Tango, Lust und Wort
Dank der vielen Kommentare Tangoschaffender hat sich mein Blog eh zu einer Werbeseite für den Verkauf kommerzieller Tangoangebote entwickelt. Nach dem Harald Schmidt-Motto „Was man nicht verbergen kann, muss man ausstellen“ habe ich mich entschlossen, nun auch selber ein Angebot aus der Rubrik „TfK“ („Tango für Knete“) anzupreisen.
Meine Wahl fiel auf Iwan Harlan und seine Partnerin Isabella, denen ausweislich ihrer Werbefotos das Wasser bis zum Hals steht:
https://www.elonga.net/ueber-uns/
Angesprochen fühlen dürfen sich „TangoBellas, TangoChicos & Paare mit Kopf und Herz und viel Raum dazwischen“. Na gut, das setzt halt eine gewisse Körpergröße voraus…
Zunächst darf man sich mit vier Fragen abgeben:
„Du willst Deinen Tango
befreien?
Du hörst die wunderbare Musik,
Du liebst sie und willst mit ihr schwingen?
Du suchst den Schmelzpunkt deines Tangos?“
O je, da müsste ich schon mindestens drei mit „Nein“ beantworten!
Zunächst wird der eigene, „einzigartige, zeitgenössische Tanzstil“ gepriesen. Okay, etwas Werbung darf sein!
Dieses Mal gedenke man „Die Magie von Nähe & Distanz“ zu erforschen. Na gut, zu mindestens 50 Prozent trifft man da sicherlich die Wünsche der Interessenten!
Versprochen wird: „Wir begleiten Dich dabei, in Deinem eigenen Körper anzukommen und den ursprünglichen Bauplan Deiner Essenz wiederzuentdecken.“
Super! Wenn ich mich an meine vielen Beobachtungen auf dem Milonga-Parkett erinnere, könnte es manchen tatsächlich nicht schaden, im eigenen Körper anzukommen. Um den „ursprünglichen Bauplan“ seiner Essenz wiederzuentdecken dürfte aber wohl ein Zoobesuch nützlicher sein.
Beim Motto „Für mehr Frau und mehr Mann im Tango“ wird leider nicht gesagt, ob man sich das heraussuchen kann. Und leider sind manche Workshops nur paarweise zu betreten.
Immerhin wird versprochen: „Bei uns geht es nicht um Schritte oder Figuren, sondern um die gemeinsame Bewegung – vom Herzen bis zu den Füßen.“ Man möchte also beim Tanzen mal die Birne ausschalten – hoffentlich!
Besonders schön finde ich dieses tragende Motto:
„Eros – Tango – Logos“.
Leider wird nicht gesagt, ob man das auch getrennt buchen kann!
Ein wenig vorlaut erscheint mir die Veranstalter-Frage „Wieviel sind die Workshops wert?“
Sorry, aber das müssen die Teilnehmenden beantworten. Der Veranstalter kann nur sagen, wieviel Knete er will!
Quelle: https://www.elonga.net/etl-chiemgau/
Mein Fazit: Okay, ich habe schon dümmere Tango-Werbung gelesen. Dennoch frage ich mich halt, warum man bei Unterrichts-Angeboten ein solches Gedöns veranstalten muss. Kriegt man keine Kunden, wenn man die Backen weniger aufbläst?
Hier noch ein dazu passendes Tanzvideo der beiden Lehrkräfte bei einem solchen Event. Immerhin haben sie anfangs eine meiner Lieblingsmelodien ausgesucht: „Moon River“ (eigentlich ein Langsamer Walzer, der sogar jenseits von „Huhu" einen Text hätte - siehe „Logos"...). Putzig finde ich bei solchen Produktionen stets die längere tanzlose Anfangssequenz unter dem Motto „Huch, ist da wer?“. Zum Glück findet man einander dann meist doch noch…
https://www.youtube.com/watch?v=3ro_zfZrImo
Heute erreichte mich ein Kommentar von Christian Beyreuther. Ich habe ihn um die Teile gekürzt, die sich nicht auf das Thema beziehen:
AntwortenLöschen„(….) Was die Werbung betrifft: Man fragt sich schon, warum man so tief in die esoterische Textkiste greifen muss. Von ‚ursprünglichem Bauplan‘ über ‚Essenz‘ bis hin zu ‚Eros – Tango – Logos‘ – das klingt mehr nach Selbsterfahrung als nach Tanzunterricht. (…)
Der Tanzstil dieses Paares hat jedenfalls wenig mit dem zu tun, was für mich Tango bedeutet. Nicht nur in Bezug auf Bewegung und Interpretation – auch die Musikauswahl zu Beginn lässt mich völlig unberührt. Die moderne Nummer wirkt auf mich wenig inspirierend. Und wenn schon der Einstieg nicht berührt, bleibt der Funke meist auch später aus.
