Test: Nicht für die Schule tanzen wir
Erst neulich musste ich
mich wieder einmal mit dem Vorwurf eines Kommentators beschäftigen, in meinen
Büchern würde Tangounterricht als nutzlos bezeichnet. Dies allerdings habe ich
so nie geschrieben.
Wahr ist jedoch, dass mir
die übliche Form von Tangokursen mit der „Steinzeit-Methodik“ („vormachen –
nachmachen“) wenig erfolgversprechend erscheint. In der Neufassung meines
„Milonga-Führers“ findet sich zur Einschätzung solcher Lehrgänge eine
„Kurs-Checkliste“ (S. 120 – 122). Diese habe ich nun, samt meinen aktuellen
Erfahrungen, zu einem kleinen Fragebogen verarbeitet – natürlich inklusive nicht
ganz satirefreiem Bewertungsschema.
Viel Spaß beim
Beantworten der Fragen und gewissen, auf ihnen beruhenden eigenen Reflexionen!
Und entscheiden Sie sich stets für nur eine
Alternative (wie im Tango)!
Was
gab für Sie den hauptsächlichen Ausschlag, sich einem bestimmten Kurs / einer
speziellen Lehrkraft anzuvertrauen?
·
die
Erreichbarkeit / Entfernung des Unterrichtsorts (0 Punkte)
·
der
Kurspreis (0 Punkte)
·
die
Vereinbarkeit mit anderen persönlichen Terminen (1 Punkt)
·
die
selbst beobachteten Tanzkünste des Lehrers / Lehrerpaars (2 Punkte)
·
die
Möglichkeit der gemeinsamen Teilnahme mit anderen Tangobekannten (2 Punkte)
·
die
dortige Vermittlung eines Tanzpartners (2 Punkte)
·
Empfehlungen
/ Ruf der Schule (3 Punkte)
·
Beobachtung
fortgeschrittener Schüler dieses Lehrpersonals (4 Punkte)
·
eigene
Einschätzung aufgrund selbst besuchter Probestunden (5 Punkte)
Welche
Erläuterungen erhielten Sie hinsichtlich der Tangomusik?
·
Welcher
Musik? (- 1 Punkt)
·
keine,
wurde halt gespielt (0 Punkte)
·
keine,
außer Durchzählen des Rhythmus / Taktes (1 Punkt)
·
Rhythmus,
Takt und Phrasierung wurden erklärt. (2 Punkte)
·
auch
Vorstellung der großen Orchester der EdO inklusive spezieller Tanzweisen dazu (3
Punkte)
·
Auch
neuere Tangomusik wurde einbezogen. (4 Punkte)
·
Ein
anderer Tanzstil zu moderner Musik wurde ebenfalls gelehrt. (5 Punkte)
Wurde
eher „trocken“ geübt („Durchzählen“) oder zur Musik?
·
Was
für Musik? (0 Punkte)
·
Musik
nur gegen Ende zum Einüben (1 Punkt)
·
überwiegend
Trockenübungen (2 Punkte)
·
eher
halbe / halbe (3 Punkte)
·
vorwiegend
zu Musikbegleitung (4 Punkte)
·
Tanzen
stets zur Musik (5 Punkte)
Schätzen
Sie den Anteil der Stunde, in dem Sie selber tanzen durften (und nicht die
Tangolehrkraft Vorträge hielt oder Schritte vorzeigte)!
·
maximal
20 Prozent (0 Punkte)
·
maximal
40 Prozent (1 Punkt)
·
maximal
60 Prozent (3 Punkte)
·
maximal
80 Prozent (4 Punkte)
·
über
90 Prozent (5 Punkte)
Wieviel
Prozent des Unterrichts bezogen sich auf Übungen zur Tangotechnik (z.B.
Umarmung, Achse, Dissoziation, Bein- und Fußarbeit) – und nicht auf die
Einübung von Schrittfolgen?
·
maximal
20 Prozent (0 Punkte)
·
maximal
30 Prozent (1 Punkt)
·
maximal
40 Prozent (2 Punkte)
·
maximal
50 Prozent (3 Punkte)
·
maximal
60 Prozent (4 Punkte)
·
über
60 Prozent (5 Punkte)
Wurden
während des Kurses die Partner gewechselt?
