einer Ansicht aufwartet): „Kann man natürlich tolerieren, aber wenn sich ein großer Disput entzündet löscht man am besten alles. Ohne weitere Diskussion.“

Der zensierte Blogtext wurde dann dankenswerterweise von Alessandra Seitz auf ihrer Wiener Tangoseite mit sehr positiver Empfehlung veröffentlicht:

Umgehend fand sich auch dort ein Kritiker, welcher ins gleiche Horn stieß: Ich würde also nicht der Münchner-FB-Gruppe die Schuld geben: Es ist immer besser, zuerst auf die eigene Nase zu schauen und da hättest du mit ein paar kleinen Änderungen in deinem Text sicher eine andere Reaktion erlebt.“

Na prima: Der Zensierte ist also selber schuld an der Zensur. Er hätte seinen Text ja auch anders gestalten können… Konkrete Vorschläge blieb der Schreiber allerdings schuldig: Vielleicht ein bisschen Werbung für die hervorragenden Münchener Traditionsmilongas?

No politics here, but: Ich mag lieber nicht genauer darüber nachdenken, welches Staats- und Gesellschaftsverständnis sich hinter solchen Ansichten verbirgt – und wie hoch der Anteil der AfD-Wähler im derzeitigen Tango bereits ist…

Und warum haben sich die Administratorinnen von „Tango München“ nicht wenigstens im Nachgang an die Autorin gewandt und ihr erklärt, wieso sie die Eliminierung für angemessen oder sogar nötig hielten? Schließlich ist dieses Forum kein privater Account, sondern hat an die zweieinhalbtausend Nutzer, die man sicherlich nicht um ihre diesbezügliche Ansicht gefragt hat. Stattdessen: autokratisch löschen und schweigen… Nein, da bleibe ich – nicht nur als Satiriker – hartnäckig: Sowas ist Moderation nach Gutsherrenart. Sie passt vielleicht zu den argentinischen Regierungsformen in der „ach so goldenen“ Epoche des Tango. Zu einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft jedenfalls nicht!

Zurück zum österreichischen Forum „tanzmitmir“: Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her – sprich Cassiel – der es wieder einmal für dringend nötig hielt, mir hinsichtlich meiner Performance Ratschläge zu erteilen: Flugs lenkte er von den reaktionären Sprüchen hinsichtlich des von mir beklagten Löschens mit dem „Haltet den Dieb“-Trick ab: Ich würde das ja auf meinem Blog auch nicht ganz anders machen: Manche Beiträge dürften schon mal – trotz der offiziellen Pflicht zur Namensnennung – unter Pseudonym erscheinen, so seine zarte Andeutung.

Meine detaillierten Erklärungen und Dementis hierzu nützten gar nichts: Endlich hatten diejenigen, welche nicht den Hintern in der Hose besitzen, bei mir ihren wahren Namen zu nennen, aber wohl doch ganz gerne mal was auf meinem Blog sagen würden, ein neues, attraktiveres Thema! Eine kleine Auswahl:

„Oder hast du die Ausweise kontrolliert?“
Ich wollte damit nur sagen, dass eine Signatur unter einem Beitrag über den bürgerlichen Namen nicht viel aussagt.“
Klar ist doch: Du löscht oder lässt stehen nach eigenem Gusto (auch Peter Lustig oder Max Möhre als Namen) wenn es Dir in Deinem Blog passt.“
„Trifft Dich der Vorwurf der Zensur dann nicht ebenso? Nein, das ist natürlich was gaaaaanz anderes.“
„Du willst nicht erkennen, dass du Beiträge aus deinem Blog löscht, weil sie dir inhaltlich nicht passen - und nicht weil der ‚Klarnamen‘ fehlt. Diese Namen überprüfst du auch gar nicht.“
Du hast ja selbst geschrieben, dass du keine Ausweiskontrolle durchführst. Woher weißt du also, ob es sich um die wirklichen Namen handelt?“
Genau - nicht ausweichen! Also: wie kontrollierst du die Namen?“

Wer es sich antun möchte, darf die gesamte lichtvolle Debatte gerne nachlesen:

Das Ziel der Diskutanten war jedenfalls erreicht: Von der Löschung auf „Tango München“ war man nun weg und bei der Verwerflichkeit meiner Kommentarmoderation angekommen.

Obwohl es mir wegen der vielen Wiederholungen zum Hals heraushängt: Auf meinem Blog (so steht es auch dort geschrieben) darf jeder kommentieren, der seinen realen Namen nennt. Inhaltlich ziehe ich nur dort eine Grenze, wo andere persönlich herabgesetzt oder beleidigt werden. Hinsichtlich der Namen gehe ich davon aus, dass ein gewisser Anstand weitgehend verhindern dürfte, mir gefälschte Kreationen anzubieten (was die Praxis weitestgehend bestätigt).

Eine definitive Überprüfung von Namen ist mir allerdings nicht möglich. Man kann im Internet praktisch jeden Ursprungsnachweis fälschen – und im realen Leben selbst Personalausweise. Drängte sich mir ein dringender Verdacht auf, würde ich sicher einmal nachfragen. Unbedingt nötig fand ich das bisher in keinem Fall – und die meisten Kommentatoren kenne ich persönlich.

Wer möchte, darf dies auf meinem Blog gerne anhand der über 750 Leserbeiträge nachprüfen. Er wird dann auch feststellen, dass jede einzelne Löschung hinsichtlich Datum, Uhrzeit und Absenderangabe genau dokumentiert und mit einer Begründung meinerseits versehen ist. Und dass sich wahrlich auch genügend kritische Äußerungen finden!

Man entblödete sich nicht einmal, nach meiner „Definition von anständigen Menschen“ zu fragen. Meine Antwort: Das Problem ist: Anständigen Menschen muss man nicht erklären, was das ist. Und der Rest kapiert es nicht!“

Was bleibt? Ist der Ruf erst ruiniert… „Der Riedl macht es ja auch nicht anders!“

Nein, da bleibe ich hartnäckig: Macht er doch!

Und die Löschung auf „Tango München“ ist eine Sauerei. Auch dabei bleibt’s.

Was kann man sonst noch tun? Der von mir verehrte Kabarettist Werner Schneyder formulierte dies schon vor über 25 Jahren:   

„Was bleibt?
Dreinreden, von Zeit zu Zeit dreinreden,
vermeiden von Hirnschäden
in all dieser Farce.
Und auslachen, so lang es geht auslachen,
das Licht langsam ausmachen.
                                           Gestatten, das war’s."


P.S. „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam" („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss") ist eine Schlussformulierung, mit der Cato der Ältere angeblich alle seine Reden im Senat (unabhängig vom Thema) beendete. Diese Forderung wurde dann auch im Dritten Punischen Krieg (149 bis 146 v. Chr.) erfüllt.

 

Kommentare

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