Unterm Strich bleibt: Wenn der Tanz nicht überzeugt, versucht man es eben mit schönen Worten. Aber Worte allein bringen auf der Tanzfläche eben nicht viel.“
Lieber Gerhard,
AntwortenLöschendanke, dass du meinen Beitrag aufgegriffen hast – allerdings bedaure ich, dass du ihn gekürzt hast. Ich habe mich inhaltlich sehr konkret mit dem Thema deines Blogposts auseinandergesetzt – insbesondere mit der Werbesprache und dem Video, auf das du selbst verwiesen hast. Ich bin bewusst nicht auf alle Aspekte eingegangen, weil ich meine Schwerpunkte setzen wollte. Das tust du in deinen Beiträgen ja genauso.
Dass ich den Tanz des Paares wohl anders sehe als du, sollte kein Grund sein, meine Ausführungen nur in Auszügen zu zeigen. Gerade der Vergleich mit anderen Tänzern und die Frage nach der Rolle von Netzwerken im Tango hätten das Thema aus meiner Sicht gut ergänzt – auch im Sinne einer offenen Diskussion.
Wenn du redaktionelle Kürzungen vornimmst, ist das dein gutes Recht. Aber bitte nenn es dann auch so – und nicht nur „aus thematischen Gründen“. Alles andere wirkt so, als dürften nur Perspektiven Platz finden, die deine Sichtweise stützen.
Beste Grüße
Christian Beyreuther
Lieber Christian,
Löschendas Thema meines Artikels war nicht die Besprechung eines Tanzvideos, sondern die Auswüchse der Tangowerbung.
Warum ich meine Texte oft mit einem YouTube-Video beende, hat einfach den Grund, dass ich dann ein schönes Titelbild habe. In anderen Artikeln hat das abschließende Video oft noch weniger mit dem Inhalt meiner Texte zu tun.
Zudem ist es eine Tatsache, dass die Fähigkeiten im Showtanz oft wenig über die Eignung als Lehrender aussagen.
Was der Vergleich mit anderen Tänzern oder die Aufgaben von Netzwerken mit dem Thema meines Textes zu tun haben, sehe ich überhaupt nicht.
Sinn eines Kommentars ist jedenfalls nicht, endlich mal das schreiben zu können, was man schon immer mal loswerden wollte.
„Offene Diskussionen“, das habe ich in vielen Jahren Internet gelernt, führen nicht zu mehr Klarheit, sondern vom Hundertsten zum Tausendsten.
Und wer angesichts der vielen kontroversen Kommentare hier meint, es dürften nur meine Perspektiven Platz finden, der ist von den Tatsachen meilenweit entfernt.
Beste Grüße
Gerhard
Hallo Gerhard,
AntwortenLöschendu schreibst, dein Beitrag habe sich nicht mit dem Video beschäftigt – dabei kommentierst du es selbst, nennst es „passend zum Thema“, sprichst über Musik und Inszenierung. Genau daran habe ich angeknüpft. Mein Kommentar war stimmig, konkret und bezog sich direkt auf die Diskrepanz zwischen Werbung und tänzerischer Umsetzung – ein Aspekt, der deiner Argumentation sogar Tiefe hätte geben können.
Auch der Vergleich mit anderen Tänzern sowie der Hinweis auf Netzwerke war kein „Themenwechsel“, sondern eine Antwort auf deine Frage, warum manche Anbieter von Kursen überhaupt so werben müssen. Dass du diese Perspektive nicht zeigen willst, ist redaktionelle Entscheidung – aber dann sollte man es auch so benennen und nicht so tun, als wäre sie inhaltlich irrelevant.
Mein Ton war sachlich. Was du daraus machst, ist deine Sache. Aber dass du mir damit unterstellst, ich hätte „nur mal was loswerden wollen“, ist nicht nur daneben – es widerspricht dem, was dein Blog sonst gerne einfordert: reflektierte Auseinandersetzung.
Gruß
Christian Beyreuther
Lieber Christian,
Löschenich habe dir gar nichts unterstellt. Wenn du allgemeine Aussagen auf dich beziehen willst, ist das deine Sache.
