Wozu die Panik?
In den letzten 14 Tagen tobt auf meinem Blog mal wieder eine wahre Kommentarschlacht. Wobei die Schreiber sich – wie könnte es anders sein – weniger mit meinen Argumenten, dafür umso mehr mit meiner Person beschäftigen. Und die wird natürlich so negativ wie möglich dargestellt.
Einige Kostproben aus der Vorhölle des Meinungs-Inhabertums:
„Nur einer hat den wahren Tango gepachtet – und bloggt ihn seit Jahren tot.“
„Ob sich Frauen beim nächsten Mal genau überlegen, ob sie wirklich mit Gerhard Riedl tanzen möchten, bleibt offen. Tänzerisch ist bei ihm kaum Entwicklung erkennbar – dafür umso mehr Beharrlichkeit im Rechthaben.“
„Gerhard, du pisst vielen Leuten oft genug gewaltig ans Bein. Dass du es nicht ertragen kannst, dass du dann ein dementsprechendes Echo erlebst, war mir ja von Anfang an klar. Wie sollte denn auch bei einem Narzissten anders sein.“
„Ich bin Gewerbetreibender, keine Wohnzimmer-Milonga mit Salzstangen und Bierdeckeln.“
„Es gibt Herren, die seit 25 Jahren das Gleiche tanzen, nie Kurse besuchen – aber sich für Experten halten. Manche von ihnen schreiben dann mit missionarischem Eifer Blogbeiträge.“
„Herr Riedl ist kein Einzelfall, sondern ein prototypisches Beispiel für eine weit verbreitete Spezies: Den Tangophilosophen mit Sendungsbewusstsein, Ironiepanzer und intellektuellem Alleinvertretungsanspruch.“
„Hallo Herr Riedel,
Ich möchte Ihnen gerne auf die Sprünge helfen, Sie vom Schlauch runter geleiten
und ihre Verwirrung auflösen. Sie können es ja auch nicht verstehen, wenn Sie
nur darüber schreiben, anstatt es selbst zu erleben. Wobei eigentlich ist es
ganz einfach und mit etwas Grips leicht zu kapieren.“
„Was Sie als Souveränität verkaufen, wirkt längst wie beleidigte Eitelkeit im Dauerloop. Und Ihre Glaubwürdigkeit? Erstklassig – solange niemand nachfragt.“
„Zum einen, lieber Gerhard – prüfe doch mal, wieweit Frust nicht auch ein Motiv für Dein eigenes Schreiben ist.“
„Du bist und bleibst ein A…“
Gerade frisch hereingekommen:
„Er meint alle, bis auf einen nörgeligen Boomerrentner, der noch in der alten Zeit hängen geblieben ist (…) Ein unbelehrbares Urgestein der Granteligkeit.“
Na gut – ich muss ja nicht alles veröffentlichen. Und wenn ich es tue, ist es mein Problem.
Unterm Strich frage ich mich aber, wie es eigentlich zu dieser großen Aufregung kommt.
Klar: Ich vertrete im Tango (gelegentlich auch zu anderen Themen) Ansichten, die nicht dem Mainstream entsprechen. Beispielsweise bin ich ein Fan des Tango nuevo, halte nicht viel von Tanzvorschriften, bin von heutigen Formen des Tangounterrichts nicht überzeugt und setze auf eigenständiges Lernen und Improvisieren.
Einfluss auf die Realität auf dem Parkett habe ich kaum: Auf vielen Milongas dudeln unverdrossen die „Hits“ aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, man pflegt Aufforderungsriten aus dieser Zeit, hält sich an Vorschriften, die jede Kreativität auf der Piste ersticken – und glaubt generell an das, was alle glauben (oder zu glauben haben). Man gibt Unsummen für Tangounterricht und Encuentros in illustren Ballsälen aus. Veranstaltungen unter hundert Teilnehmenden gelten als Flop.
Bei uns in Pörnbach trifft sich gelegentlich eine einstellige Zahl von Leuten zum Üben.
Was kann ich denn tatsächlich verändern? Ich glaube nicht, dass viel mehr als fünf Prozent der (deutschsprachigen!) Tangopopulation mein Blog überhaupt kennen. Und welcher Anteil davon liest es regelmäßig? Davon gibt es dann noch viele, die überhaupt nicht von dem überzeugt sind, was ich schreibe.
Macht dann irgendeine Tangoschule Pleite,
wenn ich mal eines ihrer Angebote verblödle? Oder ein Veranstalter, der sich von mir eine Satire einfängt?
Das Meiste an Lächerlichkeit produziert man im Tango doch selber – dazu muss ich mich überhaupt nicht anstrengen.
Worauf ich aber besonderen Wert lege: Ich karikiere nie die Gesamtpersönlichkeit von Menschen, spreche keine Urteile über deren Lebensleistung. Wie könnte ich auch?