·
nie
(0 Punkte)
·
nur
gelegentlich auf eigene Initiative (1 Punkt)
·
nur,
wenn jemand krank war (2 Punkte)
·
einige
Male pro Stunde (3 Punkte)
·
öfters
pro Stunde (4 Punkte)
·
praktisch
nach jedem Tanz (5 Punkte)
Welche
Ansicht vertraten die Lehrkräfte tendenzmäßig zum „Führen und Folgen“?
·
Was
heißt hier führen? Jeder muss seine Schritte können! (0 Punkte)
·
Die
Frau darf nur das tanzen, was der Mann führt. (1 Punkt)
·
Grundsätzlich
führt der Mann, und die Frau folgt. (2 Punkte)
·
Frauen
dürfen gelegentlich auch eigene Beiträge einbringen. (3 Punkte)
·
Der
Mann soll die Frau zu eigenen Aktivitäten animieren. (4 Punkte)
·
Tango
ist ein gleichberechtigter Dialog der beiden Partner. (5 Punkte)
Förderten
die Lehrer individuelle Tanzweisen und Schrittkombinationen?
·
Nein,
alle mussten alles genauso tanzen wie sie. (0 Punkte)
·
Kleine
Abweichungen wurden toleriert. (1 Punkt)
·
Deutlichere
Varianten wurden hingenommen. (2 Punkte)
·
Stilistische
und choreografische Alternativen wurden von Anfang an aufgezeigt. (3 Punkte)
·
Die
Lehrkräfte akzeptierten den jeweiligen persönlichen Tanzstil und motivierten zu
selbstständigen choreografischen Varianten. (4 Punkte)
·
Eigene
Einfälle und Stile wurden ausdrücklich gelobt. (5 Punkte)
Waren
im Kurs Tanzende verschiedener Leistungsniveaus anwesend?
·
Nein,
es wurde streng auf ein einheitliches Level geachtet. (0 Punkte)
·
Fortgeschrittenere
Tänzer, die ausnahmsweise erschienen, mussten sich dem gleichen Programm
unterwerfen. (1 Punkt)
·
Gelegentlich
waren als „Springer“ erfahrenere Tänzer/innen anwesend, deren Kenntnisse
einbezogen wurden. (2 Punkte)
·
Es
nahmen generell Personen mit unterschiedlicher Tanzerfahrung teil. (3 Punkte)
·
Das
Kurskonzept sah eine Mischung von Teilnehmern mit verschiedener Tanzroutine vor.
(4 Punkte)
·
Ein
Austausch zwischen Tanzenden verschiedenen Levels wurde ausdrücklich gefördert
und in den Unterricht einbezogen. (5 Punkte)
Tanzten
die Lehrenden auch mit ihren Schülern?
·
nein,
nie (0 Punkte)
·
nur
selten, wenn ein dringender Anlass bestand (1 Punkt)
·
nur
zum Vorzeigen von Schritten mit „Lieblingsschülern“ (2 Punkte)
·
gelegentlich,
wenn es die Zeit erlaubte (3 Punkte)
·
öfters
(4 Punkte)
·
regelmäßig,
war ein zentraler Inhalt des Lehrkonzepts (5 Punkte)
Beurteilen
Sie den didaktischen Zusammenhang des Unterrichts!
·
Welchen
Zusammenhang? Es war ein einzelner Workshop. (0 Punkte)
·
Es
gab jede Stunde ein völlig neues Thema. (1 Punkt)
·
Gelegentlich
wurde auf Inhalte des vergangenen Unterrichts hingewiesen. (2 Punkte)
·
Zu
Beginn jeder Stunde gab es eine Wiederholung der letzten Unterrichtseinheit. (3
Punkte)
·
Der
Einstieg enthielt stets eine Zusammenfassung des insgesamt bisher Gelernten. (4
Punkte)
·
Allgemeine
technische Prinzipien bildeten das fortlaufend wiederholte Grundgerüst des
Unterrichts. (5 Punkte)
Welche
Beschreibung trifft auf Ihr Lehrpersonal am ehesten zu?