In der Aufsatzlehre habe ich mal gelernt, Einleitung und Schluss müssten sich nicht streng auf das Thema beziehen, der Hauptteil schon.
Die Rolle von Videos, die ich oft zum Schluss einstelle, habe ich bereits erklärt. Offenbar vergeblich.
Insgesamt frage ich mich, was es bringt, hier verbissen herumzudiskutieren, welche Kommentare nun als passend angesehen werden oder nicht. Glaubst du, das würde an meiner Art, das Blog zu betreiben, auch nur das Geringste ändern?
Dass ich nur Unsinn schreibe, haben du und andere nun ja schon genügend dargetan. Das Herumgestreite, was ich nun veröffentliche und was nicht, könnte ebenso viel Sympathie einbringen wie die bekannten „Prozesshansel“, die über den Anwalt haufenweise Schriftsätze zu den überhängenden Kirschbaumzweigen des Nachbarn loslassen.
Was mich ärgert: Nun sind wir wieder meilenweit vom Thema entfernt, weil es ja nun unbedingt darum gehen soll, wie gut ein bestimmtes Lehrerpaar tanzt. Genau das wollte ich nicht.
Daher werde ich Kommentare, die sich mit Nebenaspekten befassen, nicht mehr veröffentlichen.
Beste Grüße
Gerhard
Hallo Herr Riedl,
AntwortenLöschensoviel ich weiß, ist Iwan Harlan Werbetexter und/oder Komponist für Werbemusik. Zumindest versucht er sich beim Tango als Werbetexter.
Man erinnere sich an seine Tango-Untergangs-Videos in der Zeit von Corona bei ProTango, in denen er uns suggerieren wollte, dass der Tango in Deutschland stirbt, wenn ein paar Studiobesitzer pleite gehen. Der Tango lebt aber immer noch.
Seine Texte sind oft so sinnfrei wie die in Auto-Werbefilmen, in denen Schlagworte Gefühle und Assoziationen erzeugen sollen.
Aber bei ihm sind sie unfreiwillig komisch. Die Aneinanderreihung interessant klingender Begriffe erscheinen wie Rätsel, dessen Zusammenhang Iwan wahrscheinlich selbst nicht erklären kann.
Trotzdem scheint er damit bei denen Erfolg zu haben, die den Tango mystifizieren und sich eine ‚Befreiung‘ mittels möglichst übungsfreier und müheloser Abkürzung Richtung „Tanz auf dem Vulkan auf Lanzarote“ erhoffen.
Witzig ist auch seine Bezeichnung von betagten Tangoherrschaften, die er schmeichelnd "Tango-Chicos" nennt, damit diese sich jung & knackig und - vor allen Dingen - männlicher fühlen dürfen. Zu diesem Zwecke zelebrierte er mal, nach Insidern, in seinen Männerkursen "Maori-Kriegsgesänge". Also nix mit cabeceo, das ist nicht maskulin genug.
Und mit seinem Tanz mit Isabelle erfüllt er zumindest seine eigenen Klischees: „Much ado about nothing!“
Aber vielen gefällt es.
Ich finde seine Stilblüten bezaubernd und sie beleben den ohnehin schon skurrilen Tango-Markt mit Humor.
Und außerdem sind Iwan und Isabelle sympathische Menschen. (Das bin ich ja offensichtlich nicht.)
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wendel
Lieber Herr Wendel,
Löschenna ja, Sie könnten Ihre Sympathiewerte sicher noch steigern. Aber in dem Bereich bin ich ebenfalls kein Experte…
Zu dem Video, das Sie ansprechen, gab es ja damals eine Satire von mir, die nicht nur Beifall fand:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/06/verpilcherung-furs-weltkulturerbe.html
Es stimmt natürlich, dass der Tango die Corona-Pandemie überlebt hat. Leider gilt das nicht für alle Tänzerinnen und Tänzer.
Ja, Iwans Werbung reizt zu satirischer Persiflage. Man muss aber anerkennen, dass er im Tango seinen ganz eigenen Weg geht – im Gegensatz zu vielen, die den Katechismus des „traditionellen Tangos“ nachbeten. Wir sollten froh sein, dass es solche Individualisten gibt.
Und der Weg zum Tango wird von vielen Unterrichtenden als mühelos dargestellt. Da ist Iwan wirklich keine Ausnahme!
Danke und beste Grüße
Gerhard Riedl