Mein Arbeitsprinzip ist sehr einfach: Wenn jemand Quatsch veröffentlicht, ist er fällig! Dann kann es sein, dass er sich eine Satire abholt. Der von mir sehr verehrte Harald Schmidt sagt dazu: „Der dümmste Satz in diesem Bereich lautet: ‚Er macht Satire, aber ohne zu verletzen.‘ Wenn er nicht verletzen will, soll er’s lassen.“
Aber ich arbeite mich nicht an der Person ab, sondern an dem, was jemand publiziert. Wer das nicht unterscheiden kann, ist selber schuld.
Um nochmal zum Punkt zu kommen: Warum also die Panik, wenn ein oberbayrischer „Boomer-Rentner“ von seinem Dorf aus Tango-Verhältnisse karikiert? Das könnte man doch in aller Gelassenheit aushalten! Stattdessen drehen manche fast durch, als ob ich dem heutigen Tango den Todesstoß versetzt hätte.
Lustig finde ich schon einmal den Vorwurf, „in der alten Zeit hängengeblieben“ zu sein – vor allem, wenn er von Leuten kommt, die zu 80 Jahre alter Musik tanzen und an Ritualen dieser Epoche festkleben.
Dennoch: Wieso diese Aufregung, wenn ich hier andere Sichtweisen zum Tango vertrete?
Ich glaube, weil man vieles Komische und Seltsame im heutigen Tango mit einer pseudoreligiösen Attitüde verteidigt. Und typisch für eine Religion ist es, dass man an „Heiliges“ einfach zu glauben hat – so widersprüchlich es auch klingen mag. Wer das nicht tut, wird als „Ketzer“ attackiert und gebrandmarkt. Mit Rationalität und Logik hat das nichts zu tun. Nicht mal mit Toleranz. Und typisch für Religionen ist es durchaus mal, Andersdenkende per Bombe hochgehen zu lassen. Da haben wir im Tango doch noch Glück gehabt!
Und wie in allen Glaubensgemeinschaften ist der Gruppendruck erheblich. Schließlich müssen Zweifler zur Hölle fahren!
Wer aber wirklich Überzeugendes vertritt, muss nicht herumkeifen und andere persönlich erniedrigen. Der kann gelassen darauf hoffen, dass sich das Bessere durchsetzen wird. Und wenn nicht, muss er das ertragen.
Ich kann jedenfalls einem meiner Kritiker nur recht geben, wenn er schreibt:
„Wer Satire übt, muss auch Widerspruch aushalten. Das gilt für alle Seiten – unabhängig davon, ob man Tango traditionell oder untraditionell tanzt.“
Und auch wenn der Duden letzteres Adjektiv nicht kennt: Das gilt auch für alle, die keine Satire betreiben – oder sie erst üben.
P.S. Damit nicht wieder das abschließende Video statt des Artikels kommentiert wird, heute eines, für das sich kaum jemand interessieren dürfte: „Tristeza de un Teclado“ („Traurigkeit einer Tastatur“) des Tango nuevo-Komponisten Omar Valente. Wir tanzen in Pörnbach öfter mal zu seinen Stücken:
https://www.youtube.com/watch?v=wdOJ0UIuDKw
https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/10/die-vergessenen-musiker-omar-valente.html
Diese musik ist einfach furchtbar und nur mit ihrem unmusikalischen gehoppel zu betanzen. Für leute mit normalem musikgespür: untanzbar!!!1!!!
AntwortenLöschenUnglaublich - jetzt kommentiert doch irgendein Depp wieder das Video! Könnt ihr eigentlich nur gucken und nicht lesen?
LöschenMotto: BILD dir deine Meinung!
Und nicht alle Stücke, die über Ihren Horizont gehen, sind deshalb untanzbar.
Ich finde die Musik nicht mal schlecht, als Beiwerk beim kochen bestens geeignet. CB
AntwortenLöschenÜbrigens, ich habe auch den Text gelesen. Einen weiteren Kommentar erspare ich mir lieber.
Die Versicherung, den Text gelesen zu haben, stellt noch keinen Kommentar dar.
LöschenHallo Herr Riedl,
Löschenwieder mal in Ihrer Opfer- oder Märtyrerrolle?
Es ist doch seltsam: In Ihren Kommentaren versuchen Sie stets, Ihre Gelassenheit über diese Angriffe zur Schau zu stellen, aber nach jeder Kommentarschlacht beklagen Sie sich dann in einem Extra-Artikel über „böse“ Kommentatoren.
Ich glaube übrigens nicht, dass man Sie nur deshalb ad hominem angreift, weil Ihre Ansichten nicht dem Mainstream entsprechen.
Ihre Beiträge sind ein Psychogramm; ein Gesamtbild Ihrer Unzufriedenheit an bestimmten Dingen, die Ihnen in der Tango-Welt nicht passen.
Es ist Ihre Art, Angriffe auf Personengruppen und einzelne Personen hinter einer satirischen Fassade zu äußern.
Dass Sie bestimmte Aussagen nicht differenzieren, sondern stattdessen Pauschalurteile austeilen, - das wirkt populistisch.
Man kann nämlich auch mit dem Skalpell satirisch sein und nicht nur mit dem Vorschlaghammer. (Siehe „Die Anstalt“)
Sie wirken dagegen wie ein Dieter Nuhr, den Sie ja so bewundern.