·
„Halbgott
vom La Plata“: reserviert, besteht strikt auf seiner Sichtweise, arbeitet
vorwiegend mit Begriffen wie „richtig“ und „falsch“ (0 Punkte)
·
ruhig
und sachlich, achtet genau auf die Befolgung seiner Anweisungen, sehr viel
Kritik (1 Punkt)
·
freundlich
und nett, aber nicht sehr souverän; eher verworren (2 Punkte)
·
sehr
ernst, kann aber gut erklären, behält stets den Überblick (3 Punkte)
·
locker
und aufgeschlossen, vermittelt Kompetenz und Freude am Tanzen (4 Punkte)
·
geht
individuell auf jeden Schüler ein, besteht nicht auf seiner Sichtweise, gibt
sehr viele positive Rückmeldungen, motiviert zum Tanzen (5 Punkte)
Auswertung
0
- 10 Punkte:
O
Gott, haben Sie den Kurspreis schon bezahlt? So oder so: Buchen Sie Ihre Erlebnisse
als unumgängliche Lebenserfahrung ab, aber meiden Sie hinfort konsequent diesen
Unterricht! „Tangolehrer“ ist halt kein Ausbildungsberuf. Jede Wette: Auch ohne
jegliche Tangoerfahrung haben Sie früher besser getanzt…
11
- 20 Punkte:
Direkt
schädlich ist diese Veranstaltung nicht. Sollte Sie also das schon bezahlte
Geld reuen, so bringen Sie halt die restlichen Kursstunden noch hinter sich.
Mein dringender Tipp jedoch: Fassen Sie die erhaltenen Ratschläge als
Einzelmeinung auf, merken Sie sich keinen der komischen Schritte und suchen Sie
in der Zwischenzeit schon mal nach besseren Lehrern!
21
- 30 Punkte:
Dieser
Unterricht ist leider vom Durchschnitt hierzulande nicht weit entfernt.
Sicherlich bekommen Sie einige nützliche Ratschläge, dürfen hin und wieder
sogar mal zu echter Musik tanzen oder es mit einem anderen Partner versuchen.
Dennoch gibt es durchaus Besseres auf dem Unterrichtssektor. Eine weitere
Anfahrt, ungünstigere Termine bzw. höhere Kurspreise sollten Sie nicht davon
abhalten, sich nach Alternativen umzusehen!
31
- 40 Punkte:
Vergleichsweise
haben Sie mit Ihren Tangolehrern ziemliches Glück. Ansatzweise bekommen Sie das
vermittelt, was für gutes Tangotanzen essenziell ist. Dennoch würde ich an
Ihrer Stelle zusätzliche Angebote bzw. Privatstunden oder Practica erwägen. Und
vor allem: Besuchen Sie viele Milongas – nur dort lernen Sie allmählich die
Umsetzung des Gelernten (oder dessen fehlende Relevanz).
41
- 50 Punkte:
Gratulation!
Sie sind an Lehrende geraten, welche – nicht nur hierzulande – zur absoluten
Spitze gehören. Offenbar werden Sie nicht mit allen anderen „über einen Kamm
geschoren“, sondern individuell gefördert und in Ihrer persönlichen Entwicklung
begleitet. Nehmen Sie dort unbedingt auch Privatstunden – dies wird Ihren
Lernfortschritt weiter beschleunigen!
51
- 60 Punkte:
Was
bringt Ihnen eigentlich Selbstbetrug? Ich rate Ihnen dringend, in Zukunft bei
der Beantwortung von Tests ehrlicher zu sein! Solche Tangolehrer habe ich in 16
Jahren Beschäftigung mit diesem Thema noch nie erlebt. Derartige Spitzenleistungen
wären zwar höchst wünschenswert, sind in der heutigen Tangoszene allerdings
reine Illusion.
P.P.S. Der Suchbegriff "Tangolehrer Bewertung" ergab übrigens bei Google null Treffer - überraschte mich nicht. Einen hübschen Fund machte ich dennoch: Unterrichtsdemo ohne Musik!
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenDen obigen Kommentar habe ich gelöscht, da die Identität des Verfassers nicht ersichtlich war.
LöschenWas mich sehr freut: Neulich rief mich eine Tangolehrerin an und bat um die Erlaubnis, diesen Test mit ihren Schülern zu versuchen.
AntwortenLöschenNatürlich habe ich gerne zugestimmt und bin gespannt auf das Ergebnis!
Tja, nach fünf Jahren darf ich feststellen: keine Rückmeldung. Vielleicht war das Testergebnis ein wenig unerwartet...
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