Ihr Eifer und Ihre immer wiederkehrende Kritik an denselben Themen wirken fast schon verzweifelt.
Haben Sie sich nie gefragt, warum so oft Ihre Person angegriffen wird und nicht unbedingt Ihre Inhalte? Dabei erlebe ich doch oft in anderen Blogs, dass die Kommentare sich meistens nur auf die Inhalte beziehen und ein recht friedlicher Diskurs stattfindet. (Außer natürlich bei Facebook.)
[…]"Wer aber wirklich Überzeugendes vertritt, muss nicht herumkeifen und andere persönlich erniedrigen. Der kann gelassen darauf hoffen, dass sich das Bessere durchsetzen wird. Und wenn nicht, muss er das ertragen."[…]
Erstaunliche Erkenntnis aus Ihrer Feder. Wen meinen Sie damit? Auch sich selbst?
Ich erwarte eine Replik bezüglich meiner psychologischen Hobby-Expertise usw., aber es ist ja nur eine Meinung, genau wie Ihre Blog-Beiträge.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wendel
PS: Wenn Sie am Abschluss Ihrer Artikel - Post-Skriptum - ein Video einstellen und dieses auf noch kommentieren („…wir tanzen in Pörnbach…usw.“), ist es doch auch ein Bestandteil Ihres Beitrags. Warum sollte man dieses in Kommentaren nicht erwähnen dürfen? Geht Ihre Zensur jetzt schon so weit, dass Sie auch noch vorschreiben wollen, welche Stellen in Ihren Beiträgen zu behandeln sind und welche nicht?
Diese Musik ist übrigens rein konzertant, ebenso gut oder schlecht könnte man auch zu Rachmaninoffs Klavierkonzert tanzen. Aber wahrscheinlich ist das, was Sie in Ihrem Pörnbacher Wohnzimmer tanzen nennen, ist für viele andere nur “Bewegung während Musik läuft“. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass - außer vielleicht Profis mittels einer Choreografie - irgend ein Normal-Tango-Tänzer in der Lage ist, dieses Stück einigermaßen tänzerisch umzusetzen.
Aber das ist das Problem, dass Sie eine völlig andere Vorstellung davon haben, was es heißt, musikalisch zu tanzen. Das ist keine Vermutung, sondern einwandfrei durch Ihr berühmtes Tanzvideo zu belegen.
(Und dadurch, dass Ihnen in der Kritik über mein Tanzvideo völlig entgangen ist, dass wir, Esther und ich, das Stück „Invierno“ von Canaro bis ins kleinste Detail musikalisch umgesetzt haben.)
Lieber Herr Wendel,
Löscheneine Opferrolle steht mir bei der Qualität meiner Gegner nicht zu. Das wäre stark übertrieben. Worüber soll ich mich beklagen? Wer Quatsch schreibt, wird halt nicht veröffentlicht oder kriegt eine kleine Extra-Satire.
In Sachen „Vorschlaghammer“ bin ich kein Experte. Das überlasse ich Ihnen.
Der Vergleich mit Dieter Nuhr ehrt mich, ist aber stark übertrieben. Ich kriege keine großen Säle voll, sondern muss mich lediglich mit einem Dutzend Dauerkritikern herumschlagen.
Warum öfters meine Person angegriffen wird und nicht meine Inhalte, liegt an der geistigen Verfassung der Kommentatoren. Inhaltliche Debatten würden ein höheres Maß an intellektueller Beweglichkeit erfordern.
Der Blick meiner Texte richtet sich manchmal auch an mich, ganz klar. Nur halt nicht so oft wie bei manchen anderen.
Mein neuer Artikel dürfte Ihnen gefallen: Da gibt es viele Bilder zu gucken, mit nur wenigen lästigen Worten. Und schön, dass Ihnen Ihr eigener Tanz gefällt – habe ich nicht anders erwartet.
Und was das „Pörnbacher Wohnzimmer“ betrifft: Sollte es Sie mal in die Münchner Richtung verschlagen, sind Sie herzlich eingeladen, auf unserem Parkett mitzumachen. Auch wenn Ihr Urteil über unser Tanzen wohl schon vorher feststeht.
Canaro werde ich aber nicht auflegen. Eher Omar Valente.
Mit besten Grüßen
Gerhard Riedl
Lieber Herr Wendel,
Löschenfalls Sie hier nach Ihrem letzten Kommentar suchen, wird das vergeblich sein.
Der Grund: Sie sprachen von „Schamgrenzen und „sich blamieren“.
Dazu stelle ich fest: Niemand soll sich im Tango schämen oder blamiert sich.
Weder Männer, Frauen, Kinder, In- oder Ausländer, Gesunde, Kranke oder Behinderte. Auch nicht Anfänger oder Anfängerinnen, schon gar nicht meine Gäste.
Oder Menschen, die zu dieser oder jener Musik gerne tanzen.
Dass Tangolehrer solche Vokabeln benutzen, macht mich fassungslos.
Debatten hierzu werde ich unterbinden.
Gerhard Riedl